Zeitreise(n) durch Bad Iburg

Landhaus Dütting - ein Leben auf dem Langenberg

Vorgeschichte - das Kalkwerk Conrad Sander

1872 errichtete Julius (?) Kocke am Ostende des Langenberges einen Kalkofen und baute dort Kalkstein aus dem Cenoman (Oberkreide) ab.

Später wurde das Kalkwerk von dem Iburger Kaufmann Franz Conrad Sander (geb.: 06.03.1829 in Glane, gest.: 1907) übernommen - das Kalkwerk bestand bis Ende 1905.

Weiterführende Informationen zur "Kalkbrennerei Sander - vormals Kocke -" finden Sie auf dieser Homepage unter:
http://www.geo-iburg.de/kalk_Sander.html !

Landhaus Dütting

1. Familie Christian Dütting

Wahrscheinlich Ende 1905 kaufte Bergassessor Christian Dütting (geb.: 20.12.1862 in Osnabrück, gest.: 21.07.1921 in Bad Nauheim) das Gelände am östlichen Langenberg.
Christian Dütting war seit dem 28. April 1900 mit Johanna Maria Franziska Dütting, geborene Offenberg aus Münster (geb.: 06.08.1878), verheiratet.

Johanna und Christian Dütting, 1900
Johanna und Christian Dütting, 1900

Christian Dütting wurde wie folgt beschrieben:
"Vater war von zartem Körperbau, neigte zur Fülle und wirkte dadurch rundlich und untersetzt, später wurde er wieder schlanker. Der Kopf war klein, aber das Gesicht rund, die Augen blau, aber - da er kurzsichtig war und einen Kneifer trug - etwas matt und blaß. Seine Haare kannte ich nur dünn und graumeliert, seitlich gescheitelt; (...)".1
In der Chronik der Familie ist noch zu lesen:
"Christian Dütting verstand es durch seinen Humor und seine Redegewandtheit in jede Gesellschaft Fröhlichkeit und vergnügte Stimmung hineinzubringen. Dichterisch begabt, machte er zu den Hochzeiten der Verwandten und anderen Festlichkeiten humoristische Gedichte und Lieder, die stets größte Heiterkeit hervorriefen."2

Nachdem Dütting zwischen 1899 und 1905 die "Zeche Nordstern" in Gelsenkirchen-Horst leitete, übernahm er 1905 die Leitung der "Zeche Holland" in Bochum-Wattenscheid.

Weiterführende Informationen zu "Christian Dütting (1862 - 1921)" finden Sie auf dieser Homepage unter:
http://www.geo-iburg.de/Duetting.html !

Christian Dütting erbaute 1906 auf dem Kalkfelsen ein Landhaus als Erholungs- und Feriendomizil. Zu diesem Zeitpunkt hatten seine Ehefrau Johanna und er vier Kinder: Gertrud Maria Therese (geb.: 24.03.1901 in Gelsenkirchen), Beate Henriette (geb.: 23.10.1902 in Gelsenkirchen-Horst), Johann ("Hans") Caspar Heinrich (geb.: 27.12.1903 in Gelsenkirchen-Horst) und Adolf Christian (geb.: 07.07.1905 in Gelsenkirchen-Ückendorf); das fünfte Kind war unterwegs.

Entwurfszeichnung für das Landhaus Dütting, Gelsenkirchen, um 1906, ggf. Architekt Paul Knobbe
Entwurfszeichnung für das Landhaus Dütting, Gelsenkirchen, um 1906.
Archiv: Gelsenkirchener Bergwerks-AG

Johanna Dütting " (...) hat sich sehr für den Hausbau interessiert und eifrig am Plan, besonders an der inneren Ausgestaltung, mitgewirkt."3 Besonders wichtig erschien Johanna Dütting immer blühende Blumen im und am Haus zu haben.
Der persönliche Geschmack der Eheleute Dütting zeigte sich in der Vorliebe für dunkle Holzvertäfelungen - Christian Dütting liebte das Gebirge und " (...) wanderte (...) in seinem Urlaub mit [seiner Ehefrau] in den schweizerischen und bayerischen Alpen."4
Später war der Sohn Hans Dütting Mitglied und Funktionär im "Deutschen und Österreichischen Alpenverein (DuOeAV)", der sich 1938 in den "Deutschen Alpenverein (DAV)" umbenannte.

