Zeitreise(n) durch Bad Iburg

Der "Gografenhof"
Einstiger Wohnsitz eines Gografen und Friedensrichters sowie eines Fabrikanten, heute Rathaus

Die "Kleine Masch", ein außerhalb des Fleckens befindliches Gelände östlich des Kolbaches und beidseitig der nordnordöstlich verlaufenden Osnabrücker Straße, war einst Klostergrund; dort siedelten sich später einige Neubauern an.

"Carte von der Feldmark des zum Fürstlich Osnabrückschen Amte Iburg gehörigen Fleckens Iburg" (NLA OS K 100 Nr. 1 H V Bl. 6)

"Carte von der Feldmark des zum Fürstlich Osnabrückschen Amte Iburg gehörigen Fleckens Iburg" (NLA OS K 100 Nr. 1 H V Bl. 6),
Farbige Zeichnung auf Karton von Johann Wilhelm Du Plat, vermessen im Sommer 1788.
Die Karte ist nach Süden ausgerichtet - rot umkreist die Lage des späteren "Gografenhofes".

Um das Jahr 1792 erwarb der Iburger Gograf (Richter) Dr. jur. Franz Carl Kramer, der den Vorsitz des Iburger Gogerichts führte, an der "Kleinen Masch" vom Kloster Iburg ein ca. 10.000 m2 großes Grundstück.

Franciscus Carolus ("Franz Carl") Kramer, ältester Sohn von Franz Theobald Kramer, wurde am 8. Oktober 1749 in Osnabrück geboren. Sein Vater war mit dem Kurfürsten Clemens August I. (geb.: 16.06.1700, gest.: 06.02.1761), der von 1728 bis 1761 im Fürstbistum Osnabrück residierte, nach Osnabrück gekommen und dort zum Geheimen und Kammerregistrator (bis 1772) sowie Schloßverwalter (um 1747) aufgestiegen.

Am 7. April 1769 wurde Franz Carl Kramer an der Georg-August-Universität in Göttingen immatrikuliert - im April 1772 erschien seine juristische Inaugural-Dissertation "De iure principis circa molas praesertim in terris episcopatus osnabrugensis".

Dissertation von Franz Carl Kramer
Dissertation von Franz Carl Kramer

Im gleichen Jahr ließ er sich in Osnabrück als Advokat (Rechtsanwalt) nieder.
Ebenfalls 1772 erlangte er die Anwartschaft auf die Gografenstelle in Iburg; die Gografenstelle wurde ihm am 18. Januar 1780 übertragen. In der königlichen Ernennungsurkunde, im Niedersächsischen Landesarchiv in Osnabrück abgelegt in der Akte "Dienstverhältnisse und Einnahmen verschiedener Gografen" (NLA OS Rep 100 Abschnitt 282 Nr. 3), ist zu lesen: "(...) weil Ew. [Ehrwürdige] Königliche Majestät bereits unter dem 16ten Juni 1772 demselben die Allergnädigste Versicherung zu ertheilen geruhet habe, daß bey fernerem Wohlverhalten (...) auf ihn vor anderen reflectieret werden solle. Dieses Wohlverhalten des Suplicanten [Bittsteller] überhaupt und besonders dessen Fleiß in der Advocatur und dem Urtheilsverfaßen bei dem Officialat und den Untergerichten wird überall bezeuget (...)".

Wahrscheinlich wohnte Franz Carl Kramer zunächst im Schloss Iburg - dort befanden sich auch im südlichen Teil des Zwischenflügels die Diensträume des Gografen.
Das Gogericht Iburg war zuständig für die Kirschspiele Borgloh, Dissen, Glandorf, Glane, Hagen a.T.W., Hilter, Laer und Oesede sowie den Flecken Iburg.

Am 23. Oktober 1782 heiratete Franz Carl Kramer im Osnabrücker Dom "St. Petrus" die am 2. August 1758 in Wellingholzhausen geborene Maria Sophia Gertrud Schröder;
Maria Sophia Gertrud Schröder war die Tochter des Großkaufmanns Schröder aus Wellingholzhausen.
Das Ehepaar hatte zwölf Kinder, die alle in Iburg geboren wurden:
- Joannes Henricus, getauft am 17. Juli 1783,
- Maria Agnes, getauft am 8. Oktober 1784,

Maria Agnes heiratete am 4. September 1819 den Iburger Bürgermeister und Königlich Hannoverschen Vogt zu Glane, Hagen und Oesede Heinrich Reinert. Sie verstarb kinderlos am 24. Dezember 1864 an einem Herzschlag.

