Geowissenschaftler | Karl Andrée | Christian Dütting | Wilhelm Haack | Heinrich Hiltermann |
Friedrich Hoffmann | Gerhard Keller | Wilhelm Trenkner | Otto Weerth |
Karl Erich ANDRÉE wurde am 10.03.1880 als
viertes von sieben Kindern der Apothekerfamilie Georg Theodor
Erich Adolf Andrée und seiner Ehefrau Anna Henriette
(Henny) Margarethe Bömers, geb. Duntze, adopt. Bömers, in
Münder am Deister geboren.
Sein Vater Adolf Andrée (geb.: 01.11.1841 in Münder, gest.: 25.02.1917
in Hannover) betrieb ab 1868 die "Adler-Apotheke" (Benennung
seit 1908) an der Langen Straße 10 in Münder, die bereits seit
etwa 1838 von dessen Vater Johann Friedrich Jacob Andrée
(geb.: 16.07.1798 in Blankenburg (Harz), gest.: 08.12.1849 in
Münder) betrieben wurde, sowie eine Filiale in Lauenau (am
Deister). Die Münderaner Apotheke befand sich direkt am Zugang
zur evangelisch-lutherischen "Petri-Pauli-Kirche". 1887
übernahm er die Hildebrand'sche "Aegidien-Apotheke" am
Aegidientorplatz / Breite Straße 1 in Hannover. Dort wohnte auch
die Familie, die zudem Haus und Garten in Kirchrode besaßen. Die
Mutter von Karl Andrée, der durch Beschluss des Bremer Senats
die ausschließliche Führung des Familiennamens Bömers
gestattet wurde, wurde am 05.08.1851 in Bremen geboren (gest.: 20.10.1897
in Hannover); die Trauung fand am 29.04.1875 in Bremen statt.
Nach dem Tod von Henriette Bömers heiratete Adolf Andrée in
Hannover am 14.09.1901 Marie Thomsen aus Altona.
Adolf Andrée war Mitglied des Bürgervorsteher-Collegiums und
Senator im Magistrat zur Amtszeit von Bürgermeister Dr. jur.
Wilhelm Wermuth (1858 - 19.04.1894) - Adolf Andrée ist die
Nutzbarmachung der Schwefel- und Eisenquellen und die Gründung
der "Saline, Sol- und Schwefelbad-Aktiengesellschaft zu
Münder" zu verdanken. Ebenfalls machte er sich für die
Heranführung der Eisenbahnstrecke Hannover - Hameln an die Stadt
und die Benennung der Bahnstation nach Münder am Deister stark.
Auch erwarb er sich als Botaniker große Verdienste - er war u.a.
Vorstandsmitglied der Naturhistorischen Gesellschaft in Hannover,
Vorstand des Botanischen Gartens der Stadt Hannover (am Forsthaus
Pferdeturm) und Verfasser fachpolitischer und wissenschaftlicher
Abhandlungen.
Sein Bruder Hermann Ludwig Otto Andrée (geb.: 31.07.1884
in Münder, gest.: 01.07.1967 in Hamburg-Blankenese), Jurist, war
vom 12. August 1920 bis zum 11.08.1932 Bürgermeister der Stadt
Waren an der Müritz.
Weitere Geschwister waren: Mathilde Johanne (geb.: 12.02.1876),
Adolf Heinrich (geb.: 07.11.1877, gest.: 16.02.1886), Anna Emma (geb.:
11.01.1879), Ludwig Johannes (geb.: 15.05.1883) und Alma Betty (geb.:
15.01.1886).
Apotheke in Münder und rechts Brockhoff`s Hotel,
Lange Straße, um 1907 (Ausschnitt aus einer Postkarte des Verlages Rolf & Co., Hannover) |
Am 27.04.1880 wurde Karl in der evangelisch-lutherischen
Petri-Pauli-Kirche in Münder getauft. Der Kirchenbuchführer G.
Meyer trug am 28. April 1880 als Teufzeugen in das Kirchenbuch
auf Seite 183, Nr. 28, den Konsul Karl Bömers zu Bremen und Dr.
jur. Erich Hildebrand zu Braunschweig (dieser war zur Taufe
abwesend) ein.
Die Kaufmänner Karl Bömers und Heinrich Wilhelm
Bömers aus Bremen waren Trauzeugen der Eltern.
