Zeitreise(n) durch Bad Iburg |
Beckerteichpforten-Rott - Häuser Nr. 13 / 14 (heute: Schloßstraße 16)
1834 entstand an Stelle der zwei Häuser Nr. 13 und 14 ein neues Haus "ganz aus Stein".
Plan vom 04. Dezember 1875 (rot eingekreist: Haus Nr. 13/14) |
Iburg Nr. 13
In dem Haus Iburg Nr. 13 war 1789 und auch zehn Jahre später Clara Maria Bitter (geb.: 1730, gest.: 14.12.1800), die Witwe des Chirurgen Joannes Henricus Bitter (getauft: 25.07.1734, beerdigt: 20.01.1785), gemeldet. Das Paar hatte fünf Kinder: Frans Engelbert Ferdinand, Catharina Elisabeth, Clara Elisabeth, Johan Henrich Anton und Maria Anna Josepha. Auch der Sohn Engelbert Bitter war später als Chirurg in Iburg tätig und wohnte und praktizierte wahrscheinlich ebenfalls im Hause Iburg Nr. 13; Engelbert Bitter verstarb am 17. Dezember 1804 in Iburg.
Iburg Nr. 14
Das Haus Nr. 14 war viele Jahre in
Besitz der Familie Vornholz: 1667 wird eine Witwe Vornholz
genannt, im Jahre 1697 der Hausvogt ("aulae praefectus")
Johann Caspar Vornholz. Dieser war mit Margaretha Catharina,
geborene Meyering, verheiratet; das Paar hatte acht Kinder.
Johann Caspar Vornholz verstarb am 2. November 1705 in Iburg.
Seine Ehefrau lebte noch viele Jahre in dem Haus.
1755 und 1760 wohnte dort der
Fleckensrichter und Küster Albert Bernhard Otto
Hoja, der am 24. August 1713 in Iburg getauft wurde.
Sein Vater Jacobus Henricus van der Hoya (getauft
am 4. August 1682), Küster und Notar in Iburg, wohnte mit seiner
Frau Joanna Elisabetha, geb. Sprickmann, und den vier Kindern im
Haus Iburg Nr. 43 (heute: Schloßstraße 2). Anfangs seiner
Tätigkeit als Fleckens-Richter war Albert Otto Hoja ebenfalls
unter dieser Anschrift gemeldet.
Jacobus Henricus van der Hoya wurde am 21. Juni 1731 in Iburg
beerdigt - seine Frau wurde am 24. März 1742 in Iburg beerdigt.
Am 19. September 1734 heiratete
Albert Otto Hoja die kinderlose Witwe Anna Christina Cruse, geb.
Elfen (geb.: 1708). Aus dieser Ehe gingen die Kinder Franciscus
Casparus Lambertus Everardus Hoya, geboren 1737, später Vikar an
St. Johann in Osnabrück und anschließend Pastor in
Schledehausen, die 1739 geborene Tochter Anna Barbara Hoya, die
unverheiratet blieb und später bei der Familie von ihrem
jüngsten Bruder in Ankum lebte, sowie der am 16. Dezember 1741
als jüngstes Kind geborene Conradus Ludovicus Antonius
hervor. Dieser besuchte zeitweise das Gymnasium Carolinum in
Osnabrück und bereitete sich anschließend in der väterlichen
Kanzlei und als Schreiber des Drosten und Gografen zu Iburg auf
eine Beamtenlaufbahn vor. Er war seit dem 23. April 1771 Vogt zu
Ankum und seit dem 19. Mai 1808 sowie seit Juni 1811 Maire (Bürgermeister
während der französischen Besatzungszeit) in Ankum - er wohnte
in Ankum auf der sogenannten "Litzenburg", dem
einstigen Wohnsitz der Freiin Felizitas von Boeselager.
Die Mutter Anna Christina wurde am 13. Februar 1782 in Iburg
beerdigt, ihr Mann Albert Otto wurde am 21. April 1782 in Iburg
beerdigt.