- Sophia Elisabeta, getauft am 18. Dezember 1785,

Sophia Elisabeta heiratete am 30. November 1816 den Königlich Hannoverschen Vogt zu Glandorf Theodor Joseph Oesterling; das Ehepaar hatte zwei Kinder.
Sophia Elisabeta verstarb am 1. Januar 1862 an Altersschwäche.

- Franciscus Henricus, geboren am 21. April 1787,
- Franciscus Christopherus, geboren am 10. Oktober 1788,
- Ferdinandus, geboren am 12. Juli 1790,
- Georgius Antonius, geboren am 1. Oktober 1791,

Georgius Antonius war Lieutenant und später Agent - er heiratete am 8. Oktober 1827 in Iburg Maria Anna Stühle, mit der er vier Kinder hatte.
Georgius Antonius verstarb am 23. August 1842 in Vechta an "Schlagfluss" (Schlaganfall).

Der Sohn von Georgius Antonius und Maria Anna Kramer, Julius Heinrich Christopher Kramer, geboren am 5. November 1831, war seit dem 11. Mai 1869 mit der in Meppen geborenen Tochter eines Obergerichtsrates, Charlotte Frye, verheiratet - das Paar hatte ebenfalls vier Kinder.
Im Jahr 1906 beging der Geheime Justizrat Julius Kramer sein 50jähriges Dienstjubiläum - er blieb bis zu seinem 82. Lebensjahr im Jahr 1913 im Amt - eine Pensionsgrenze gab es damals noch nicht. Damit soll er der älteste amtierende Richter im Königreich Preußen gewesen sein.
Julius Heinrich Christopher Kramer verstarb am 29. August 1914 an Altersschwäche.

- Wilhelmus, geboren am 10. August 1793,
- Anna Dorothea, geboren am 11. Mai 1795,

Anna Dorothea heiratete am 3. Juli 1815 den in Warendorf geborenen Johan Heinrich Anton Schmitz.

- Maria Anna, geboren am 28. März 1797,

Maria Anna heiratete am 2. August 1826 den in Essen/Ruhr geborenen Hermann Anton Wilhelm Joseph Mittweg, Rechtsanwalt in Assmannshausen (heute: Rüdesheim am Rhein).

- Joannes Christophorus Carolus, geboren am 6. November 1799,
- Luisa Sophia Agnes, geboren am 6. November 1801.

Luisa Sophia Agnes heiratete am 23. September 1823 den in Otmarsum geborenen Friedrich Tythoff.

Der Gografenhof wurde um 1792 im klassizistischen Baustil in 1½ geschossiger Bauweise errichtet.
Im Norden des Gebäudes befand sich die Wagenremise, in der einst die Kutsche untergestellt war. Der Eingangsbereich des Hauptgebäudes war mit schwarzen und weißen Marmorplatten belegt. Türen nach links und rechts führten in die Wohnräume: links befanden sich an der Frontseite die Kinderzimmer, im Übrigen Wirtschaftsräume und ein innerer Zugang zur Wagenremise; auf der rechten Seite befanden sich repräsentative Räume sowie, nach Osten hin, Küche und Esszimmer. Das breite Treppenhaus mit dem klassizistischen, geschnitzten Holzgeländer führte in einen großen Saal.
Das Gebäude umgab zur Straßenseite eine Bruchsteinmauer aus Sandstein.

Treppenhaus mit schwarzen und weißen Marmorplatten
Treppenhaus mit schwarzen und weißen Marmorplatten
sowie dem klassizistischem Geländer
Foto: Albert Grebing
(†)

 

Große Ähnlichkeiten des Fußbodenbelages bestehen mit dem einstigen Fußbodenbelag des Iburger Rittersaals.