Nach Besuch des 1. Schuljahres siedelte die Familie 1887 aufgrund beruflicher Veränderungen des Vaters nach Hannover über. Dort wurde Karl am 01. April 1894 in der Ägidienkirche konfirmiert. Vor der Umsiedlung wurde Karl von dem Lehrer Karl Scheller aus Münder auf den Schulwechsel nach Hannover vorbereitet. Von 1887 bis Ostern 1898 besuchte ANDRÉE das dortige humanistische Gymnasium Lyceum I (später: Ratsgymnasium, Georgsplatz 16) und schloss mit dem Abitur ab.
Blick vom Hansahaus auf die Aegidien-Apotheke (mittig
links), Hannover (Fotograf und Jahr unbekannt) |
Blick auf die Aegidien-Apotheke (links) und in die
Georgstraße, Hannover (Postkarte, um 1900) |
Auch wohl aufgrund der Vorbildung seines Vaters,
der in Berlin Mineralogie und chemische Geologie studiert hatte,
belegte Karl zwei Semester Chemie an der Technischen Hochschule
Hannover.
Am 27.04.1899 wechselte ANDRÉE an die Philosophische Fakultät
der Georg-August-Universität Göttingen (Matrikel-Nr.: 71540).
Dort widmete er sich dem Studium vorwiegend der Mineralogie,
später mehr der Geologie, Paläontologie und Zoologie. Seine
"Studentenbude" befand sich in der Groner-Tor-Straße 1
westl. der Innenstadt und rd. 3 km südwestlich des geologischen
Institutes.
In Göttingen belegte Andrée Vorlesungen bei den Dozenten Geh. Reg. Rat Julius Baumann, Prof. Otto Bürger, Prof. August Cramer, Geh. Reg. Rat Ernst Ehlers, Geh. Bergrat Adolph von Koenen, Prof. Arthur Kötz, Geh. Bergrat Theodor Liebisch, Prof. Ludwig Rhumbler, Geh. Reg. Rat Eduard Riecke, Dr. Johannes Stark, Geh. Reg. Rat Hermann Wagner, Geh. Reg. Rat Otto Wallach und Dr. Ernst Zermelo.
In Göttingen war er auch Mitglied der dortigen
Turnerschaft Cheruscia.
Der ordentliche Professor der Geologie, Geheimer Bergrat Dr. phil.
Dr.-Ing. Adolf von Koenen (geb. 21.03.1837, gest. 03.05.1915),
war es dann, der ANDRÉE anregte, seine Dissertation über die
Geologie Iburgs zu schreiben. VON KOENEN war die geologische
Situation Iburgs bekannt gewesen, da er sich intensiv mit der
Gliederung der Unter-Kreide beschäftigte und dazu in den
Steinbrüchen am Dörenberg intensiv gesammelt hatte. In Andrée's
Inaugural-Dissertation "Der Teutoburger Wald bei Iburg"
ist dazu zu lesen: "Es erschien aber von Interesse, die
weitere Fortsetzung des Teutoburger Waldes nach Westen zu
untersuchen, sowohl auf ihre Lagerung hin, als auf ihre Fauna,
zumal da aus dieser Gegend schon vereinzelte Amonitiden bekannt
geworden waren. Ich unternahm es daher, die Gegend von Iburg, von
Hankenberge im Osten bis etwa nach Lienen (...) zum Gegenstand
einer genaueren Untersuchung zu machen; nicht zum mindesten
deshalb, weil der Sandstein hier in verschiedenen, einander mehr
oder minder parallel laufenden Zügen auftritt, ..." Für
seine geologischen Studien in Iburg durchstreifte ANDRÉE die
Umgebung nach Aufschlüssen. In diesen sammelte er selber, ließ
sammeln oder bediente sich vorhandener Sammlungen. So sammelte
ANDRÉE aus den Steinbrüchen Dörenberg, Hohnsberg, Hochholz und
Musenberg 118 verschiedene Arten, aus dem Tepe'schen Steinbruch
auf dem Hagenberg führte er 22 Arten auf. Im Sander'schen
Steinbruch am Ostende des Langenberges sammelte er acht
verschiedene Fossilien.
Lebenslauf aus der Promotionsakte der Universität
Göttingen (Phil. Fak., Dekanatsakte 190b): "Als Sohn des Apothekers Adolf Andrée und seiner Gattin Henny, geb. Duntze, adopt. Bömers, wurde ich, Karl Andrée, am 10. März 1880 zu Münder a.D. geboren." Der weitere Lebenslauf ist als Abdruck in der Promotionsveröffentlichung wiedergegeben. |
Einem Brief des Iburger Apothekers Julius
Schlotheuber an Karl Andrée, geschrieben zwischen Mitte Januar
1904 und dem 08.02.1904, ist zu entnehmen: "Von Koenen wird
hier ohne große Erdarbeiten keine wesentlichen Neuentdeckungen
machen.