Anfang 1907 wurde Christian Dütting zum Generaldirektor und Vorstandsmitglied der "Phoenix Aktiengesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb" ernannt; Die Phoenix AG war eine der größten und bedeutendsten Montankonzerne des Ruhrgebietes.

In Gelsenkirchen-Ückendorf wurden die weiteren Kinder geboren: Hanna Agathe (geb.: 18.09.1906), Juliane Margarethe ("Jane", geb.: 22.02.1908), Agnes Liselotte ("Lotte", geb.: 07.11.1910) und Hildegard (geb.: 05.06.1912). Die einzige Klinikgeburt war am 16.05.1914 der Sohn Franz Karl Benjamin. Damit hatte das Ehepaar Dütting insgesamt neun Kinder.

Die Kinder der Eheleute Dütting im Garten, ca. 1920
Die Kinder der Eheleute Dütting im Garten, ca. 1920

Als Schneiderin der Familie wirkte die Iburgerin Frl. Tina Peters.

Landhaus Dütting mit romanischem Wehrturm auf einer Postkarte
Landhaus Dütting mit romanischem Wehrturm auf einer Postkarte,
gelaufen: 27.07.1908

Im Laufe der Jahre vergrößerten sich die Dütting'schen Besitzungen in Iburg um Waldgrundstücke, einem Landstück an der damaligen Rennbahn und einen Obstgarten (in unmittelbarer Nähe des noch heute dort befindlichen Pumpenhäuschens), so dass die Besitzungen schließlich eine Fläche von ca. 50.000 m2 einnahmen.

Pumpenhäuschen an der "Rennbahn"
Pumpenhäuschen an der "Rennbahn"

Das Gelände zur "Rennbahn" (heute: Charlottenburger Ring) umfasste Dütting mit einer Sandsteinmauer, die Einfahrt zum Anwesen bildete ein zweiflügeliges Holztor.
Der alte Kalkofen wurde zu einem romanischen Wehrturm umgebaut.
Der Wehrturm wurde wegen Baufälligkeit 1958 durch die Iburger Firma Hubert Reiferth abgerissen.

Ansicht vom Einfahrtsbereich und romanischen Wehrturm   Begehbarer Wehrturm, im Vordergrund Johanna Dütting
Ansicht vom Einfahrtsbereich und romanischen Wehrturm,
im Vordergrund die "Rennbahn", um 1909
  Begehbarer Wehrturm, im Vordergrund Johanna Dütting,
um 1910

Das Gelände des ehemaligen Steinbruchs wurde liebevoll in einen Gartenpark umgewandelt.

Blick in den Steinbruch mit der Blockhütte (oben links)   Im Gartenpark
Blick in den Steinbruch mit der Blockhütte (oben links)   Im Gartenpark
Im Gartenpark mit Blick auf den Steinbruch, 1929   Blick auf den Steinbruch und die "Aussicht"
Im Gartenpark mit Blick auf den Steinbruch,
1929
  Blick auf den Steinbruch und die "Aussicht"
Gartenpark mit Blick auf eine Sitzbank   Christian Dütting mit seinen Kindern Adolf und Hans am Gartenhaus unterhalb der Holzbrücke
Gartenpark mit Blick auf eine Sitzbank   Christian Dütting mit seinen Kindern Adolf und Hans am
Gartenhaus unterhalb der Holzbrücke

Vom Leben auf dem Langenberg zeugt ein Gemälde des namhaften Düsseldorfer Malers Carl Schmitz-Pleis:

Gemälde "Im Meien in Iburg" von Carl Schmitz-Pleis, um 1915
Gemälde "Im Maien in Iburg" von Carl Schmitz-Pleis, um 1915
(vor der Restaurierung 2011)

