Zeitreise(n) durch Bad Iburg

Beckerteichpforten-Rott - Haus Nr. 36 (heute: Rathausstraße 2)

Unmittelbar angrenzend an die heutige Stützmauer zur Rathausstraße befand sich im Beckerteichpforten-Rott das Haus Nr. 36 - dort befindet sich noch heute eines der letzten typischen Iburger Ackerbürgerhäuser.

Plan von 1875
Plan vom 04. Dezember 1875 (rot eingekreist: Haus Nr. 36)

Die älteste (erhaltene) Nachricht erwähnt dort ein Haus des um 1640 geborenen Lutheraners Conrad Goesman, der zumindest seit 1671 mit seiner Ehefrau Anna Catharina, geb. Albers, dort lebte; das Ehepaar hatte sieben Kinder.

Im August 1703 verstarb Conrad Goesman - er wurde am 10. August 1703 in Iburg beerdigt.

Der Sohn Hermannus Matthias, getauft am 25. Januar 1674 in Iburg, wurde ab 1703 als dort wohnender Bürger genannt. Er hatte am 10. Oktober 1695 Anna Maria Krämer aus Glane geheiratet; aus dieser Ehe gingen ebenfalls sieben Kinder hervor.
Hermannus Matthias Goesman verstarb im Januar 1729 und wurde am 14. Januar 1729 in Iburg beerdigt.

Die 1708 geborene Tochter Maria Margareta heiratete am 16. Mai 1729, vier Monate nach dem Tod des Vaters, in Iburg den Bürger Joannes Henricus Stegman, der Eigentümer des Hauses, einem wahrscheinlich eingeschossigen Haus mit Stall, wurde.

Um 1736 war das Haus derartig baufällig, dass es einstürzte. Über den weiteren Verbleib der Eheleute Maria Margareta und Joannes Henricus Stegman und deren Kinder in Iburg ist (bislang) nichts bekannt.
Aus der Ehe zwischen Maria Margareta und Joannes Henricus Stegman gingen bis 1737 fünf Kinder hervor, bevor Maria Margareta im Oktober 1743 verstarb und am 22. Oktober 1743 in Iburg beerdigt wurde.
Joannes Henricus Stegman heiratete erneut am 1. Mai 1744 die 1706 geborene Iburgerin Catharina Elisabetha Erdtman - mit dieser Ehefrau hatte er noch zwei weitere Kinder; sämtliche Kinder nannten sich mit Nachnamen Stechtman.

Einsturz
Vermerk aus einer Rottliste zum Einsturz des Hauses und den Kauf durch den Rentmeister von Schorlemer

Nach dem Einsturz des Hauses kaufte wahrscheinlich 1737 der Rentmeister Carolus Josephus von Schorlemer das Grundstück.
Carolus Josephus von Schorlemer wurde am 1. Mai 1715 in Iburg als Sohn des Rentmeisters Casparus Conrad von Schorlemer und seiner Ehefrau Christine Henrietta Schmidtmann geboren.
Casparus Conrad von Schorlemer, seit 1716 Rentmeister des Amtes Iburg, wurde beim Regierungswechsel am 6. April 1717 entbunden; am 3. September 1728 wurde er wieder angestellt und am 17. Januar 1730 erneut zum Rentmeister des Amtes Iburg ernannt. Sein Sohn Carolus Josephus von Schorlemer wurde ihm am 10. August 1737 zur Seite gestellt - seine Amtszeit endete durch Tod 1757.

Carolus Josephus von Schorlemer, wohnhaft im Haus "Beckerteichpforten-Rott Nr. 1", wollte durch den Kauf seinen Garten erweitern. 1732 nutzte von Schorlemer (ebenfalls) einen zum Schloss gehörigen Stall.
Das Haus "Beckerteichpforten-Rott Nr. 1" war zuvor eine Besitzung des Consuls Everardus Hermannus Pottenhöffer.