Die Steinbruchsarbeiter halte ich kräftig zum Sammeln an. Bei
trockenem Wetter sollen sie mir die Versteinerungen zutragen; ich
schicke sie Ihnen dann umgehend nach Göttingen. Zuletzt war ich
mit dem Assessor Lamby und Referendar Scheekl vor Weihnachten in
dem Dörenberg's Steinbruch. Unter dem hohen Schnee konnten wir
die Versteinerungen nicht beweisen. Leider hatten die Arbeiter
sie nicht in die Schutzhütte gebracht."
Julius Schlotheuber (geb.: 02.11.1869 in Duingen,
gest.: 13.02.1936 in Iburg) hatte 1900 die "Hirsch-Apotheke"
in Iburg von seinem Vater Friedrich Wilhelm Schlotheuber,
gebürtig aus Duingen bei Alfeld, übernommen.
Friedrich Schlotheuber war in Münder bei Adolf Andrée in der
Ausbildung gewesen.
So erhielt Andrée aus einem Steinbruch am
Ostende des Hagenberges Fossilien von dem Fabrikanten Wilhelm
Vornbäumen, er nutzte die Sammlung Dr. Otto Kanzler aus Bad
Rothenfelde und dem Osnabrücker Museum, Analysen von
Schwefelwasser sowie Kalken des Cenoman lieferten Hermann
Wedekämper und Conrad Sander aus Iburg. In der Sammlung des
Geologisch-Paläontologischen Instituts der Georg-August-Universität
Göttingen befinden sich nach Auskunft von Dr. Hans Jahnke (1990,
ehem. Universität Göttingen) noch ca. drei Schubläden (Gö
Orig. Nr. 44) mit Material vom Steinbruch Dörenberg, das er für
seine Dissertation bearbeitet hatte. Auch ein Großteil weiterer
in der Dissertation beschriebener Fossilien befindet sich in den
paläontologischen Sammlungen in Göttingen (siehe: http://www.geo-iburg.de/fossillisten.html).
Die Fossiliensammlung von Julius Schlotheuber
befindet sich seit ca. 2000 in meinem Eigentum und steht für
wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung.
An Mineralien erwähnt er nur "Kalkspath" (Calcit, CaCO3) und "Schwefelkies in rundlichen Knollen" (Markasit-Knollen, FeS2) aus den Kalken der Ober-Kreide.
Während seiner Iburger Zeit wohnte ANDRÉE im Haus Schnüpke an der heutigen Osnabrücker Straße 8 - zu seinen Bekannten zählte die Iburger Apothekenfamilie Schlotheuber, der damalige Assessor Lamby, der Referendar Scheekl und der Arzt Dr. W. Kappelhoff.
Gartenansicht des späteren Hauses Schnüpke, ca.
1904 (links oben auf dem Balkon: Karl Andrée, Mitte: Apotheker Julius Schlotheuber, links unten: Frau Bohtz, Witwe des im Juni 1900 verstorbenen Rechtsanwaltes Wilhelm Bohtz) |
Am 27. Juli 1904 fand in der Aula der
Universität Göttingen die mündliche Doktorprüfung statt - die
Promotionsurkunde ist datiert auf den 22.09.1904.
Die Doktorarbeit "Der Teutoburger Wald bei Iburg" findet
bei Wissenschaftlern höchste Anerkennung (hier: Buchbesprechung
1904)!
Einen Großteil seiner Veröffentlichung nimmt,
begründet auf seinen Doktorvater Adolf von Koenen, die Unter-Kreide
ein. 26 Seiten der Dissertation - eingeschlossen drei Seiten, die
dem Wealdenbergbau gewidmet sind - befassen sich mit der Unter-Kreide.
Über den Gebirgsbau sowie über das Jura berichtet Andrée auf
drei Seiten, die Ober-Kreide ist mit sieben Seiten vertreten und
das Pleistozän mit einer Seite. Das zwei Seiten lange
Schlusswort befasst sich auch wieder überwiegend mit der Unter-Kreide.
Gewidmet ist die Dissertation seinem "lieben Vater".
Widmung vom Karl Andrée auf der veröffentlichten
Dissertation an Julius Schlotheuber: "Herrn Apotheker Jul[ius] Schlotheuber in Iburg mit besten Grüßen der Verf[asser]" |
Die Veröffentlichung "Der Teutoburger Wald bei Iburg" mit der Widmung kaufte ich Ende November 2003 in einem Oldenburger Antiquariat.