Das Gemälde entstand um 1915 von dem in Kaiserwerth (heute: Düsseldorf) beheimateten Maler Carl Schmitz-Pleis (1877 - 1943), der zu dieser Zeit dem Düsseldorfer Kunstverein "Malkasten" und dem "Verein der Düsseldorfer Künstler" angehörte. Das Bild zeigt Gertrud und Beate Dütting auf der Terrasse des Iburger Landhauses Dütting mit Blick auf dem Schlossberg mit dem dortigen Schloss und Kloster Iburg.
Karl Schmitz-Pleis wohnte und malte während des ersten Weltkrieges wochen- oder monatelang bei Düttings sowohl in Iburg als auch in Gelsenkirchen.
Der Verkaufspreis für das Gemälde betrug seinerzeit 500,- Mark. Später wohnte Schmitz-Pleis in der Grimmstraße 38 in Düsseldorf.
Im Jahre 1911 entstanden von dem ungarischen Portraitmaler Arthur Ludwig Ratzka (1869 - 1958) jeweils ein Gemälde von Christian Dütting und eines von Johanna Dütting.

Hauptwohnsitz der Familie war bis zum Frühjahr 1919 Gelsenkirchen-Ückendorf (Ückendorfer Straße), danach erfolgte der Umzug nach Essen (Bismarckstraße 66).
Das Ferien- und Urlaubsdomizil Iburg wurde von Tochter Hanna als "schöner Lebensraum" bezeichnet.

Obwohl Christian Dütting jedes Wochenende in Iburg weilte, schrieb er seiner derweil in Iburg wohnenden Ehefrau im Laufe der Woche jeden oder jeden zweiten Tag einen Brief.

Am 30. Geburtstag von Johanna Dütting am 6. August 1908 überraschte Christian Dütting sie mit dem von Wilhelm Vornbäumen auf der Trompete gespielten Soldatenlied "Schier dreißig Jahre bist du alt".

Das Landhaus war zudem Treffpunkt von weiteren zahlreichen örtlichen und auswärtigen Freunden: Familie Wilhelm Vornbäumen (Geschäftsführer Drahtseilwerk) aus Iburg, Kunsthistoriker Prof. Dr. Hermann Ehrenberg aus Iburg, Pfarrer und Orientalist Prof. Dr. Paul Moritz Karge, der im Iburger Krankenhaus wohnte und Vikar Wilhelm Holtkort aus Gelsenkirchen, der dann im Blockhäuschen wohnte und oft betend über den Kammweg des Langenberges wandelte (von Düttings Kinder daher als "Brevierweg" bezeichnet).

Während der langen Sommermonate gingen mehrere der Kinder in die Iburger Volksschule. So besuchte Hanna die katholische Volksschule an der "Rennbahn", wo sie zeitweise von Hauptlehrer Johannes Hegger und Frl. Clara Biedendieck aus Glandorf unterrichtet wurde.
Johannes Hegger trat am 1. Oktober 1932 in den Ruhestand und verstarb nach längerem Leiden am 24. Juli 1942.
Daneben erhielten Jane und Hanna noch privaten Französisch-Unterricht von der in Lengerich/Westf. wohnenden Bertha Giovannini.

Christian Dütting fotografierte gerne Frau und Kinder - er hatte einen großen Plattenapparat, deren Platten er selbst in einer eingerichteten Werkstatt im Blockhäuschen entwickelte und Abzüge erstellte.
Johanna Dütting war sportlich und spielte am Forsthaus Freudenthal Tennis.

Christian Dütting hatte bereits seit jungen Jahren gesundheitliche Probleme mit dem Herzen, und so begab er sich im Sommer 1921 zur Kur nach Bad Nauheim (nördlich von Frankfurt), wo er am 21. Juli 1921 an den Folgen eines Herzanfalls verstarb.
Die Beerdigung fand in Iburg statt:
"Am Beerdigungstag waren wir alle in der Kirche zum Requiem. Als wir zurückkamen und den Berg heraufgingen, stand der Sarg in einer Fülle von Kränzen und Blumen unter der alten Buche beim Waschhäuschen. (...) Es war auch ein ergreifender Anblick gewesen sein: Mutter und wir neun Kinder, alle in tiefer Trauer, das heißt schwarzgekleidet. Es versammelten sich nach und nach an dieser Stelle viele Menschen, die uns allen die Hand geben wollten. Viele grüßten stumm den Sarg, manche knieten im Freien nieder und sprachen ein stilles Gebet. Ich erschrak über die Menschenmenge, über so viele bedeutende Persönlichkeiten, entfernte Verwandte und viele Unbekannte. (...) Dann kam der Priester und sprach die üblichen Texte. Bergknappen, in Bergmannstracht mit brennenden Grubenlampen, trugen den Sarg fort. Nur unsere Brüder gingen mit der Beerdigung; Frauen gingen früher nicht mit zum Grab. Wir sahen vom Berg aus der langen Menschenschlange nach. Eine Bergmannskapelle spielte Trauermusik. Noch nach fünfzig Jahren hat mich eine Iburger Frau gefragt, wann doch die Beerdigung unseres Vaters gewesen sei; solchen Eindruck hatte sie gemacht!"5
Auf dem alten Iburger Friedhof (Grabstätte Dütting) war bereits die einstige Gesellschafterin von Christians Eltern, Maria Wilhelm (geb.: 19.05.1852, gest.: 04.09.1908) beerdigt worden. Es folgte 1921 Christian Dütting, 1965 Johanna Dütting, 1986 Beate Dütting, 1992 Dr. Rolf Fritz, 2000 Dr. Hanna Fritz, geborene Dütting, Franz Dütting und 2011 Dr. Hildegard Rapp, geborene Dütting.