Nach Ansicht des Iburger Heimatforschers Gerd Vollbrecht kann daraus geschlossen werden, dass die hohe Stützmauer zwischen beiden Grundstücken noch nicht bestand. Dies bedeutet auch, dass der Garten von von Schorlemer seinerzeit ein starkes Gefälle entsprechend der Topographie aufwies.
Den zum Grundstück gehörenden Waldteil übertrug von Schorlemer auf ein anderes Iburger Haus.

Carolus Josephus von Schorlemer heiratete am 25. März 1738 im Osnabrücker Dom St. Petrus Francisca Elisabetha Heerde, Tochter des Osnabrücker Syndikus (Rechtsanwalt) Bernard Henrich Heerde und seiner Ehefrau Susanne Agnes Anna Ostmann von Leyen; zwischen 1741 und 1757 wurden in Iburg acht Kinder geboren.

Von Schorlemer verstarb am 7. Januar 1757 in Osnabrück und wurde im dortigen katholischen Augustinerinnenkloster Marienstätte (einstige Lage am heutigen Ledenhof) beerdigt.
Der am 20. Juni 1743 geborene Sohn Arnold Ludwig von Schorlemer war ebenfalls Amtsrentmeister in Iburg; drei seiner Töchter waren Nonnen.

Das Grundstück erbte die Witwe Francisca Elisabetha von Schorlemer - sie verstarb am 30. November 1790 in Iburg.

Wahrscheinlich um 1763 kaufte der Lehrer und spätere Küster Joannes Henricus Rudolphus Ruhstrat das Grundstück und erbaute dort ein kleines Haus; ggf. wurde zu diesem Zeitpunkt oder kurz zuvor auch die Stützmauer erbaut, damit das Grundstück von von Schorlemer anstatt eines Gefälles eine ebene Fläche bildete; der Sandstein der Stützmauer entstammte dem Iburger Dörenberg.
Joannes Henricus Rudolphus Ruhstrat war der am 25. Januar 1730 getaufte einzige Sohn der lutherischen Iburger Eheleute Joannes Henricus Ruhstrat und Maria Magdalena, geb. Jassing.
Joannes Rudolphus Ruhstrat war von 1765 bis zu seinem Tod 1807 evangelischer Lehrer und Küster der Schlosskirche in Iburg.
Am 11. November 1750 heiratete er die aus Bramsche stammende Anna Margaretha Eckelsmann - diese schenkte ihm zwei Kinder. Nach deren Tod heiratete er am 6. September 1763 die aus Iburg stammende Clara Elisabetha Farnau. Diese zweite Ehefrau schenkte ihm zwischen 1764 und 1777 fünf weitere Kinder. Clara Elisabetha verstarb am 20. Januar 1785 im Alter von 50 Jahren. Am 10. April 1787 heiratete Ruhstrat ein drittes Mal in Iburg - Joanna Conradina Niemann aus Osnabrück schenkte ihm ebenfalls fünf Kinder. Das letzte Kind Luisa Elisabeth wurde am 24. März 1797 in Iburg geboren. Damit hatte Ruhstrat insgesamt 12 Kinder!

Aufgrund der Vielzahl der eigenen Kinder erwarb Ruhstrat das gegenüberliegende Haus "Beckerteichpforten-Rott Nr. 24" (vormals Sutthoff) und bewohnte dieses.
Das Haus "Beckerteichpforten-Rott Nr. 36" wurde nunmehr als Schulraum genutzt - die Lehrer mussten zu dieser Zeit die Schulräume selbst zur Verfügung stellen.

Joannes Rudolphus Ruhstrat erhielt um 1800 folgende Einkünfte:
- 12 Fuder Holz,
- 12 Fuder Torf,
- 2 Malter Roggen (ca. 480 kg bzw. 0,48 Tonnen),
- 16 Schilling vom evangelischen Konsistorium
- 40 Taler aus dem Klöntrup'schen Legat (Vermächtnis des aus Glane stammenden Iburger Apothekers Johan Wilhelm Klöntrup),
- für Kinder, die lesen und schreiben konnten, 1 Taler,
- für Kinder, die nicht schreiben konnten, 30 Mariengroschen.
[Erläuterung: 1 Taler = 24 Mariengroschen = 24 Schilling = 288 Pfennig]

Am 15. Februar 1807 verstarb der Lehrer und Küster Ruhstrat und das Gebäude "Beckerteichpforten-Rott Nr. 36" wurde (wahrscheinlich) von den Kindern verkauft.
Zudem wurde das Haus nicht mehr als Schulraum genutzt, da sich der (neue) Schulraum im Gebäude der heutigen Nikolaus-Apotheke (Mühlenpforten-Rott Nr. 105) befand.