Nach der mündlichen Prüfung verlobte sich Karl
mit Helene (Lenchen) Rathkamp (geb.: 18.04.1884) in Göttingen.
Helene Rathkamp war die Tochter des Göttinger
Bauunternehmers und späteren Bausenators (seit 11.07.1912) Robert
Johann Karsten Heinrich Rathkamp (geb.: 27.12.1854) und seiner
Ehefrau Minna Julie, geb. Gebhard (geb.: 30.04.1856).
Verlobung von Helene Rathkamp und Karl Andrée, Göttingen am 27. Juli 1904 |
Vom 01. Oktober 1904 bis zum 30. September 1905 folgte ein freiwilliges Jahr beim Infanterie-Regiments Nr. 82, 11. Kompanie, in Göttingen. Er verließ die Kompanie mit der Befähigung zum Reserveoffizier; seine Körpergröße betrug 1,67 m.
Vom 01.01.1906 bis zum 30.09.1908 war ANDRÉE
planmäßiger Assistent bei dem deutschen Erzstättenforscher
Prof. Dr. Alfred Bergeat am Mineralogisch-Geologischen Institut
der Bergakademie Clausthal und hielt dort ab dem Wintersemester
1906/07 Vorlesungen. Seine Wohnung befand sich bis Mai 1906
direkt neben der Windmühle auf dem Bremerberg. Die spätere
Wohnung befand sich im "Haus Kramer", Am Markt 276, im
1. Obergeschoss.
Im gleichen Jahr (1906) erscheint sein Aufsatz "Geologischer
Führer durch den Osning" (39 Seiten) in Heinrich
Aschenbergs Buch "Führer durch den Osning." In der 2.
Auflage des Werkes im Jahre 1923 unter dem Titel "Der
Teutoburger Wald. Führer durch den Osning von Ibbenbüren bis
Bielefeld" erscheint eine vom Herausgeber gekürzte Fassung
nach der Darstellung der ersten Auflage - die Überschrift lautet
"Geologische Skizze des Osning" (4 Seiten).
Dort schwärmt Andrée von Iburg: "Der große
landschaftliche Reiz, welcher den Teutoburger Wald im allgemeinen,
besonders aber auch die bisher leider zu wenig bekannten
Bergketten des Osning, und vor allem die Gegend von Iburg,
auszeichnet, beruht zum großen Teile auf dem häufigen Wechsel
zwischen Laubwald und Nadelholz, (...). Alles dieses ist (...) in
hohem Grade abhängig von dem Bodenrelief und der
Bodenbeschaffenheit und diese wiederum von der geologischen
Beschaffenheit des Untergrundes, ...".
Am 26.05.1906 heiratete er Helene Rathkamp, die ihm zwischen 1907 und 1911 zwei Söhne und zwei Töchter schenkte: Konrad Adolf Robert Heinz (geb.: 27.04.1907 in Clausthal), Waltraud (Traute, geb.: 24.05.1908 in Clausthal), Marie Anna Margret (Marga, geb.: 20.10.1909 in Karlsruhe, verh.: Kelletat) und Wolfgang Hermann Ferdinand (geb.: 05.09.1911 in Marburg).
Apotheker Adolf Andrée (links) mit Sohn Karl (rechts)
und dessen Sohn Heinz (mittig), August 1910 |
Es folgten Assistentenjahre unter Prof. Dr.
Wilhelm Paulcke an der Technischen Hochschule Karlsruhe "Fridericiana"
(01.10.1908 - 31.03.1910); die Wohnung der Familie befindet sich
im 1. Obergeschoss in der Südendstraße 7 in Nähe des
Zoologischen Stadtgartens. Vom 01.04.1910 - 31.03.1915 war er
Privatdozent an der Universität Marburg (Lahn) bei Prof. Dr.
Emanuel Kayser; die Familie bewohnte das Haus Ritterstraße 16 (den
ehemaligen Forsthof), später zogen sie in eine Wohnung in der
Orleansstraße 11. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit
stellte er hier die Kayser'sche Schausammlung für Allgemeine und
Dynamische Geologie nach eigenen Gesichtspunkten neu auf. Vom 07.
bis 14. August 1913 nahm Andrée am 12. Internationalen
Geologenkongress (International Geological Congress (IGC)) -
neben zahlreichen weiteren bedeutenden deutschen Geologen - in
Toronto (Kanada) teil. Anschließend reiste er durch die USA.