Conradus Ludovicus Antonius wurde noch 1789 und 1799 als Eigentümer des Hauses genannt. Im Jahr seiner zweiten Wahl zum Maire in Ankum hatte er neben seinen Besitzungen in Ankum in Iburg noch einige Grundstücke, Garten und Saatland in Besitz. Er hatte mit seiner Ehefrau Clara, geb. Eilers aus Dinklage, drei Söhne und fünf Töchter, die allesamt in Ankum geboren wurden.
Nach dem gemeinsamen ehelichen
Testament vom 16. Oktober 1800, erweitert durch umfangreiche
Dispositionen am 19. Dezember 1800, sollte der Sohn Bernhard (geb.:
18.10.1783) die Immobilien, das Haus und die Grundstücke in
Iburg erben.
Die Mutter Clara verstarb am 3. Januar 1802; Sohn Bernhard
verstarb am 2. Dezember 1811.
Eine Testamentsklausel besagte, dass der Überlebende allein
berechtigt war, das Testament abzuändern - dies erfolgte durch
Conrad Hoya am 1. Mai 1815. Nunmehr sollte der erst sechsjährige
Sohn von Bernhard Hoja und Enkel von Conrad Hoja, Bernard jun.,
die Immobilien, das Haus und die Grundstücke in Iburg erben.
Am 3. Oktober 1820 verstarb Conrad Hoya in Ankum im Alter von
fast 79 Jahren. Da es in der Folgezeit zu familiären
Erbstreitigkeiten kam, ist derzeit nicht bekannt, wer die
Immobilien in Iburg zugeschrieben bekam.
Hirsch-Apotheken
In den Iburger Klosterannalen des
Abtes Maurus Rost, veröffentlicht im Jahre 1681, berichtete
dieser über eine Apotheke des Osnabrücker Fürstbischofs, die
sich einst an der "Hirschseiten" befand. "Es
gehörte aber anfangs der erste Hof des jetzigen Schlosses und
das nach Norden gelegenen Gebäude, das an unser Brauhaus stößt
und heute Apotheke heißt, zum Kloster", so die Iburger
Klosterannalen. Die Apotheke wurde in einem Grundriss des
Schlosses aus dem Jahre 1591 erstmalig erwähnt. Mit den "Hirschseiten"
war der nördliche Schlossflügel gemeint, wo in einem Gatter
Hirsche gehalten wurden. Mit dem Weggang des fürstbischöflichen
Hofes im Jahre 1672 verschwand diese Apotheke.
Um 1750 versuchten die Apotheker Meyer und
Berge sowie die Apothekerin Luppe in Iburg eine Apotheke zu
unterhalten, scheiterten aber innerhalb von 20 Jahren.
Ein Apotheker namens Johann Friedrich Meyer (geb.: 18.10.1705,
gest.: 02.11.1765) übernahm 1737 die "Hirsch-Apotheke"
in Osnabrück (heute: Große Straße 46/47).
1772 eröffnete der Apotheker
Johan Wilhelm Klöntrup aus Glane, getauft am 18. August 1743 in
Hilter, eine "Hirsch-Apotheke" im Haus Iburg Nr. 70
("Wedekämpersches Haus", heute: Große Straße 6).
1784 erhielt er von der "Königlich Britannischen und
Hannoverschen Landdrostei" 1784 die Konzession zum Betreiben
dieser Apotheke.
In dem Haus wohnte um 1667 der Iburger
Bürgermeister Gilbert Vorbraken. Das Haus wurde 1927 abgerissen,
der hölzerne Bogen des Toreinganges sowie die drei Schnitzereien
(darunter ein ruhender Hirsch) wurden im neuen Haus wieder
eingefügt.
In einem Revisionsbericht aus dem Jahre
1802 war diese Apotheke "im eigentlichen Verstande als nicht
existent" anzusehen. Zudem warf man Klöntrup vor, dass es
an einfachsten Mitteln fehle, "... die jede Feldflur in
Mengen darbietet.". Nach diesem Revisionsbericht wurde die
Apotheke nicht mehr erwähnt und kann als geschlossen gelten.