Neuer Besitzer wurde der Maurer Franciscus Wilhelmus Hotfilter, geboren am 25. Januar 1787 in Iburg, verheiratet mit der 1789 in Glane geborenen Maria Elisabeth Darenkamp genannt Peters. Das Ehepaar hatte 10 Kinder. Franciscus Wilhelmus verstarb an "Wassersucht" (Überschuss an Wasser in Gewebsspalten einschließlich der Körperhöhlen) am 17. April 1849 - seine Frau folgte im Januar 1863.

Der Sohn Joannes Wilhelmus wurde nunmehr als Bewohner des Hauses aufgeführt - zu diesem Zeitpunkt war er als Maurer tätig; in späteren Jahren war er Maurermeister.
Joannes Wilhelmus wurde am 31. August 1818 in Iburg geboren und heiratete dort am 7. März 1848 die aus Borgloh stammende Maria Catharina Tegeler, mit der er acht Kinder hatte. Die jüngste Tochter starb an "Halsbräune" (Diphtherie) mit vier Jahren, der jüngste Sohn starb nach einer Nottaufe an körperlicher "Schwäche" einen Tag nach der Geburt.
Maria Catharina starb am 26. November 1872 - Joannes Wilhelmus folgte am 17. August 1878.

Historische Aufnahme der Häuser 35 und 36
Historische Aufnahme der Häuser Nr. 35 (links) und Nr. 36 (rechts)

Der am 11. November 1854 geborene Sohn Franz Heinrich August Hotfilter wurde anschließend als Bewohner aufgeführt. Er heiratete am 3. November 1880 Maria Theresia Schröder; das Ehepaar hatte drei Mädchen. Nach dem frühen Tod seiner Frau heiratete er am 15. Januar 1884 Maria Gertrud Hügelmeier - diese bekam noch zwei Jungen. Franz Heinrich August Hotfilter wurde Schuhmacher und später war er als Schuhmachermeister tätig.

Rechnungsbuch 1886
Anschreibe- und Rechnungsbuch des Schuhmachers Franz Heinrich August Hotfilter aus dem Jahr 1886 -
wer nicht sofort zahlen konnte schrieb an, nach Zahlung wurde der offene Posten mit Bleistift durchgestrichen

Während dieser Zeit brannte der Dachstuhl des Hauses ab - zudem erkrankte seine zweite Frau Maria Gertrud Hotfilter an Krebs und starb daran am 17. Oktober 1908.

Gebäudeansicht um 1900   Entwurfszeichnung 1909   Gebäudeansicht 2017
Gebäudeansicht um 1900   Entwurf zum Um- und Aufbau des Wohnhauses Hotfilter
vom Maurermeister Heuer, Iburg, im Jahre 1909
  Gebäudeansicht 2017 -
das Haus war nach dem Umbau 1909 ca. 0,70 m höher

Nach dem Tod von Franz Heinrich August Hotfilter am 25. September 1908 erbte sein Sohn August Josef Hotfilter, genannt "Schuster Jupp", das Anwesen. Er wurde am 13. April 1886 in Iburg geboren und erlernte ebenfalls das Schuhmacherhandwerk. Er setzte nicht nur das Fachwerkhaus wieder vollständig instand, sondern erweiterte das Haus 1909 in Eichenfachwerk-Bauweise um ein Obergeschoss. Dazu wurde der Dachstuhl vollständig abgerissen und es erfolgter ein neuer Aufbau; die untere Etage wurde verputzt. Die Dachpfannen entstammten der Aschener Falzziegelfabrik GmbH (Dissen).
Zu dieser Zeit befand sich im Norden und Westen das Grundstück und das Haus des praktischen Arztes Dr. Josef Feldmann (Nr. 1), südlich anschließend befand sich das Anwesen von Joseph Heinrich Heuer (Nr. 35), auf der gegenüberliegenden Straßenseite befanden sich die Anwesen von Franz Niemeyer (Nr. 23, später Hotfilter), Wilhelm Gründler (Nr. 24) und Viehhändler Hermann Rinklake, dem späteren Bürgermeister von Iburg (Nr. 25).