Grabstätte Dütting mit den Grabsteinen für Christian Dütting (links) und Maria Wilhelm (rechts)
Grabstätte Dütting mit den Grabsteinen für Christian Dütting (links) und Maria Wilhelm (rechts),
23.05.1929

2. Johanna Dütting und Kinder

Zahlreiche Aquarelle von der nicht ganz 17jährigen Hanna Agathe Dütting, entstanden zwischen Ende August und Anfang September 1923, ergänzt um spätere Fotografien, zeigen auch das Hausinnere:
Die Fotografien aus den Kriegsjahren entstanden mit einem Fotoapparat aus dem Besitz des "Museums für Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund", der in Iburg verwahrt wurde; Dr. Rolf Fritz war seit 1936 dortiger Direktor, welches er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1966 leitete.

Landhaus Dütting   Landhaus Dütting
Landhaus Dütting
Aquarell von Hanna Dütting, 22. August 1923
  Landhaus Dütting
Aquarell von Hanna Dütting, 1923

Vom gefliesten Herd in der Küche gelangte die Wärme durch Warmluftschächte in andere Räumlichkeiten.

Küchenherd   Küchenherd
Küchenherd
Aquarell von Hanna Dütting, 1923
  Küchenherd, 1943

In der Diele existierte ein offener Kamin, auf dem verschiedenste Zinngefäße standen. Die ebenfalls gekachelte Sitzbank wurde über Warmluftschächte des Küchenherdes erwärmt.

Am offenen Kamin in der Diele   Hanna und Sohn Michael Fritz am offenen Kamin in der Diele
Am offenen Kamin in der Diele
Aquarell von Hanna Dütting, 1923
  Hanna und Sohn Michael Fritz am offenen Kamin in der Diele -
fast keine Veränderungen an der Aufstellung der Zinngefäße,
Weihnachten 1942

Im sogenannten "Bauernstübchen" befand sich ein Kachelofen.

Kachelofen im Bauernstübchen
Kachelofen im Bauernstübchen
Aquarell von Hanna Dütting, 1923

Im "Bauernstübchen" stand ein Tisch mit Sitzgelegenheit und einem Herrgottswinkel, der sich gegenüber dem Ofen befand. Ferner hingen Bilder an der Wand, oberhalb der Vertäfelung standen bunt bemalte Porzellan-Zierteller.

Bauernstübchen   Bauernstübchen
Bauernstübchen
Aquarell von Hanna Dütting, 02.09.1923
  Bauernstübchen
Aquarell von Hanna Dütting, 1923

Auch am Treppenaufgang befanden sich Zinnteller.
In dieser Diele hingen auch zwei von Johanna Dütting gemalte ungerahmte kleine Bilder von der "Aussicht" auf das Schloss - eins vom Frühjahr, eins vom Sommer.

Aufgang zum Obergeschoss in der Diele   Hanna Fritz am Aufgang zum Obergeschoss in der Diele
Aufgang zum Obergeschoss in der Diele
Aquarell von Hanna Dütting, 1923
  Hanna Fritz am Aufgang zum Obergeschoss in der Diele,
Weihnachten 1942

Im Obergeschoss befand sich ein Schreibpult mit beistehendem Schrank.