Hirschdarstellung am "Wedekämperschen Haus" aus der Werkstatt von Adam Stenelt |
In Deutschland gibt es derzeit weit über 100 Hirsch-Apotheken. In der von Philipp Sigismund herausgegebenen "Iburger Arzneitaxe" von 1616 tauchen "Cervi priapi scobis" ("geschaben Hirschpisell"), "Cervi Cornutafurae" ("geschaben Hirschhorn"), "Cervi Cornu ulti" ("Gebrant Hirschhorn") und "Cervi Cornu ulti präparati" ("Zubereitet gebrant Hirschhorn") auf. Unter dem Stichwort "Hirsch" erläutert das 1753 in Leipzig erschienene "Allgemeines Oeconomisches Lexicon": "Das rothe Hirschhorn geraspelt in abgekochten Tränken und Aufgüssen eingenommen, widerstehet dem Gifft und aller Fäulung, erwecket Schweiß, stärcket den Lebens-Balsam, ist gar nützlich in Masern, Blattern, Fiebern und andern bösen gifftigen Kranckheiten. Das gebrannte Hirschhorn besänftiget das aufwallende Geblüte, stillet die Hitze, dämpffet die Säure, hemmet den Durchbruch, tödtet die Bauchwürmer." Krankheitsbekämpfend sollten auch u.a. Herz, Hirschmark und die Rute wirken. Worauf die Namensgebung der Iburger "Hirsch-Apotheke" begründet war ist nicht zu ermitteln - in China dient der Hirsch als Symbol für Langlebigkeit und Kraft.
Iburg Nr. 13/14
Am 24. Dezember 1801 war dem Apotheker Friedrich August Nettelhorst, verheiratet mit Johanna Francisca Charlotte, geborene Bierhacke, eine Apotheke an der heutigen Schloßstraße genehmigt worden. Es handelte sich wahrscheinlich um das Haus Iburg Nr. 13. Nettelhorst war vorher Privisor (in einer Apotheke angestellter staatlich anerkannter Apotheker) der "Schreiberschen Apotheke" in Melle (heute: Mühlenstraße 61) gewesen.
Wie aus einem Revisionsbericht hervorgeht war die Apotheke anfänglich sehr behelfsmäßig eingerichtet. Wenige Jahre später wurde sie jedoch in einem "... um vieles verbesserten Zustand ..." angetroffen.
Nicht nur Medikamente, sondern
auch Gifte wurden in der Apotheke verkauft.
Das mit dem Giftschein Nr. 9 verkaufte Mäuse-Gift wurde an den
"Doctor der Arzeney-Wissenschaft" Dr. med. Augustin
Joseph Lamby (geb.: Februar 1792, gest.: 25. August 1875 in Iburg
an Altersschwäche) verkauft.
Augustin Joseph Lamby wohnte zu dieser Zeit
mit seiner Ehefrau Lidia Charlotta, geb. Schmidtmann, und den
zwei Kindern (Sohn Anselm Ludwig Alfred folgte am 15.11.1829) im
1825 erbauten Haus "Freyenhagen" (Iburg Nr. 91, heute:
Rathausstraße 12).
No. 9 Ich, A. Lamby, med. Dr.
bezeuge hiermit von dem Apotheker |
||
Giftschein Nr. 9 aus dem Jahre 1827 | Transkription des Giftscheines Nr. 9 |
Ende 1829 kaufte Nettelhorst das Haus des Iburger Handelsmannes Ernst Maas, wahrscheinlich das Haus Iburg Nr. 14.
1834 entstand an Stelle der beiden Häuser Nr. 13 und Nr. 14 ein steinerner Neubau aus Sandsteinen des Dörenberges; während der Entstehung dieses Neubaus verstarb der Apotheker Nettelhorst.
Im Giebel des Hauses zeigt ein Schlussstein über dem Giebelfenster das Baujahr - darüber abgebildet ist jedoch kein Hirsch sondern ein Farnpaar.