Um 1950 wurde der Steinfußboden des Iburger Rittersaals durch einen Holzfußboden ersetzt - dieser bestand aus "(...) schwarz und weißen rautenförmigen Flohrsteinen".
Bereits 1765 listete der Landbaumeister Franz Schaedler Baumängel auf: darunter auch "(...) die getäfelten Steine des Fußbodens (...)" - 1782 wurde der Saalboden repariert, dabei wurden schadhafte Steinplatten entfernt, die anderen zusammengerückt. Und auch 1828 wurden wahrscheinlich im Rahmen des Säulenaufbaus zur Stützung der Holzbalkendecke Teile des Fußbodenbelages entfernt.

Die schwarzen Platten kamen aus einem Steinbruch in Neuenkirchen bei Melle und die weißen Platten aus einem Steinbruch in der Natberger Egge bei Lüstringen (beides Oberer Muschelkalk).

Im "Verzeichnis der Hausnamen in der Iburger Pfarrey vom Jahre 1667 bis 1805", in welchem auch die "eingepfarrten Wohnungen, welche nicht zur Bürgerey gehören" aufgeführt sind, wurde der Gografenhof im Jahre 1805 wie folgt erwähnt: "Herr Gograf Franz Carl Kramer vor Iburg am osnabrückischen Wege".
Im Flecken Iburg gab es 1808 158 Wohnungen mit 955 Einwohnern.

Zum 1. Januar 1808 wurden die Gogerichte in Friedensgerichte nach französischem Vorbild umgewandelt und Franz Carl Kramer wurde vom Gografen zum Friedensrichter.
Für die Rechtsprechung in Zivilsachen war nach dem 11. Titel, Artikel 47, der "Constitution vom 15. November 1807" des Königreichs Westphalen auf der Ebene des Kantons ein Friedensgericht als Schlichtungsinstanz zuständig; zum Kanton Iburg gehörten die Kirchdörfer Glane, Hagen und Oesede sowie der Flecken Iburg.

Franz Carl Kramer verstarb am 25. September 1812 in Vechta - er wurde am 27. September 1812 in Iburg beerdigt.

Ein Jahr später, im November 1813, wurde aus dem Gogericht Iburg das Amt Iburg und die Trennung von Justiz und Verwaltung aufgehoben.
Dem Amt Iburg gehörten die Kirschspiele Borgloh, Dissen, Glandorf, Glane, Hagen a.T.W., Hilter, Laer und Oesede sowie der Flecken Iburg an.

Maria Sophia Gertrud Kramer (geb.: 1758) starb am 20. Februar 1835 in Iburg an Altersschwäche und wurde dort drei Tage später beerdigt.

Der jüngste Sohn, Joannes Christophorus Carolus (Johann Christoph Carl, geb.: 1799), wurde nach dem Tod des Vaters Besitzer des Gografenhofes; er war Agent und Auctionator.

Johann Christoph Carl (geb.: 1799) heiratete am 8. Oktober 1839 in Iburg Philippine Stühle, Tochter des Oberamtmannes Franz Wienholt Stühle aus Melle.
Das Ehepaar hatte vier Kinder, die allesamt in Iburg geboren wurden:
- Georg Anton Franz, geboren am 4. August 1840,
- Franz Theodor, geboren am 7. Juni 1843,
- Maria Agnes, geboren am 5. Juni 1845,

Maria Agnes heiratete am 29. September 1867 den in Paderborn am 20. März 1836 geborenen Carl August Nagel, der bei der Hochzeit Gymnasiallehrer in Schneidemühl (Posen, heute: Pila, Polen) war.

- Louise Sophia Elise, geboren am 17. August 1849.

Johann Christoph Carl verstarb am 5. November 1873 an Altersschwäche und wurde drei Tage später in Iburg beerdigt.

Diebstahl eines Gehstockes aus dem Gografenhof im Februar 1864
Diebstahl eines Gehstockes aus dem Gografenhof im Februar 1864
Die Bezeichnung Kronanwaltschaft war der Amtstitel für die Staatsanwaltschaft.