Schreibpult
Schreibpult
Aquarell von Hanna Dütting, 1923

Auch im Obergeschoss befanden sich Sitzmöglichkeiten.

Sitzgelegenheit im Obergeschoss
Sitzgelegenheit im Obergeschoss
Aquarell von Hanna Dütting, 1923

Östlich des Hauses befand sich eine größere Terrasse ("Aussicht").

"Aussicht"
"Aussicht"
Aquarell von Hanna Dütting, 1923

 

"Aussicht", 21.05.1929   "Aussicht", 01.09.1929
"Aussicht", 21.05.1929   "Aussicht", 01.09.1929
Im Sommer 1929 wurde die Pergola - bis auf zwei Stümpfe - entfernt und die "Aussicht"
mit einem neuen Zaun umgeben.

Unterhalb des Landhauses wurde eine Blockhütte ("Gästehäuschen") errichtet.

Blockhütte   Blockhütte
Blockhütte
Aquarell von Hanna Dütting, 1923
  Blockhütte, Sommer 1939

In einer Zisterne wurde Regenwasser gespeichert.

Johanna Dütting beim Blumengießen
Die Gestaltung der Innenräume sowie die Blumenpflege
oblag der Hausherrin Johanna Dütting, Sommer 1934

Im Frühjahr 1925 zog die Familie an den Hauptwohnsitz in Essen-Bredeney (Zum Ruhrstein 17, "Mutterhaus").

Auch jetzt waren Besucher im Landhaus Dütting willkommen.

Adolf Vornbäumen mit Ehefrau Wolfhild und Tochter Ingeborg im Dütting`schen Garten
Adolf Vornbäumen mit Ehefrau Wolfhild und Tochter Ingeborg im Dütting`schen Garten,
1929

Johanna Dütting " (...) sagte oft, ohne den Sommeraufenthalt in Iburg wären wir [Kinder] wohl nicht so gesund durch den Krieg gekommen. Es war dort ein viel einfacheres Leben als in der Stadt. Milch bekamen wir zwar auch nicht und mußten sogar unsere Ziegen aus der Stadt nachkommen lassen. Ich sehe noch, wie sie in einem Holzverschlag ankamen und dann im Steinbruch das Gras abweideten. Wir wurden in Iburg auch zu allerlei häuslichen Arbeiten angehalten, mußten Holz sammeln, Besorgungen machen und dergleichen. Wir gingen viel spazieren - die kleineren Geschwister zogen wir im Bollerwagen hinter uns her - und sammelten Pilze und Beeren. Vater kam zu jedem Wochenende; er konnte mit dem Zug bis Oesede kommen und ging dann weiter zu Fuß; bis Herrenrest mußten wir ihm entgegengehen, und er war verstimmt, wenn wir zu spät kamen, aber sonst war er recht heiter, ging draußen viel umher, immer mit Rosenschere, um allerlei zurückzuschneiden, und mit seinem kleinen Geologenhammer, - denn im Steinbruch wurden viele Versteinerungen gefunden -, um am Gestein zu klopfen (Schere und Hammer waren bis zuletzt in Iburg vorhanden). Ein großes Ammonshorn, das auf unserem Grundstück gefunden worden war, lag auf der Terrasse, und ein ganzer Koffer aus Eichenholz mit eisernen Beschlägen voll von Versteinerungen, die Vater im Steinbruch gesammelt hatte, stand unter dem Blockhäuschen; (...)."6

Blick über das Sägewerk von August Schwartengräber auf das "Landhaus Dütting" (oben mittig) und das Blockhaus (rechts daneben),
Blick über das Sägewerk von August Schwartengräber auf das "Landhaus Dütting" (oben mittig) und das Blockhaus (rechts daneben),
1936

3. Familie Dr. Rolf Fritz

Ab 1940 bewohnte Hanna Fritz, Tochter von Johanna und Christian Dütting, mit ihrem Sohn Johann Michael das Haus, da der bisherige Wohnort Dortmund zunehmend von Fliegerangriffen bedroht wurde. Der Ehemann und Vater, Dr. Rolf Fritz, war von 1949 bis 1945 als Soldat (Dolmetscher für Französisch und Niederländisch) in Dortmund eingezogen und kam nur von Zeit zu Zeit kurz zu Besuch.