Schlussstein am Giebel |
Der Sohn Daniel Ludwig
("Louis"), geboren am 15. Juni 1810 in Iburg, durfte
nicht sofort die verwaiste Apotheker als Administrator
übernehmen, da er noch nicht das Mindestalter von 25 Jahren
erreicht hatte - erst 1812 wurde ihm die Konzession zum Führen
der Apotheke erteilt.
Die Mutter Johanna Francisca Charlotte blieb bis zu ihrem Tode
1846 Eigentümerin.
Im Jahre 1848 wurde in Lienen eine Apotheke eröffnet, 1854 wurde die Glandorfer Apotheke, die 1830 von seinem Vater Friedrich August Nettelhorst gegründet wurde, selbständig: die Glandorfer Filialapotheke wurde an den Administrator Ernst Götting verkauft und zu einer selbständigen Apotheke erhoben. Dies hat der Iburger Apotheke großen Schaden zugefügt (zu diesem Zeitpunkt gab es in Iburg 153 Wohnungen und 991 Einwohner). Aus diesem Grunde verkaufte Louis Nettelhorst die Apotheke 1854 an den Apotheker Maximilian Friedrich Heinemann aus Himmelsthür (heute: Hildesheim) für "15.822 Taler courant" (= Reichstaler). Dieser war mit Johanne Sophie Wilhelmine, geborene Siedenburg, verheiratet; das Paar bekam den in Iburg geborenen Sohn Heinrich Anton Carl Ferdinand (geb.: 04.10.1855).
1850 gehörte Louis Nettelhorst zu den Gründungsmitgliedern des Kegelclubs "Trauerlinde", 1856 war Louis Ratsherr im Flecken Iburg, 1857 erschoss er sich in Iburg - im evangelischen Kirschenbuch ist dazu nachzulesen: "Er wurde um 1 Uhr früh ohne Teilnahme der Kirche zu Grabe getragen."
1855 gewährte Friedrich Heinemann auf seine Rechnungen "25% Rabatt (...) für kranke Hüttenarbeiter zu Beckerode". 1864 eröffnete Heinemann eine Filiale in Georgsmarienhütte.
Bereits 1867 verkaufte dieser das
Anwesen an den Apotheker Adolf Hesselbach aus Dorum (heute:
Wurster Nordseeküste), der bis 1870 die Apotheke weiter betrieb.
Die Familie betrieb später in Osnabrück ein Aussteuergeschäft
(heute: Große Straße).
Die Apotheke galt aufgrund der geringen Iburger Einwohnerzahl, es
gab zu diesem Zeitpunkt im Flecken Iburg 158 Wohungen und 986
Einwohner, stets als existenzgefährdent.
Friedrich Schlotheuber |
Am 22. Oktober 1870 kaufte der
Apotheker Friedrich ("Fritz") Wilhelm
Schlotheuber (geb.: 21.10.1831 in Flegessen bei Bad Münder) aus
Duingen (heute: Samtgemeinde Leinebergland) das Anwesen mit der
Apotheke.
Der Vater Johann Heinrich Friedrich
Schlotheuber (geb.: 30.07.1789) war seit Mai 1821 Pastor an der
St.-Petri-Kirche in Flegessen (heute: Ortsteil von Bad Münder am
Deister) und begeisterter Bryologe. Sein umfangreiches Herbar mit
Moosen aus dem Süntel und dem Ith wurde nach seinem Tod am 12.
Januar 1866 von König Georg V. aufgekauft und dem königlichen
"Welfenmuseum", dem späteren Provinzialmuseum in
Hannover bzw. dem heutigen Niedersächsischen Landesmuseum
Hannover, vermacht.
Friedrich war seit dem 12. April 1825 mit Elisabeth Dorothea
Ferdinandine Hinterthür (geb.: 03.01.1805, gest.: 02.09.1865)
verheiratet; er verstarb am 12.01.1866.