Prof. Dr. Kayser war (in dieser Zeit) von 1910 bis
1920 der erste Vorsitzende der von ihm 1910 mitgegründeten
"Geologischen Vereinigung".
Am 25.04.1910 folgte seine Habilitation für
Geologie und Paläontologie an der Universität Marburg mit der
paläontologischen Arbeit "Zur Kenntnis der Crustaceen-Gattung
Arthropleura JORDAN und deren systematischer Stellung" -
seine Probevorlesung behandelte die "Diagenese der Sedimente,
ihre Beziehungen zur Sedimentbildung und Sedimentpetrographie",
seine Antrittsvorlesung erfolgte am 30.04.1910, in der er sich
mit Fragen der Ozeanographie und ihre Bedeutung für die Geologie
beschäftigte.
Arthropleura ist ein jungpaläozoischer,
äußerlich tausendfüßerähnlicher Riesen-Gliederfüßer.
Zu Beginn des 1. Weltkrieges war Karl Andrée als
Soldat in der Etappe (im Gebiet hinter der Front) eingesetzt.
Karl Andrée gehörte zu den Unterstützern der "Erklärung
der Hochschullehrer des Deutschen Reiches" - in dieser
Erklärung vom 16. Oktober 1914 betonten die unterzeichnenden
Wissenschaftler, dass sie der Wissenschaft dienen und "ein
Werk des Friedens" treiben.
Während der Weimarer Republik soll Andrée der "Deutschnationalen
Volkspartei (DNVP)" nahegestanden haben.
Im April 1915 wurde Andrée als etatmäßiger
außerordentlicher Professor für Geologie und Paläontologie an
die Albertus-Universität in Königsberg Pr. (heute: Kaliningrad,
Rußland) berufen.
An der Albertus-Univerität war Andrée anschließend
persönlicher ordentlicher Professor (ab 22.11.1920) und ab 09.11.1921
ordentlicher Professor.
Die heutige "Baltische Förderale Immanuel-Kant-Universität"
versteht sich zunehmend als Nachfolgeeinrichtung der Albertus-Universität.
Karl Andrée wohnte zu dieser Zeit mit seiner Familie im Haus Brahmstraße 19 (1. Obergeschoss rechts) in Königsberg.
Er wurde Direktor des Geologisch-Paläontologischen
Instituts und der Bernsteinsammlung der Albertina. Hier bemühte
er sich um die Erweiterung und Vervollständigung der Sammlung
sowie um eine vorteilhafte Aufstellung derselben.
Die Bernsteinsammlung war die vollständigste und
mit 120.000 Stücken die größte der Welt. Den Hauptteil der
Sammlung machten die Bestände der bernsteinfördernden Firma
Stantien & Becker aus - deren wissenschaftlicher Berater Dr.
Richard Klebs erwarb 1899 die Sammlung und verkaufte diese 1926,
zusammen mit im Jahre 1906 erworbenen Beständen der Physikalisch-ökonomischen
Gesellschaft zu Königsberg sowie verschiedenen Privatsammlungen,
an die Universität Königsberg.
Im November 1944 ließ Andrée die wertvollsten Stücke in zwei
Kofferkisten (75 x 45 x 30 cm), die mit einem Schloss und der
Aufschrift "Bernstein-Sammlung" versehen wurden,
verpacken und von dem Materialverwalter Oumard des
Paläontologischen Instituts an die Georg-August-Universität
nach Göttingen bringen. Mit anderen Kunstschätzen, Büchern und
Sammlungsmaterial der Albertina wurde der Bernstein am 07.11.1944
in das Kaliwerk Wittekind-Hildasglück in Volpriehausen (Stadtteil
von Uslar am Solling) gebracht. Dort wurden sie von dem
Obersteiger Marahrens auf der 660 m-Sohle unter Bruchgestein
eingelagert; es folgten in November oder Dezember weitere
Holzkisten per Bahn - diese wurden überwiegend auf der 540 m-Sohle
eingelagert.
Die zwei zuerst eingelagerten Kisten wurden im Juli 1945 von
Obersteiger Marahrens der 2nd Battalion des Royal Scots Fusiliers
übergeben.
Am 29. September 1945 um 1.41 Uhr ereignete sich eine starke
Untertage-Explosion, ausgehend von den ebenfalls eingelagerten
großen Mengen Munition, wobei viele der später eingelagerten
Bernstein-Stücke beschädigt bzw. vernichtet wurden. Eine
Nachbergung fand von August bis Oktober 1946 statt. Die
Bernsteinfunde wurden von der Britischen Militärregierung
beschlagnahmt. Nach Einlagerung im Zonalen Archivlager im
Kaiserhaus Goslar gelangten die Bernsteine im März 1949 in das
Zonale Kunstgutlager Schloss Celle. Zuvor sichtete Andrée am 01.