Der jüngste Sohn, Franz Theodor (geb.: 1843), wurde Erbe - Franz Theodor war später Rentmeister.
Er heiratete am 11. November 1876 in Remsede Josephine Clara Maria Hartmann, geboren am 11. November 1850 in Hilter. Josephine Clara Maria Hartmann war die Tochter des Hilteraner Gutsbesitzers Ludwig Wilhelm Hartmann und seiner Ehefrau Antonette Juliane Clara, geborene Terheyden.
Das Ehepaar hatte ein Kind:
- Josepha Lina Elisabeth, geboren am 24. Juni 1886.

Im Jahre 1889 verkaufte Franz Theodor Kramer ca. 2.000 m2 des Grundbesitzes an den Rechtsanwalt und Notar Georg Hartung (heute: Haus Schnüpke, Osnabrücker Straße 8) und an Haverkamp (heute: Osnabrücker Straße 10).
Die am 21. November 1828 in Iburg geborene Anna Maria Gerdtrud Haverkamp war seit dem 11. November 1852 mit dem am 14. Juli 1823 in Iburg geborenen Schlachter Joannes Adolphus Vornbäumen verheiratet.

Am 29. August 1906 verstarb Franz Theodor Kramer.

Seine Witwe und Alleinerbin Josephine Clara Maria Kramer (geb.: 11. November 1850) verkaufte den gesamten restlichen Besitz von damals noch 8.002 m2 durch notariellen Vertrag des Notars Gustav Oppen vom 14. Februar 1915 für 25.000,- Mark an den Fabrikanten und Bürgermeister Johannes Vornbäumen.
Johannes Vornbäumen, geboren am 8. August 1855, war vom 8. Februar 1908 bis zum 7. Dezember 1919 Bürgermeister des Fleckens Iburg. Er bewohnte das um 1890 erbaute Haus "Bielefelder Straße 175" (heute: Bielefelder Straße 3). Er war seit dem 21. Oktober 1884 mit Maria Theresia Bruns verheiratet - das Ehepaar hatte fünf Kinder. Johannes Vornbäumen verstarb am 12. Oktober 1921.

Mit Vertrag vom 9. Dezember 1915 übergab Johannes Vornbäumen den Gografenhof an seinen Sohn, den im Felde stehenden Leutnant der Reserve August Vornbäumen, geboren am 31. März 1887 in Iburg. Dieser bezog das Haus im Jahre 1916 - im oberen Teil des Hauses blieb die einstige Erbin und Hausverkäuferin Josephine Clara Maria Kramer bis zu ihrem Tode am 19. Mai 1932 wohnen.

August Vornbäumen heiratete am 1. September 1920 die am 1. Juli 1894 in Herne geborene Margareta ("Grete") Hedwig Gessmann.
Grete Gessmann war die Tochter von Eduard und Maria Gessmann, geborene Ecke. Eduard Gessmann war Industrieller in Herne und Gründer wichtiger Werke für den Bergbau. So war er Weiterentwickler und Hersteller der patentierten Drahtseile für Förderkörbe sowie Gründer der Herner Drahtseilfabrik und im Jahre 1897 der Herner Herdfabrik, die in großen Stückzahlen Kohleherde, kombinierte Kohle- und Gasherde, Gasherde, Gaskocher, Zentralheizungsherde und Topfbänke herstellten.

Gografenhof um 1916
Gografenhof um 1916

Das Ehepaar Vornbäumen hatte drei Kinder:
- Günter, geboren am 21. März 1922,
- Rosemarie, geboren am 28. März 1924,
Rosemarie heiratete am 26. November 1946 in Iburg den Zahnarzt Dr. med. dent. Wolf Wiemer; aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor.
- Ursula, geboren am 8. April 1936.
Ursula ("Ursel") heiratete am 20. Februar 1958 in München den Internisten Dr. med. Werner Hönig; aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor.

August Vornbäumen wurde nach dem Tod seines Vater am 12. Oktober 1921 zum Geschäftsführer des "Drahtseilwerkes J. & W. Vornbäumen GmbH" ernannt - "Zweck der Gesellschaft ist die Herstellung von Drahtseilen, Drahtzieherei und Verzinkerei sowie die Beteiligung an ähnlichen Unternehmen." Sein Vater Johannes hatte 1889 die Seilerei zusammen mit seinem Bruder Wilhelm Vornbäumen (geb.: 13.08.1861, gest.: 20.08.1925) gegründet.
1930 trat der jüngere Bruder von August Vornbäumen, Adolf Vornbäumen (geb.: 18.02.1889, gest.: 02.11.1965) in die Geschäftsführung ein. Die Firma firmierte nunmehr unter "Drahtwerk Vornbäumen & Co. KG" um.

