Zeitreise(n) durch Bad Iburg |
Hagenberger-Rott - Haus Nr. 66 (heute: Große Straße 23)
An der heutigen Großen Straße, gegenüber der Einmündung zur Kleinen Straße, befand sich im Hagenberger-Rott das Haus Nr. 66; es war das südlichste Haus des Hagenberger-Rotts und befand sich unmittelbar am Mühlentor-Rott.
Die von Bischof Konrad III. von Diepholz (1455 - 1482) errichtete Stadtbefestigung bestand im Osten des Grundstücks aus einer Mauer; diese durchschnitt einst das Grundstück.
Plan vom 4. Dezember 1875 (rot eingekreist: Haus Nr. 66) |
1667 wird auf einem dortigen Anwesen ein Hermann Puttermann erwähnt.
Die nächste Erwähnung stammt aus dem Jahr 1736, bei dem ein Joannes Caspar Kock genannt wird. Dieser war seit dem 1. Dezember 1726 mit Anna Maria Helmers verheiratet, die ihm drei Kinder gebar: Joannes Everardus Hermannus, Anna Catharina und Margaretha Agnes. 1738 heiratete er Anna Catharina Gertrud Eichholz.
Es folgt 1767 Jürgen David Angelman - dieser verstarb am 5. November 1826 an "Kolik und Bruchschaden" (Leistenbruch) in Iburg. Er war mit Maria Catharina Mejer verheiratet, die am 17. April 1845 in Iburg verstarb.
1805 bewohnt
Familie Hansfeldt das Gebäude, welches inzwischen auf die Erben
von Erdwin Schierbaum übergegangen war. Erdwin Schierbaum war
Gastwirt und Kaufmann in Iburg - er verstarb am 27. November 1797.
Seine Ehefrau war eine geborene Angelman - der Vater war der aus
Wellingholzhausen stammende Bürgermeister, Kirchen- und
Armenprovisor Johan David Angelman.
Etwa um 1850 ging das Anwesen auf Johannes Adolphus Vornbäumen über.
Aus dieser Zeit ist uns eine
Beschreibung des Hauses überliefert - diese vermerkt über das
Äußere:
"Es war ein mit Schieferplatten belegtes Haus. Links war das
Tor für Wagen und Pferde und Zugang zu den Stallungen, in der
Mitte eine Treppe mit Sitzbänken vor der Haustür und rechts die
Fenster vom Wohnzimmer."
Weiter heißt es aus dem Innern des Gebäudes:
"Auf dem Flur kam vor der Treppe nach oben eine Sitzecke,
nach hinten lagen Kochstube, Küche mit Pumpe und die Waschküche.
Von der Küche konnte man in den Garten gehen, der bis zum "Hagenpatt"
reichte. Im Obergeschoss waren die Schlafzimmer, Mädchenkammer
und nach hinten heraus der Saal."
Das Schieferhaus Vornbäumen (links von
oben, rechts von unten gesehen); ggf. stammte der Schiefer aus dem Bergischen Land |
Zwischen den Häusern Große-Rechtien
und Hannibal befindet sich der sog. "Nonnenpad", ein
Fußweg, den vielfach auch den Nonnen des 1885 erbauten Iburger
Krankenhauses als Fußweg in die Innenstadt und auch zur
Fleckenskirche diente.
Ebenfalls diente dieser Weg seit dieser Zeit den Hausbesitzern
Timpe und Vornbäumen zu landwirtschaftlichen und gewerblichen
Zwecken - so trieben Vornbäumen ihr Vieh durch diesen Durchgang
in die hinter dem Hause gelegenen Stallungen, da kein anderer Weg
von der Großen Straße dort hinführte.
Anna Maria Gertrud, geb. Haverkamp, und Johannes Adolphus Vornbäumen |
Johannes Vornbäumen, geboren am
14. Juli 1823 und Sohn eines Schuhmachers, heiratete am 11.
November 1852 die Fuhrmannstochter Anna Maria Gertrud,
geborene Haverkamp (geb.: 21.11.1828). Johannes betrieb am
östlichen Hagenberg eine Kalksteingrube mit einem kleinen
Kalkofen; ebenfalls betrieb er einen Viehhandel und war als
Schlachter tätig.
Den gebrannten Kalk brachte er mit Pferdewagen nach Münster, von
wo er dann Vieh mit zurücknahm.
Das Paar hatte zehn Kinder, von denen sechs bereits in frühester Kindheit verstarben.
1869 war Johannes Vornbäumen Bürgervorsteher im Flecken Iburg.