März 1949 den Bernstein in Goslar, verpackte ihn sachgemäß und
überwachte die Überführung nach Celle. Am 24. Juli 1958
gelangte die Sammlung nach Auflösung des Kunstgutlagers an das
Geologisch-Paläontologische Institut der Universität Göttingen,
die die Sammlung treuhänderisch für die "Stiftung
Preußischer Kulturbesitz" verwaltet. In
einem Schreiben vom 8. Februar 1958 bestätigt Andrée diese
Einlagerung: Im Jahre 1944 wurde (in etwa 10 größeren
schweren und 2 kleineren Kisten) ein größeres wertvolles
Material aus den geologisch-paläontologischen Sammlungen (...)
in den Schacht nach Volpriehausen verbracht.
Vom 17. Januar bis zum 31. März 2003 präsentierte das
Geowissenschaftliche Zentrum Göttingen die Sonderausstellung
"Die Geschichte der Königsberger Bernsteinsammlung in
Göttingen" im Rahmen der Gesamtausstellung "Bernstein
und seine Einschlüsse. Neue Einblicke in die Vergangenheit der
Erde".
Die Teile der Sammlung, die in Königsberg
verblieben waren, verbrannten bei der Zerstörung des
Institutsgebäudes.
Heute umfasst die ehem. Königsberger Bernstein-Sammlung
in Göttingen 2.450 Rohbernsteine, 1.131 bearbeitete Stücke und
ca. 12.000 Inklusen.
Im Juni 2017 erhielt die Sammlung weitere 383
Stücke zurück, die 1934 von dem Entomologen Charles Thomas
Brues des Museums of Comporative Zoology der Harvard University,
Cambridge (Massachusetts), USA, ausgeliehen wurden und nach dem 2.
Weltkrieg aufgrund fehlender Leihpapiere in den USA verblieben.
In Personalunion damit übernahm Andrée auch die Direktion der
geophysikalischen Warte mit der Hauptsation für
Erdbebenforschung im Forst Fritzen nordöstlich von Groß Raum (heute:
Rjabinowka, 12 km nördlich von Königsberg) im Samland. Im
Sommersemester 1927 und im Wintersemester 1927/28 wurde er zum
Dekan der Philosophischen Fakultät und im Sommersemester 1930
zum Rektor der Universität bestellt (Rücktritt: 24.11.1930).
Der Rücktritt erfolgte aufgrund eines Streites um
eine Kranzniederlegung der rechtsgerichteten Studentenschaft
anlässlich einer Langemarck-Feier am 21.11.1930, bei der eine
schwarz-weiß-rote Schlaufe am Kranz für die Langemarck-Gefallenen
entfernt werden sollte. Nachdem der gewaltsame, von
pronationalsozialistischen Professoren unterstützte Protest der
Studenten nicht einmal durch einen Polizeieinsatz eingedämmt
werden konnte, trat Karl Andrée als Rektor zurück (Christian
WEBER 1979).
Geologisch-Paläontologisches Institut mit der
Bernsteinsammlung, Lange Reihe 4, Königsberg (Aufnahme: um 1910, aus dem Rundbrief der Albertus-Universität, Weihnachten 1957) Das "Eichendorff-Haus" war u.a. von 1824 bis 1831 Wohnhaus des Dichters Joseph von Eichendorff. |
Nachdem am 02.07.1929 seine Frau Helene mit 45
Jahren nach 23jähriger Ehe starb, heiratete ANDRÉE am 04.03.1931
Käthe Sobolewski (geb.: 13.08.1899), die ihm die Tochter Dore (geb.:
21.11.1933 in Königsberg) schenkte.
Seine Frau, Tochter des Sanitätsrates Dr. med.
Ernst Sobolewski und seiner Ehefrau Marie, geb. Holtzheimer, aus
Königsberg, trat literarisch hervor und veröffentlichte
Gedichte u.a. in der Zeitung "Das Ostpreußenblatt".
Käthe und Karl Andrée, Göttingen, 1950 |
Von Königsberg aus führten seine wissenschaftlichen Exkursionen in seine geologische Heimat, dem Teutoburger Wald und dem Münsterschen Becken. Weitere Reisen führten u.a. in die USA, die Schweiz, nach Litauen, Estland, Lettland, Finnland, Dänemark, Schweden, Kanada, Italien (u.a. Vesuv und Phlegräische Felder), Österreich und zum Senckenberg-Institut nach Wilhelmshaven.