Gografenhof um 1928
Gografenhof um 1928
Gemälde von Theodor Friedrich Koch (1875 - 1949)

 

Am 25. Mai 1933 fand in Iburg der "Grenzlandtag" statt - Grenzlandtage dienten als "Hochfest der Heimat" während des Dritten Reiches als "Spiegelbild der Volksgemeinschaft und des mannigfaltigen, unverfälschten Volkstums und Brauchtums". So trafen sich in Iburg Abordnungen aller deutschen Grenzländer in ihrer Heimattracht.
Adolf Vornbäumen (geb.: 18.02.1889, gest.: 02.11.1965), ein Bruder von August Vornbäumen, war leitendes Mitglied der Stahlhelm-Ortsgruppe und förderte die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) und den Landeskatholikenausschuss dieser Rechtspartei. "Dadurch entstanden Kontakte und Beziehungen, die den Grenzlandtag und [den Vizekanzler] Franz von Papen nach Iburg brachten."

Vor dem Anwesen von August Vornbäumen, dem früheren Gografenhof, wurde der Vizekanzler Franz von Papen, der Gauleiter des Gaus Weser-Ems, Carl Röver, der ehemalige Chef der Heeresleitung der Reichswehr und Mitglied des Reichstages, Hans von Seeckt, sowie weitere hochrangige Politiker begrüßt. Abschließend fand im Garten des Vornbäumen`schen Anwesens mit Mitgliedern der Familien Vornbäumen ein Kaffeetrinken statt.

Begrüßung vor dem Gografenhof   Vizekanzler Franz von Papen (links) begrüßt den Gauleiter des Gaus Weser-Ems, Carl Röver (rechts)   Vizekanzler Franz von Papen (links) sowie der ehemalige Chef der Heeresleitung der Reichswehr, Hans von Seeckt (rechts)
Begrüßung vor dem Gografenhof   Vizekanzler Franz von Papen (links) begrüßt den
Gauleiter des Gaus Weser-Ems, Carl Röver (rechts)
  Vizekanzler Franz von Papen (links) sowie der ehemalige Chef der
Heeresleitung der Reichswehr, Hans von Seeckt (rechts)

Die während des Grenzlandtages verliehenen Ehrenbürgerrechte an Vizekanzler Franz von Papen wurden diesem am 4. Mai 1948 wieder aberkannt.

1934 wurde August Vornbäumen von der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" (NSDAP) in den Gemeinderat berufen - er gehörte dem Gemeinderat bis 1945 an.

Die Anschrift lautete: Iburg Nr. 137 - im Hause wohnten August Vornbäumen mit seiner Familie sowie seine am 14. Oktober 1854 geborene Mutter Maria Theresia, geborene Bruns, die am 6. November 1939 verstarb.
Ihr Vater war der am 17. Mai 1819 in Iburg geborene Bäcker Casparus Henricus Augustinus Bruns.

Von 1943 bis ca. 1958 war August Vornbäumen zudem stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Firma "Herdfabrik und Eisengießerei AG" in Herne (Grenzweg 25) - seine Ehefrau Grete, geborene Gessmann, war die Tochter des Eigentümers der Herdfabrik.

1946 wurde sein Sohn Günter Vornbäumen, nunmehr wohnhaft Bielefelder Straße 3, (geb.: 21.03.1922, gest.: 22.08.1993) zum Geschäftsführer der "Drahtwerk Vornbäumen & Co. KG" ernannt (bis 1984).
Günter Vornbäumen wurde bei der Gemeinderatswahl am 28. Oktober 1956 für die "Deutsche Bürgerliche Mitte" in den Iburger Rat gewählt - er legte am 8. Januar 1958 sein Mandat nieder.

Im September 1954 übereignete August Vornbäumen den Besitz im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge an seine in München lebende Tochter Ursula Hoenig, geb. Vornbäumen.
In unmittelbarer Umgebung wurde weiterer Grund und Boden zugekauft.