Damit eine Treppe in das Obergeschoss gebaut werden konnte, wurde die große Dielentür an der rechten Vorderseite des Hauses aufgegeben und an diese Stelle eine Eingangstür eingebaut. Hinter den beiden Fenstern im Erdgeschoss befand sich die Schuhmacherwerkstatt, dahinter lag die Wohnküche. Die Stallungen im Erdgeschoss für Ziegen und Schweine blieben erhalten; der schmale Traufengang rund um das Gebäude bestand seit alters her. Im neuen Obergeschoss befanden sich die Schlafräume und die Lederkammer.

Gebäudeansicht 1915
Gebäudeansicht 1915 -
an der gepflasterten Straße stehen die drei Halbschwestern von August Josef Hotfilter

August Josef Hotfilter blieb ledig und verstarb am 28. August 1965. Das Grundstück mitsamt Gebäude vererbte er an Agnes Brinkmann, geborene Pax.

Agnes Brinkmann vermietete das Haus zum 1. Mai 1966 an die Eheleute Gertrud und Josef Stein, der als Drahtseiler bei der Firma Vornbäumen in Bad Iburg beschäftigt war; in dem Haus wuchsen deren Kinder Gerhard und Peter auf. Familie Stein war in der katholischen Kirchengemeinde sehr engagiert - die besondere Liebe von Josef Stein zur in der Nachbarschaft gelegenen Fleckenskirche St. Nikolaus drückte sich in der Pflege der Außenanlagen und im Küsterdienst aus sowie in seinem mehrjährigen Engagement im katholischen Kirchenvorstand.

Am 15. September 1970 verkaufte Agnes Brinkmann das Haus an die Eheleute Stein.
Diese führten mehrere Umbauten im Gebäude durch - so erweiterten sie den Kellerraum und ließen dort eine Betondecke einziehen, zudem bauten sie im Erdgeschoss ein Badezimmer sowie eine Gasheizung ein.

Gertrud Stein verstarb am 31. Januar 2000 - am 8. Februar 2010 verstarb Josef Stein.

Ihre beiden Söhne Gerhard (geboren 1956) und Peter (geboren 1958) erbten das Anwesen - da Gerhard ("Gerd") in Osnabrück und Peter in Weener ihren Lebensmittelpunkt hatten, verkauften diese im Juli 2010 das Gebäude samt Grundstück an den Verein für Orts- und Heimatkunde Bad Iburg e.V.; am 18. August 2010 begannen die Aufräumarbeiten, der Eintrag beim Grundbuchamt des Amtsgerichtes Bad Iburg erfolgte am 18. Oktober 2010. Die Anschrift des Hauses lautet: Rathausstraße 2.

Gebäudeansicht 2010   Gebäudeansicht 2011
Gebäudeansicht kurz vor Kauf durch den
Verein für Orts- und Heimatkunde Bad Iburg e.V.
im Jahre 2010
  Gebäudeansicht nach Fertigstellung 2011 -
am Erdgeschoss erstrahlt wieder das Eichenfachwerk
und das einstige große Tor ist in Ansätzen wieder
erkennbar

In den Folgemonaten wurden durch Eigenmittel, Spenden, Fördergeldern, ehrenamtliches Engagement von Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern sowie dem Einsatz Bad Iburger Firmen aus dem "Stein'schen Haus" das "Haus der Iburger Geschichte".
Dort befinden sich neben Besprechungs- und Vorträgsräumen im Archiv umfangreiche Archivalien zur Geschichte des ehemaligen Fleckens Iburg.

 

Für zahlreiche Hinweise danke ich Gerhard Vollbrecht sowie dem Verein für Orts- und Heimatkunde Bad Iburg e.V.!

 

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