Landhaus Dütting, Ansicht nach Osten, um 1940
Landhaus Dütting, Ansicht nach Osten, um 1940
Auf der Gartenbank sitzend Dr. Hanna Fritz, geborene Dütting

Auch im Hause Dütting waren während des Krieges Lebensmittel knapp: von befreundeten Landwirten in Holperdorp (Höfe Huneke (Holperdorp 3), Timpe (Holperdorp 10) und Sprengelmeier (Holperdorp 16)) erhielt die Familie Eier.

Hausansicht von Westen, Frühjahr 1941
Hausansicht von Westen, Frühjahr 1941
Im November 1940 fegte ein Sturm über das Grundstück und entwurzelte zahlreiche Bäume - die Schäden
wurden im März 1941 beseitigt.

 

Aufgang zum "Landhaus Dütting"
Aufgang zum "Landhaus Dütting" - es führte noch immer kein Fahrweg
zum Haus, Dezember 1941

Gab es Jahrzehnte im Haus Dütting keinen elektrischen Strom - man nutzte für Licht Petroleumlampen - wurden im März/April 1942 elektrische Lichtleitungen gelegt.
Geheizt wurde weiterhin mit Holz und Kohle.

Dr. Rolf Fritz beim Holzhacken   Dr. Rolf Fritz und sein Sohn Michael holen Holz für die Öfen und Kamine
Dr. Rolf Fritz beim Holzhacken,
Juli 1936
  Dr. Rolf Fritz und sein Sohn Michael holen Holz für die Öfen und Kamine,
März 1942

Trotz zahlreicher Entbehrungen war das Grundstück aber auch ein Spielparadies für Kinder: eine Lehmgrube, eine Schaukel, ....

Im April 1942 wurde für Michael Fritz die neue Schaukel gebaut
Im April 1942 wurde für Michael Fritz die neue Schaukel gebaut

Am 14. August 1942 kam Sohn Michael in die katholische Volksschule an der "Rennbahn", wo bereits seinerzeit seine Mutter unterrichtet wurde. Michaels Lehrerin wurde Frl. Clara Biedendieck aus Glandorf, die bereits seit 1916 dort unterrichtete und 1951 in den Ruhestand verabschiedet wurde.
Nach den ersten beiden Schuljahren wurde Michael von der pensionierten Lehrerin Frl. Meschede unterrichtet. 1944 wurde die Klasse in der Landwirtschaftlichen Schule untergebracht, doch bereits nach wenigen Wochen wurde die Schule geschlossen - ein anschließender Privatunterricht mit einigen anderen Schülern durch Frl. Meschede im Hause Dütting wurde von den Engländern verboten.
Etwas später erhielt Michael ersten Lateinunterricht beim pensionierten Studienrat Landwehr, der auf dem Urberg wohnte.

Michael beim Rechnen, August 1942   Besuch von Manfred Schnöckelborg (links)
Michael beim Rechnen, August 1942   Besuch von Manfred Schnöckelborg (links), Sohn des Iburger Notars und
Rechtsanwaltes Heinrich Schnöckelborg und seiner Ehefrau Katharina,
Winter 1943/44

Hanna Dütting war während des Krieges in der Bibliothek des Fleckens Iburg zur Arbeit verpflichtet.

Zum Ende des Krieges musste Hanna Dütting ins Iburger Krankenhaus aufgenommen werden:
"Der Gesundheitszustand der zarten jungen Frau war sehr labil, sodass sie eine Zeitlang ins Iburger Krankenhaus aufgenommen werden musste. Das ungewohnte Leben auf dem Berg, die weiten Fußwege, das Heranschaffen und Hinauftragen der Lebensmittel - es gab damals noch einen Fahrweg -, bescheidene Bemühungen um eigene Landwirtschaft auf dem kargen Kalksteinboden des Berges, das tägliche Feuer machen, das alles bedeutete beträchtliche körperliche Anstrengungen, hinzu kamen psychische Belastungen. Von einem idyllischen Refugium unter diesen Gegebenheiten kann daher nur bedingt die Rede sein."7

Gegen Kriegsende im Jahr 1945 suchten auch die Großmutter Johanna Dütting aus Osnabrück und andere Verwandte aus den stark bombardierten Städten des Ruhrgebietes im Landhaus Zuflucht.