In späteren Jahren betrieb er an der Großen Straße mit seinen Söhnen Johann (Johannes) Caspar (geb.: 8. August 1855) und Franz Hermann Wilhelm (geb.: 13. August 1861) gemeinsam eine Schlachterei. Der Kalkofen-Betrieb am Hagenberg wurde 1893 stillgelegt.
Verpflichtung vom 22. März 1890 |
Am 22. März 1890 wurde zwischen [Johannes]
A.[dolphus] Vornbäumen und Conrad Sander folgender "Revers"
vereinbart:
"Herr A. Vornbäumen hat mir auf mein Ersuchen gestattet,
auf dem Trottoir [Bürgersteig] vor der Westseite seines Hauses
einen ausgehöhlten Stein in den Boden einzulassen, um in die
Hölung des Steines einen Pfeiler des zur Frohnleichnahms-Prozession
zu errichtenden Bogen herinzusetzen. Damit aus dieser Erlaubnis
späterhin kein Recht hergeleitet werden könne, habe ich den
gegenwärtigen Revers ausgestellt, und verpflichte ich mich
zugleich, jederzeit den Stein wieder auf meine Kosten zu
entfernen, wenn obige Erlaubnis zurückgezogen werden sollte."
Das Fronleichnamsfest ist ein Hochfest der
katholischen Kirche, bei dem einst in Iburg die Große Straße
mit Girlanden aus Tannenzweigen geschmückt wurde. Der hölzerne
Pfeiler diente der Befestigung der Girlande, die zwischen den
Häusern Hannibal und Sander (heute: Große Straße 18) gespannt
wurde; das Fest findet am zweiten Donnerstag nach Pfingsten statt
- 1890 war Fronleichnam am 5. Juni.
Zu diesem Zeitpunkt lautete die Anschrift: Großestraße 82.
Johannes Adolphus Vornbäumen
verstarb am 23. September 1899 - neue
Hauseigentümerin wurde seine Witwe Anna Maria Gertrud, die mit
dem Sohn Wilhelm das Haus bewohnte.
Wilhelm war 1894 als Wilhelm I. (mit seiner Königin Elisabeth II.
Sander) Schützenkönig im Iburger Schützenverein.
1913 wurde das
Haus an den Schneidermeister Heinrich Hannibal verkauft - Wilhelm
Vornbäumen zog mit seiner Mutter in das "Haus am Rott"
(heute: Münsterstraße 10) um, Johannes Vornbäumen kaufte zwei
Jahre später den ehemaligen Gografenhof (heutiges Rathaus).
Anna Maria Gertrud Vornbäumen starb am 29. November 1916.
Johann Heinrich Hannibal wurde am 19. November 1885 als Sohn des Landwirtes Johann Bernard Joseph Hannibal und seiner Ehefrau Anna Maria Elisabeth, geborene Bödiker, in Wallen bei Alfhausen (Altkreis Bersenbrück) geboren. Nach der Volksschule erlernte Heinrich das Schneiderhandwerk - als Schneidergeselle begab er sich auf Wanderschaft und zog mit einer Nähmaschine von Haus zu Haus. 1913, kurz bevor sich Heinrich in Iburg niederließ, arbeitete er für die Kleiderkammer in Hannover.
In Iburg traf Heinrich Hannibal seinen ebenfalls aus Alfhausen stammenden Landsmann Hermann Große-Rechtien. Dieses Treffen war der Anlass sich als Schneider in Iburg niederzulassen und sich dort eine zweite Heimat aufzubauen.
Zunächst wohnte und arbeitete er
in einem bescheidenen Zimmer im Hause Mennemann (heute: Große
Straße 19) oberhalb von Große-Rechtien.
Dort übernahm er am 5. Mai 1913 das Maßgeschäft von H.
Wernemann.
Briefkopf von Heinrich Wernemann (Buckskin ist ein kräftig gewalktes Streichgarngewebe) |
Übernahme des Maßgeschäftes "H. Wernemann" |
Die hervorragende Qualität seiner Erzeugnisse sprach sich schnell herum, so dass der Wunsch, ein eigenes (größeres) Geschäft zu eröffnen, immer größer wurde. Verschiedene Häuser wurden ihm zum Kauf angeboten - er entschied sich jedoch für das alte Anwesen Vornbäumen unterhalb von Große-Rechtien, zumal dieses mitten im Ort lag.
Nach dem 1. Weltkrieg richtete Heinrich in dem neuerstandenen Haus auch einen Kaufmannsladen ein. Dieser wurde in den Folgejahren stetig vergrößert - zudem wurde das Sortiment rasch erweitert.