Im Frühjahr 1958 fand ein Ausbau der Osnabrücker Straße statt - zwischen der ehemaligen Landwirtschaftsschule (heute: Osnabrücker Straße 5) und dem heutigen Uhrenmuseum (Am Gografenhof 5) entstand durch den Abriss des Hauses Wilhelm Niemeyer im Jahr 1957 ein Durchstich.
Damit musste der Autoverkehr nicht mehr den 1820 erbauten Hof Petermöller bzw. das ehemalige "Thiemannsche Haus" (seit 26. April 1976 Uhrenmuseum) umfahren.

Die im Frühjahr 1958 durchgeführten Baumaßnahmen führten im Dezember 1971 auch dazu, dass der vor dem ehemaligen Gografenhof befindliche Straßenteil umbenannt wurde.

 

August Vornbäumen
August Vornbäumen
(geb.: 31.03.1887, gest.: 10.08.1962)

Das Ehepaar Vornbäumen bewohnte aufgrund eines Nießbrauchrechts weiterhin den Gografenhof - August Vornbäumen verstarb am 10. August 1962, seine Ehefrau Grete starb am 7. September 1962 an Herzschlag in Iburg; anschließend war der Gografenhof unbewohnt.

Die Anschrift lautete nunmehr: Osnabrücker Straße 6.

Gografenhof, Frühjahr 1963   Gografenhof, Frühjahr 1963   Gografenhof, Frühjahr 1963
Gografenhof, Frühjahr 1963
Der sichtbare Anbau wurde bei der späteren Renovierung abgerissen.

Durch notariellen Vertrag des Notars Dr. Otto Knoblich vom 25. März 1964 kaufte die Stadt Bad Iburg, nachdem der Stadtrat dem Ankauf im Rahmen eines Vorkaufsrechts gem. § 26 Bundesbaugesetz ("Besonderes Vorkaufsrecht in Sanierungsgebieten") einstimmig zugestimmt hatte, den Gografenhof von Ursula Hoenig, geborene Vornbäumen, mitsamt dem 10.568 m2 großen Grundstück zum Kaufpreis von 400.000,- DM.

Es sollte ein neues Ortszentrum entstehen - einstimmig stimmte der Rat für die Aufstellung eines Bebauungsplans mit dem entsprechenden Titel "Ortszentrum".

Ausschnitt aus der zuvor angesprochenen Ratssitzung
Ausschnitt aus der zuvor angesprochenen Ratssitzung

Auf dem großen Gelände war ein modernes Behörden- und Dienstleistungszentrum mit mehreren Gebäuden geplant - dazu gehörten ein Rathaus, ein Feuerwehrgerätehaus, ein Amtsgericht, eine Kreissparkasse und ein Altenheim; auch sollten dort öffentliche Plätze und Grünanlagen geschaffen werden.
Der Ortsplaner, der Osnabrücker Architekt Werner Johannsen (Schloßstraße 1), sprach sich dabei gegen den Erhalt des Gografenhofes aus.

Ausschnitt aus dem Bebauungsplan "Ortszentrum" mit dem Gografenhof
Ausschnitt aus dem Bebauungsplan "Ortszentrum" mit dem Gografenhof

Einige Ratsherren, darunter besonders die Ratsherren Stukkateurmeister Hubert Reiferth und Verwaltungsangestellter Karl Winter (beide CDU), wiesen darauf hin, dass es sich um einen Teil von Alt-Iburg handele und dass es zu überlegen sei, ob eine Wegnahme des Gografenhofes notwendig sei.
Auf Anregung von Stadtdirektor Josef Hunke sollten nunmehr zwei Pläne ausgearbeitet werden - einer mit Erhalt und einer mit Abriss des Gebäudes.

Bei der folgenden nichtöffentlichen Sitzung am 22. Juni 1965 sprachen sich die Stadtplaner Werner Johannsen und Bauingenieur Naber für einen Abbruch des Gebäudes aus - der Bebauungsplan "Ortszentrum" wurde bei einer Stimmenthaltung für gut befunden.