Karl Andrée bei einer Pause anlässlich einer
Wanderung in Zobten am Berge (Schlesien, heute: Sobótka), 1932 |
Karl Andrée im Kalksteinbruch Rüdersdorf (Muschelkalk) östlich von Berlin, 1941 |
Am 27. Januar 1942 wurde ihm das goldene
Treudienst-Ehrenzeichen für 40jährige treue Dienste verliehen.
Im gleichen Jahr (29.03.1942) verstarb sein zweiter Sohn Wolfgang
als Oberarzt in Rußland.
Andrée war Mitglied mehrerer Gesellschaften:
1915 trat er in die "Physikalisch-Ökonomische Gesellschaft"
ein, in deren Sitzungen er auch mehrere Vorträge, u.a. über
Vulkane und ostpreußische Heimatgeologie, hielt. Er war Mitglied
der "Deutschen Geologischen Gesellschaft" (seit 1902),
seit 1910 Mitglied der "Geologischen Vereinigung", seit
1912 Mitglied der "Paläontologischen Gesellschaft", am
19.09.1922 Gründungsmitglied und späteres Mitglied der "Deutschen
Seismologischen Gesellschaft" (seit 24.09.1924: "Deutsche
Geophysikalische Gesellschaft" (DGG)), korrespondierendes
Mitglied der "Estländischen Literarischen Gesellschaft"
(ab 1931), Ehrenmitglied der Altertumsgesellschaft "Prussia"
(ab 1933) und Mitglied der "Gesellschaft der Freunde Kants".
Zum 100jährigen Bestehen der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft, gegründet im Jahre 1922 während der Jahresversammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte, erschien 2019 das Buch "Wiechert, Mintrop & Co. Die 24 Gründungsväter der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft" (Franz Jacobs & Michael Börngen) - darin finden sich auch zahlreiche Informationen über Karl Erich Andrée (S. 18 - 21).
Karl Andrée, Königsberg, 1944 | Karl Andrée, Göttingen, 1946 |
Im Januar 1945 floh ANDRÉE mit seiner Familie aus Ostpreußen und fand erstmals Unterkunft bei seinem Sohn Heinz in Oberg (heutiger Ortsteil von Ilsede) bei Peine.
Ab März 1945 fanden die Eheleute Andrée mit ihrer Tochter Dore eine Wohnung "Am Groner Tor 1" westl. der Göttinger Innenstadt, später bewohnten sie im 1. Obergeschoss rechts eine Wohnung in der Kantstraße 15.
1946 wurde er als Lehrbeauftragter von der Georg-August-Universität
Göttingen, der Paten-Universität für die Königsberger
Albertus-Universität, übernommen; von 1951 bis 1958 lehrte
Andrée dann noch als ordentlicher Professor.
In Göttingen blieb er auch seiner wissenschaftlichen Zeit in
Königsberg treu: er war aktiv im "Freundeskreis
ostpreußischer Studierender an der Universität Göttingen"
(gegr. 1952) und später deren Vorsitzender, auch war er 1.
Vorsitzender der "Gemeinnützigen Gesellschaft Albertinum"
(gegr. 1958). Außerdem gab er für die Angehörigen der
Albertina den "Rundbrief" heraus.
Am 12. Oktober 1948 wurden seine Verdienste anlässlich der 100-Jahr-Feier der Deutschen Geologischen Gesellschaft durch die Verleihung der Hans-Stille-Medaille für seine besonderen Verdienste in der Geologie gewürdigt.
Im Jahre 1950/51 war Andrée "Bohnenkönig"
der "Gesellschaft der Freunde Kants".
Andrée fand während des "Bohnenmahls"
1950 in seinem Dessert eine Silberbohne und wurde damit als
"Bohnenkönig" zum nächsten Festredner gekürt: am 22.
April 1951 spach er über Kants geologische Anschauungen.
Zur 50. Wiederkehr des Promotionsdatums erneuerte am 22. September 1954 die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät aus diesem Anlass "dem vielseitigen Forscher und akademischen Lehrer, der mit Hingebung und Verantwortungsbewußtsein der geologischen Wissenschaft und der Universität Königsberg gedient hat" das Diplom.
Andrée war maßgebend beteiligt an der Schaffung
des "Albertinums", dem Göttinger Wohnheim für
ostpreußische Studenten: er war Vorsitzender der hierzu
gebildeten "Gemeinnützigen Gesellschaft Albertinum".