Am 20. Juli 1945 wurde in Erpen (heute: Dissen) Andrea Gabriele Fritz geboren.

Michael und seine Schwester Andrea, Winter 1945
Michael und seine Schwester Andrea, Winter 1945

Durch die Hilfsaktion "Storch" hatten Düttings nach dem Krieg für eine längere Zeit einen Berliner Jungen aufgenommen: Dieter Falkenhagen, der vom 1. Oktober 1945 bis zum 1. Mai 1946 bei Düttings in Iburg wohnte; hinzu kam noch eine junge heimatlose Frau aus Ostpreußen sowie eine Familie Lüchtefeld.

Besonders im Jahre 1946 kamen Freunde zu Besuch, u.a.:
- Prof. Wolfgang Krönig, ehemaliger Studienfreund und nunmehr Professor für Kunstgeschichte in Köln,
- Prof. Dr. Franz Beckmann, Professor für Altphilologie und späterer Rektor an der Universität Münster, und seine Ehefrau Dr. Clara Beckmann, die während des Krieges mit ihren vier Kindern in Iburg bei der Schweizerin Alma Uhlig (Kronesch) lebten; Frau Uhlig zog nach dem Krieg wieder in die Schweiz.
- der Kunsthistoriker Dr. Dr. Klaus Leonhardi, Kustos an der schleswig-holsteinischen Kunsthalle Kiel.

Am 6. Februar 1947 erfolgte - bei eisiger Kälte - der Umzug der Familie Fritz nach Cappenberg, wo Dr. Rolf Fritz das dortige Museum leitete.

4. Besitztum Hellmann

1964 wurde das Haus mitsamt dem umgebenden Gelände von Bernhard Hellmann, dem seinerzeitigen Inhaber des "Waldhotels Felsenkeller", gekauft.
Das Wohnhaus wurde später vermietet.

Die Anschrift des Hauses lautet heute: "Charlottenburger Ring 44".

 

Herrn Prof. Dr. Johann Michael Fritz danke ich für den Abdruck historischer Fotografien aus den familiären Fotoalben sowie zahlreicher weiterführender Informationen!

Prof. Dr. Johann Michael Fritz (geb.: 30.01.1936 in Essen), emeritierter Hochschullehrer und Kunsthistoriker mit dem Arbeitsschwerpunkt Gold- und Silberschmiedekunst in Europa vom Mittelalter bis zur Neuzeit, lebte von 1940 bis Anfang 1947 mit seiner Mutter Hanna Fritz im "Landhaus Dütting". Einen Einblick in das Iburger Leben bietet die Veröffentlichung "Hanna Fritz - Aufzeichnungen aus dem Leben in Iburg 1942 bis 1945" im Heimat-Jahrbuch "Osnabrücker Land 2012", S. 167 ff.
Der Nachlass von Christian Dütting wurde im September 2012 von den Nachlassgebern Prof. Dr. Johann Michael Fritz und Dr. Hanna Fritz in das Bergbau-Archiv Bochum unter der Bestandsnummer BDA 308 aufgenommen.

1 Fritz, Hanna: Erinnerungen an Vater, Münster 1978 (unveröffentlicht), S. 4.
2 Rapp-Dütting, Hildegard: Chronik der Familie Dütting, 2. Ausgabe, 1952, S. 78.
3 Fritz, Hanna: Erinnerungen an Vater, Münster 1978 (unveröffentlicht), S. 33.
4 Fritz, Hanna: Erinnerungen an Vater, Münster 1978 (unveröffentlicht), S. 32.
5 Fritz, Hanna: Erinnerungen an Vater, Münster 1978 (unveröffentlicht), S. 43 f..
6 Fritz, Hanna: Erinnerungen an Vater, Münster 1978 (unveröffentlicht), S. 34.
7 Fritz, Johann Michael: Hanna Fritz - Aufzeichnungen aus dem Leben in Iburg 1842 bis 1945. In: Heimat-Jahrbuch "Osnabrücker Land 2012", S. 180 f..

Impressum / Kontakt / Datenschutzerklärung --- Inhaltsverzeichnis --- Zeitreise(n) durch Bad Iburg--- Landhaus Dütting