In der öffentlichen Sitzung vom 3. März 1966 wurde der Bebauungsplan "(...) nach Zurückstellung vorgebrachter Bedenken (...)" vom Stadtrat einstimmig genehmigt.
Dem Stadtrat gehörten folgende Personen an: Bürgermeister Gärtnermeister Heinrich Schowe (CDU), Verwaltungsangestellter Karl Winter (CDU), Arzt Dr. Berthold Thimme (CDU), Kaufmann Hermann Tovar (CDU), Stukkateurmeister Hubert Reiferth (CDU), Lehrer Johannes Dölle (CDU), Schlosser Johannes Minnerup (CDU), Gärtnermeister Hermann Bentrup (CDU), Kraftfahrer Hans Kellenberger (CDU), Technischer Angestellter Georg Schomaker (CDU), Bäckermeister Heinrich Große-Rechtien (CDU), Gewerkschaftssekretär Karl-Heinz Uhle (SPD), Hausfrau Ingeborg Jost (SPD) sowie Gast- und Landwirt Hermann Bäumker (Wählergemeinschaft).

Doch die niedersächsische Regierung und die Landeskonservatorin Dr. Roswitha Poppe meldeten Bedenken gegen den Bebauungsplan "Ortszentrum" an.

Somit stand auf der Tagesordnung in der nächsten nichtöffentlichen Ratssitzung am 7. Oktober 1866 der Tagesordnungspunkt "Erhaltung des Gografenhofes" - Ratsherr Hermann Tovar (CDU) vertrat die Auffassung, dass sich Rathaus und Feuerwehrgerätehaus im Gografenhof unterbringen ließen.

In der öffentlichen Sitzung vom 3. November 1966 wurde mitgeteilt, dass die Bausubstanz des Gografenhofes noch relativ gut sei und nach entsprechender Restaurierung auf lange Zeit noch nutzbar sein könne.

Anhand von Planskizzen und genauer technischer Überprüfung stellte sich heraus, dass im Gografenhof das Rathaus und das Feuerwehrgerätehaus eingerichtet werden könnten.
Außerdem waren die Aufwendungen für den Umbau des Feuerwehrgerätehauses nicht höher als ein entsprechender Neubau.

Nach eingehender Aussprache wurde nunmehr beschlossen den Gografenhof nicht abzureißen, sondern für die Stadtverwaltung und die Feuerwehr umzubauen.

Am 9. November 1967 war der Umbau zum Rathaus vollendet - vor der ersten Sitzung im neuen Ratssitzungssaal gaben Bürgermeister Heinrich Schowe und Stadtdirektor Josef Hunke ihrer Freude Ausdruck, dass es gelungen sei etwas Historisches zu erhalten. Der gesamte Stadtrat zeigte sich " (...) von diesem Hause begeistert."

Das Rathaus befand sich zuvor seit Juli 1958 in der 1659 gegründeten und 1800 neu erbauten Mädchenschule am Hagenberg (Iburg Nr. 116,
später: Osnabrücker Straße 2).

 

Straßenansicht der ehemaligen Mädchenschule

  Eröffnung des (alten) Rathauses im Juli 1958 mit Rat und Verwaltung

Straßenansicht der ehemaligen Mädchenschule

 

Eröffnung des (alten) Rathauses im Juli 1958 mit Rat und Verwaltung

 

Rathaus in gelber Anstrichfarbe und mit grünen Holzläden, 1968   Rat und Verwaltung, 1968
Rathaus in gelber Anstrichfarbe und mit grünen Holzläden, 1968   Rat und Verwaltung, 1968

 

Der Umzug des Feuerwehrgerätehauses vollzog sich Anfang 1968 - die Einweihung des Feuerwehrgerätehauses erfolgte am 16. Januar 1968. Das alte Feuerwehrhaus, die ehemalige Iburger Legge, wurde im Rahmen einer Feuerwehrübung in Brand gesetzt, gelöscht und das verbleibende Bauwerk abschließend abgerissen.