Friedrich Schlotheuber wurde am 17.
Mai 1871 als Apotheker vor dem "Königlich-Preußischen Amt
Iburg" vereidigt; seine Ausbildung fand bei Adolf Andrée in
Münder (heute: Bad Münder; Adler-Apotheke) statt. Anschließend
arbeitete er die vorgeschriebenen fünf Jahre als Gehilfe in
Göttingen und Hannover. Nach dem dreisemestrigen Studium in
Göttingen beschloss er seine Ausbildung mit der
Abschlussprüfung in Hannover.
Schlotheuber arbeitete dann für 10 Jahre in der "Adler-Apotheke"
in Duingen.
Geschehen Amt Iburg, am 17. Mai
1871 Erscheint auf Ladung |
||
Abschrift der Original-Vereidigung vom 17.05.1871 | Transkription der Vereidigung |
Er heiratete Marie Brömstrup (geb.: 27.10.1843) aus Osnabrück.
Das Paar hatte drei Kinder - der älteste Sohn Heinrich (geb.: 24.01.1867) wanderte mit 20 Jahren nach Amerika aus. Er war Kunstmaler und heiratete nach seiner ersten Rückkehr Alma Kriege (geb.: 1878) aus Lienen. "Henry", wie er sich in Amerika nannte, war dort später "scenic artist" (Bühnenbildner), kehrte aber immer wieder zu Besuchen nach Deutschland zurück. So fuhr er 1910 mit dem Kombischiff "Main" und seiner Ehefrau von Bremen nach New York. Mit seiner Ehefrau und der zweijährigen Tochter Alma (geb.: 1911) ging es im April 1913 mit dem Dampfer "Barbarossa" von Bremen nach Amerika (Jamaica, New York), ebenfalls fuhr er im September 1925 mit Ehefrau und Tochter mit dem Dampfschiff "Westphalia" von Hamburg nach New York. Anfang Oktober 1937 fuhr er mit dem Dampfschiff "Hamburg 2" von Hamburg wieder nach New York. In Amerika wohnte er in den Richmond Hills im südwestlichen Teil des Bezirks Queens in New York, später wohnte er in mitten im Stadtbezirk Queens (Jamaica Estates, 22 Croydon Road). Henry Schlotheuber starb am 21. Februar 1939 in New York.
Friedrichs Ehefrau Marie und Tochter Anna, verheiratete Sievers, zogen später in das von Julius Schlotheuber erbaute "Haus Eckstein" an der Rennbahn (Rennbahn 22, heute: Charlottenburger Ring 22).
Karte der Apotheke |
1900 übernahm Sohn Julius, am 2.
November 1869 noch in Duingen geboren, die Apotheke - im gleichen
Jahr wurde ein Botendienst nach Hagen a.T.W. eingerichtet.
Julius Schlotheuber besuchte das Realgymnasium in Osnabrück.
Seine Lehre verbrachte er in einer Apotheke in Ebstorf (heute:
Bevensen-Ebstorf), seine "Apothekergehülfenprüfung"
legte er 1890 in Lüneburg ab. In den Folgejahren war er in
mehreren Apotheken, darunter in Freiburg im Breisgau, tätig. Im
Frühjahr 1895 legte er nach dreisemestrigem Studium sein
pharmazeutisches Examen in Münster mit "sehr gut" ab.
Nach einem freiwilligen einjährigen Militärdienst im
Garnisonslazarett in Berlin arbeitete er als Assistent bei dem
deutschen Chemiker Prof. Hermann Emil Fischer an der
Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität (heute: Humboldt-Universität).
Emil Fischer erhielt für seine Arbeiten
über die Chemie der Zucker und der Purine im Jahr 1902 den
Nobelpreis für Chemie.
Julius Schlotheuber |
Im Frühjahr 1897 teilte sein
Vater Friedrich mit, dass er aus Altersgründen die Apotheke
nicht länger allein führen könne - und so reiste Julius "schweren
Herzens" nach Hause und half seinem Vater. Im Jahre 1900
übernahm Julius die alleinige Verantwortung für die Apotheke.