Er durfte noch erleben, dass ein Grundstück für dieses Haus aus
dem Bundeseigentum gewährt wurde - nicht mehr erlebt hat er die
Grundsteinlegung.
Nach kurzer, schwerer Krankheit verstarb Prof. Dr.
Karl ANDRÉE am 18. August 1959 im Alter von 79 Jahren; seine
letzte Ruhestätte fand er auf dem Göttinger Stadtfriedhof an
der Kasseler Landstraße östlich des Teiches.
Seine zweite Ehefrau Käthe verstarb 1968 in Göttingen; die
gemeinsame Tochter Dore Kleindienst-Andrée verstarb 2010.
Todesanzeige in "Das Ostpreußenblatt".
Organ der Landsmannschaft Ostpeußen. Jahrgang 10, Folge 36, Hamburg, 5. September 1959 |
Die Beerdigung fand am 21. August 1959 unter großer Anteilnahme statt.
Andrée hinterließ über 125 wissenschaftliche Arbeiten, darunter 12 Bücher. Er war Herausgeber der "Geologischen Charakterbilder" (seit 1910, anfangs zusammen mit Prof. Dr. Hans Stille), der "Bernsteinforschungen" (1929 - 1939) und Mitherausgeber der "Regionalen Geologie der Erde" (ab 1938). Sein besonderes Interesse galt der Sedimentpetrographie, der Meeresgeologie, der Gebirgsbildung, der Geologie Ostpreußens und dem Fragenkomplex um den Bernstein.
Im Nachruf der Georg-August-Universität vom 05.
September 1959 ist zu lesen: "Karl Andrée war ein ungemein
vielseitiger Forscher: es gibt kaum ein Gebiet der Geologie, aus
dem nicht eigene Untersuchungen von ihm vorliegen." Und
weiter: "Die Georg Augusta gedenkt dankbar der Verdienste,
die sich der Heimgegangene als akademischer Lehrer und Forscher
erworben hat."
Im Nachruf "Karl Andrée zum Gedenken" schreibt der
Geologe Erich von Prosch: "Mit ihm verließ uns ein
Gelehrter im guten alten Sinne dieses Wortes, der sowohl in
seiner wissenschaftlichen Tätigkeit ungemein vielseitig als auch
im persönlich-menschlichen Bereich allgemein beliebt und
geachtet war."
Grabstein auf dem Göttinger Stadtfriedhof (Aufnahme: Karin Wilkens, 2014) |
Quellennachweis:
Grebing, Horst: Karl Andrée - Wegbereiter der Iburger Geologie.
In: Heimat-Jahrbuch "Osnabrücker Land 1995".
Osnabrück 1994.
Grebing, Horst: Karl Andrée - ein Münderaner Sohn. In: Der
Söltjer. Bad Münder 1996.
Kleindienst-Andrée, Dore: Daten zum Leben von Karl Erich Andrée
(1880 - 1959). Zusammengestellt zum Familientreffen seiner
Nachkommen anlässlich seines 100. Geburtstages - Göttingen, am
1. und 2. März 1980.
v. Prosch, Erich: Karl Andrée zum Gedenken. In: Z. deutsch. geol.
Ges., Jahrgang 1964, Band 116, Hannover, Dezember 1966. (Mit
umfangreichen Veröffentlichungsverzeichnis!)
Für weitergehende Hinweise danke ich ganz herzlich der Verwandtschaft von Karl Andrée: Neffe Helmut
Brenske (geb.: 17.10.1917), Enkel Prof. Dr. Dieter Kelletat (geb.:
29.01.1941) und Tochter Dore Kleindienst-Andrée ()!
Weiterführende Literatur:
Jacobs, Franz & Börngen, Michael: Wiechert, Mintrop
& Co. Die 24 Gründungsväter der Deutschen Geophysikalischen
Gesellschaft. 1. Auflage, S. 18 - 21, Leipzig 2019 (EAGLE 107).
Karl Andrée war am 19.09.1922 Gründungsmitglied und
späteres Mitglied der "Deutschen Seismologischen
Gesellschaft" (seit 24.09.1924: "Deutsche
Geophysikalische Gesellschaft" (DGG)) - anlässlich des 100jährigen Jubiläums der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft gedenkt die Vereinigung ihrer 24 Gründungsväter, darunter Karl Andrée: https://dgg-online.de/WordPress_01/wp-content/uploads/2021/11/Vol.-02_Karl-Andree_2021-11-10_deutsch.pdf |
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