Heinrich Hannibal, um 1920, mit einer langstieligen Tabakpfeife mit Porzellankopf |
Während dieser Zeit wohnte er als Junggeselle alleinig in dem großen Haus - versorgt durch die Gastwirtschaft Fischer-Eymann (Schloßstraße 1).
Im April 1921 heiratete er Anna Wendt, die aus dem Alfhausener Ortsteil Heeke stammte; aus dieser Ehe gingen sechs Kinder hervor.
Hochzeit Anna und Heinrich Hannibal, 1921 |
Während dieser Zeit, bis kurz nach dem 2. Weltkrieg, war Heinrich Hannibal neben seiner Selbständigkeit auch Lehrlingswart der Herrenschneider-Innung des Landkreises Osnabrück.
Familie und Gesellen vor dem Haus 1923 - mittig: Heinrich, links: Anna ; das große Tor wurde zu einem Schaufenster umfunktioniert. |
Familienfoto, (von links nach rechts: Maria Anna (spät. verh. Dorenkamp), Anna Hannibal, Josef Alfons, Heinrich Hannibal, Agnes Maria (spät. verh. Becks), Karl-Heinz), um 1930 Später kamen noch die zwei Kinder Elisabeth Maria und Johannes Franz hinzu. |
Der am 2. April 1922 erstgeborene Sohn Karl-Heinz begann 1936 eine Schneiderlehre bei seinem Vater. Nach drei Jahren Ausbildung begann ein halbes Jahr später der 2. Weltkrieg und Karl-Heinz, damals nur "Heinz" genannt, wurde als 17jähriger zum Arbeitsdienst eingezogen.
Gewerbliche Anzeige 1930 aus: "Iburger Fremdenblatt", Nr. 16, 17. September 1930 |
Beim letzten Schützenfest vor dem Krieg 1939 wurde Heinrich als Heinrich VII. Schützenkönig von Iburg - Schützenkönigin war Clara I. Hellmann (Tovar).
Die Anschrift lautete während des
2. Weltkrieges Adolf-Hitler-Straße 23.
Nach dem Krieg arbeitete Heinz bei seinem Vater als
Schneidergeselle weiter und machte seine Meisterprüfung - die
neue Anschrift lautete - wie bereits kurz vor dem Krieg - Große
Straße 23.
Am 1. Oktober 1945 trat Heinz in
die Iburger Feuerwehr ein.
Von 1966 bis 1977 war er Ortsbrandmeister
in Iburg. In diese Zeit fiel auch der Umzug der Feuerwehr von der
alten Legge in das neue Feuerwehrgerätehaus im Rathaus. Nach der
Gebietsreform 1972 war er zudem von 1972 bis 1984
Stadtbrandmeister in Bad Iburg. 1982 bekam er für seine
Verdienste im Feuerwehrwesen das Deutsche Feuerwehr-Ehrenkreuz in
Silber verliehen - am 1. Mai 1984 wechselte er in die
Altersabteilung.
Sein Sohn Karl-Heinz trat am 26. Oktober 1972 in die Freiwillige
Feuerwehr Bad Iburg ein und übernahm nach zahlreichen
erfolgreich absolvierten Lehrgängen 1989 das Amt des
Ortsbrandmeisters und 1990 das Amt des stellvertretenden
Stadtbrandmeisters. 2007 wurde ihm die Ehrennadel in Silber mit
Bandschnalle des Landesfeuerwehrverbandes Niedersachsen verliehen.
Sein Amt als Ortsbrandmeister übergab er Anfang 2013 an Rolf
Kleinschmidt.
1952 heiratete Heinz Hannibal Anna ("Anni") Maria Welp (geb.: 26. Januar 1930) aus Drensteinfurt; aus dieser Ehe gingen vier Kinder hervor: Karl-Heinz jr., Elisabeth, Ruth und Stefan.
1960 wurde das Haus grundlegend renoviert - auf dem nachfolgenden Foto sind bereits die Schieferplatten am Erdgeschoss abgeschlagen und das darunter befindliche Fachwerk ist sichtbar geworden.
Renovierung 1960 |
1969 wurden privat genutzte Räume,
wie Wohnzimmer und Küche, in Geschäftsräume umgewandelt und
das Sortiment um den Bereich Damenbekleidung erweitert - das
Modehaus bekam ein großes Schaufenster.
Im gleichen Jahr begannen auf Anregung von Anni Hannibal,
zunächst gemeinsam mit der "Werbegemeinschaft Bad Iburger
Einzelhändler", im Kurhaus die ersten Modenschauen. Später
fanden eigene Veranstaltungen im Frühjahr und im Herbst statt.
Die "Werbegemeinschaft Bad Iburger
Einzelhändler" bemühte sich aktiv, Bad Iburg als
Einkaufsort attraktiv zu halten.