Zu dieser Zeit wurden noch viele Pflanzen selbst gepflückt und
im Dachgeschoss auf großen Netzen zu Tees getrocknet. Im Garten
wuchsen Himbeeren, aus denen, verbessert durch Waldhimbeeren, ein
Himbeersirup zur Geschmacksverbesserung der Arzneien hergestellt
wurde. In einem gut eingerichteten Labor wurden Extrakte
angefertigt, so mit der im Freeden wachsenden Tollkirsche, die zu
"extractum belladonnae" zur Anwendung gegen
krampfartige Magenbeschwerden verarbeitet wurde und das man an
pharmazeutische Großhandlungen lieferte.
Die Patienten bekamen die
Medikamente über einen Schalter im Eingangsflur verabreicht.
Als man die Offizin (Verkaufsraum) dem Publikum zugänglich
machte und die teils heute noch verwendete Eicheneinrichtung
einbaute, kam an die Tür ein Emailleschild mit der Aufforderung
"Apotheke, herein ohne anklopfen".
Neben der allopathischen wurde eine homöopathische Abteilung
eingerichtet.
Vor dem Hause befand sich jahrzehntelang eine Schwengelpumpe für die Bewohner Iburgs.
Schwengelpumpe vor der "Hirsch-Apotheke", um 1900 |
Julius Schlotheuber hatte ein Faible für die Geologie - noch vorhandene Geologie-Bücher und ein "Geologenhämmerchen" zeugen von seinem großen Hobby.
Mitte Januar / Anfang Februar 1904
schrieb Julius Schlotheuber an den angehenden Geologen Karl
Andrée (geb.: 10.03.1880, gest.: 18.08.1959), zu dem ein
freundschaftliches Verhältnis bestand, da der Vater von Julius
seine Apothekerausbildung im Hause des Vaters von Karl gemacht
hatte:
"Lieber Herr Andrée.
Und endlich hat er doch den Dreh gefunden, werden Sie beim
Anblick des Briefes ausrufen. Doch Sie wissen, daß ich gerne
eine Arbeit vollende, ehe ich an eine andere gehe.
Glücklicherweise bin ich mit den Rechnungen schreiben fertig und
es geht an die Privatangelegenheiten. Sie sind der erste, welcher
einen Brief erhält.
(...) Recht freute ich mich über ihre zufriedenen Briefe; die
Eltern und ich hören gern von Ihnen, mit welchem Erfolg Sie in
Göttingen arbeiten. Die Examensverzögerung macht ja wenig für
Sie aus. Von Koenen [Dozent der Geologie] wird hier ohne große
Erdarbeiten keine wesentlichen Neuentdeckungen machen.
Die Steinbruchsarbeiter halte ich kräftig zum Sammeln an. Bei
trockenem Wetter sollen sie mir die Versteinerungen zutragen; ich
schicke sie dann umgehend nach Göttingen. Zuletzt war ich mit
dem Assessor Lamby und Referendar Scheekl vor Weihnachten in dem
Dörenberg's Steinbruch. Unter dem hohen Schnee konnten wir die
Versteinerungen nicht beweisen. Leider hatten die Arbeiter sie
nicht in die Schutzhütte gebracht.
Die Familie Schlotheuber lebt nach alter Art weiter, bis jetzt
kamen wir gut durch den Winter. Weihnachten waren die Wittmunder
wieder hier, wir verlebten recht fidele Tage zusammen. Abends
ließen wir uns häufig von dem Gramophon (im Werte von 200 M),
welches ich in einer Wohltätigkeitslotterie gewann, die feinsten
Musikstücke, Singen und Reden vorführen. Sie werden bei Ihrem
Hiersein auf Freude daran haben. (...)"
Am 27. Juli 1904 unterzog sich
Karl Andrée in der Aula der Universität Göttingen der
mündlichen Doktorprüfung - das Dissertationsthema lautete
"Der Teutoburger Wald bei Iburg".