 

Ehem. Feuerwehrgerätehaus am Schloss Iburg (linke Bildhälfte)   Einweihung eines neuen Mercedes Benz-Tanklöschfahrzeuges
Ehem. Feuerwehrgerätehaus am Schloss Iburg (linke Bildhälfte)   Einweihung eines neuen Mercedes Benz-Tanklöschfahrzeuges
(TLF 16) vor dem alten Feuerwehrgerätehaus im Jahre 1954

Für das neue Feuerwehrgerätehaus im ehemaligen Gografenhof hatten die Feuerwehrmänner 498 Stunden "Arbeitshilfe" geleistet - Ortsbrandmeister war während dieser Zeit Heinz Hannibal.

Um 1968 waren aktive Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Bad Iburg (in alphabetischer Reichenfolge):
Günter Alterbaum, Helmut Drywa, Rolf-Dieter Eichholz, Rudolf Godt, Heinz Hannibal, Hubert Happe, Franz Haverkamp, Franz Herbermann, Otto Hermes, Walter Hönings, Heinrich Hotfilter, Bernhard Kisting, Herbert Kleinschmidt, Wilhelm Picker, Wilhelm Schmalstieg, Heinrich Suerbaum, Gerhard Stindt, Hermann Tovar, Wolfgang Verhoeven, Mathias Wacker, Hans Winter und Josef Wolf.

 

Einweihung des neuen Feuerwehrgerätehauses am 16. Januar 1968
Einweihung des neuen Feuerwehrgerätehauses am 16. Januar 1968

Auf einem Eckgrundstück zum Hagenberg zog 1971 die Filiale Bad Iburg der damaligen Kreissparkasse Osnabrück um. Vorher war die Filiale in dem ehemaligen Gebäude "Haus Schräder" (heute: Schloßstraße 11) untergebracht - dieses Gebäude war am 5. Dezember 1929 von der einstigen Sparkasse des Kreises Iburg käuflich erworben worden.

Im Dezember 1971 wurde das Christophorusheim, ein evangelisches Altenheim, im östlichen Bereich des ehemaligen Grundstücks vom Gografenhof eröffnet - die Trägerschaft übernahm der am 24. Oktober 1967 auf Initiative des evangelischen Kirchenvorstandes gegründete "Verein Evangelisches Christophorusheim e.V.". Zum Bau des Christophorusheimes waren 1971 insgesamt 160.000,- DM an Spenden von Iburger Bürgerinnen und Bürgern zusammengekommen, nachdem mit dem Bau Anfang 1970 begonnen wurde.

Das Amtsgericht Bad Iburg verblieb in Gebäudeteilen des im Jahre 1803 aufgelösten Iburger Benediktinerklosters - nach der Gründung als "königlich-hannoversches Amtsgericht" am 7. August 1852 wurde das Amtsgericht 1991/92 komplett umgebaut und räumlich neu gestaltet.

Am 9. Dezember 1971 legte die Stadt Bad Iburg den neuen Straßennamen "Am Gografenhof" fest - seitdem trägt das Rathaus bzw. der Gografenhof die Anschrift "Am Gografenhof 4".

Im Sommer 1991 wurden im Keller des Gografenhofes in mühevoller Handarbeit ein Meter des Kellerbodens abgetragen um auf 50 m2 Fläche genügend Höhe für ein städtisches Kompaktarchiv zu bekommen - die Ausbaukosten, es wurde auch ein neuer Betonboden eingezogen, betrugen rund 60.000,- DM.

Im Herbst 1999 wurde das Rathaus neu gestrichen - der gelbe Anstrich verschwand, das Rathaus erstrahlte nunmehr in Altrosa.
Die Farbe entsprach nach Untersuchungen der Denkmalpfleger dem historischen Vorbild.

Rathaus
Rathaus
Foto: Albert Grebing (†)

 

Herrn Bernd Schonlau (†), Bad Iburg, danke ich für die Bereitstellung von zahlreichen weiterführenden Informationen - auch aus seinem Beitrag "Der Gografenhof und seine Bewohner" aus dem Heimat-Jahrbuch "Osnabrücker Land 1986", herausgegeben vom Heimatbund Osnabrücker Land e.V. und dem Kreisheimatbund Bersenbrück e.V.!
Für biographische Hinweise zur Familie Vornbäumen danke ich Herrn Wilhelm Vornbäumen, Bad Iburg, ganz herzlich!

 

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