Blick in die Schneiderei, um 1960 |
Auch als Schützenbruder war Heinz modebewusst: als 3. Kompaniechef der 1951 neu gegründeten Fahnenkompanie führte er grüne Jacken ein - bislang bestand die Uniform aus weißen Hosen, einem weißen Hemd und weißen Jacken.
Eine Auswahl der gewerblichen Werbeanzeigen:
Werbung um 1949 aus: "Luftkurort Iburg" von Robert Hülsemann |
Werbung 1962 aus: "Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des Vereins für Leibesübungen e.V. Iburg", August 1962 |
Werbung1977 aus: "Bad Iburg. 10 Jahre staatlich anerkanntes Kneipp-Heilbad", Mai 1977 |
Im Jahr 1972 hieß das Iburger
Königspaar Karl-Heinz III. Hannibal und Inge I. Klemann.
1972/73 war Heinz Hannibal erster Schirmherr des "Schlossbeleuchtungsvereins
Bad Iburg e.V.".
Nach den Statuten des
Schloßbeleuchtungsvereins ist Schirmherr der jeweilige für die
Dauer eines Jahres amtierende Bad Iburger Schützenkönig.
Bereits 1964 war Anni I. Hannibal
Schützenkönigin, Hermann VII. Beermann war Schützenkönig.
Ebenfalls 1973 und 1983 wurden im Modehaus weitere Umbauten vorgenommen.
Am 12. Juli 1974 verstarb Heinrich Hannibal; wie viele andere Schneider nähte auch er im Schneidersitz auf dem Tisch sitzend - in den letzten Jahren war Heinrich nicht mehr im Geschäft tätig.
Werbung 1983 aus: "Bad Iburg. Die aktuelle Monatsschrift", August 1983 Der Afrikanische Elefant in der Werbung deutet auf den Karthager und Namensvetter Hannibal Barkas (247 v. Chr. - 183 v. Chr.), kurz Hannibal genannt, hin, berühmt geworden durch seine Überquerung der Alpen mit zahlreichen afrikanischen Elefanten im Jahre 218 vor Christi. Ebenfalls deutet das "mit einem Rüssel" versehene "h"auf den Elefanten hin. |
Ein Werbeslogan der Zeit lautete: "Mode ist kein Diktat mehr - und getragen wird alles, was Spaß macht."
1984 arbeitete auch der erstgeborene Sohn Karl-Heinz jr. im Geschäft mit - ebenfalls arbeitete stundenweise seine zukünftige Frau Susanne im Laden mit.
Ankündigung der Modenschau im Frühling 1985 aus: "Bad Iburg. Die aktuelle Monatsschrift.", Februar 1985 |
1989 wurde der Herren-Bereich in ein separates Geschäft in das Haus Reinersmann (Große Straße 24) verlegt.
1996 verschwanden die Korbmarkisen und ein neues Schutzdach vor dem Schaufenster wurde montiert.
Nach Heirat übernahm Karl-Heinz im Jahre 2001 das Geschäft von seinen Eltern und führte es gemeinsam mit seiner Ehefrau mit Hilfe der teilweise langjährig angestellten Mitarbeiterinnen.
Im Jahre 2005 wurden die angemieteten Räume im Haus Reinersmann aufgegeben und im eigenen Haus die Fläche erheblich vergrößert. Damit konnte eine moderne Damen- und Herrenwelt präsentiert werden - im rückwärtigen Bereich des Geschäftes wurde eine große Lichtfront geschaffen.
Ehepaar Karl-Heinz ("Heinz") und Anna Maria ("Anni") Hannibal, 2011 |
Heinz Hannibal verstarb am 8. April 2015, Anni Hannibal verstarb am 30. Mai 2016.
Ein Überblick der Schaufenster:
Familie vor dem Geschäft, Winter der 20er Jahre | Schaufenster, 1969 |
Schaufenster mit Korbmarkisen, 1992 | Schaufenster im Jubiläumsjahr 2013 |
Ab Oktober 2016 fand ein Totalverkauf statt - Anfang Juli 2017 wurde schließlich das zur Großen Straße gelegene Fachwerkhaus abgerissen und nachfolgend ein Neubau errichtet; in diesem Neubau befindet sich nunmehr die Buchhandlung "Bücher Beckwermert".
Für zahlreiche Hinweise danke ich Karl-Heinz Hannibal (Bad Iburg) - weitere Informationen finden sich in dem Jubiläumsheft "Modehaus Hannibal - 100 Jahre Jubiläum. Seit 1913 immer im Trend" aus dem Jahre 2013!
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