Natürlich ließ es sich Karl Andrée nicht nehmen seinem Freund
Julius Schlotheuber die von Louis Hofer in Göttingen
herausgegebene Dissertation mit persönlicher Widmung
zuzuschicken.
Widmung "Herrn Apotheker Jul[ius] Schlotheuber
in Iburg mit besten Grüßen der Verf[asser] |
Im Jahre 1999 habe ich die Mineralien- und Fossiliensammlung von Julius Schlotheuber, gesammelt um 1904, übereignet bekommen - diese befindet sich seitdem für wissenschaftliche Zwecke in meinem heimatkundlichen Archiv.
Postkarte, um 1905 | Postkarte, um 1905, nachträglich mit "Schnee" versehen und den Strommasten entfernt |
Friedrich Wilhelm Schlotheuber verstarb am 3. Februar 1908.
Als um 1900 in Hagen a.T.W. der erste Arzt seine Tätigkeit aufnahm, richtete Julius Schlotheuber einen täglichen Botendienst nach Hagen ein. Dieser bestand bis 1933 - ab diesem Zeitpunkt entstand in Hagen eine Zweigstelle und im Jahre 1950 die "Martinus-Apotheke" als Filiale der Iburger "Hirsch-Apotheke". Die "Martinus-Apotheke" (heute: Dorfstraße 9) wurde 1957 auf Anordnung des Regierungspräsidenten von Osnabrück selbständig.
Auch nach Laer (heute: Bad Laer) existierte ein Botendienst mit Beförderung durch die Teutoburger-Wald-Eisenbahn.
"Hirsch-Apotheke", um 1910 | "Hirsch-Apotheke", um 1910 |
Zu Beginn des 1. Weltkrieges wurde
der in der Apotheke tätige Provisor Ernst eingezogen.
Aus der Zeit des 1. Weltkrieges ist überliefert: "Da die
Bauern erst nach der Feldarbeit zur Apotheke kamen, konnte der
Apotheker sein Haus am besten in den frühen Nachmittagsstunden
verlassen. Kam in dieser Zeit aber doch ein eiliger Kunde, so
hängte die langjährige Magd Franziska Klekamp ein großes
weißes Tuch aus dem oberen Bodenfenster, und der Spaziergänger,
der seine Wege so gewählt hatte, daß er das Fenster im Auge
behielt, kehrte dann schnellen Schrittes zurück."
1916 heiratete Julius Schlotheuber
Charlotte Alphéus (geb.: 17.07.1892) aus Iburg.
Ende 1916 wurde das Haus von Grund auf renoviert, das
Kellergewölbe geöffnet sowie das erste Stockwerk eingerichtet.
In kurzer Zeit kamen vier Kinder zur Welt.
Charlotte und Julius beim Studium der Zeitschrift "Innendekoration", 1916 |
Die Anschrift lautete "Nr. 10.11", telefonisch waren Schlotheuber unter 214 erreichbar.
Gewerbliche Anzeige, 1935 aus: HÜLSEMANN, Robert: Luftkurort Iburg |
Am 13. Februar 1936 verstarb Julius Schlotheuber; zu dieser Zeit waren noch alle vier Kinder in der Schule.
Gewerbliche Anzeige, 1937 aus: HÜLSEMANN, Robert: Winke und Wegweiser für die Besucher Iburgs |
Die Apotheke wurde von den Apothekern Ferdinand Meyhöfener, Drewes, Frau Stuczynski und Frau Klussmann, geb. Kremer, verwaltet, da diese als "Notstandsapotheke" nicht verpachtbar war - eine Apotheke, die zwar wichtig war, aber nicht alle Anforderungen einer Apotheke erfüllte.
Nachdem 1946 der Sohn Jürgen (geb.: 17.07.1917) nach einer schweren Kriegserkrankung sein Studium nicht abschließen konnte, wurde die Apotheke für zwei Jahre an Frau Klussmann verpachtet.
Am 1. Juli 1948 übernahm die dritte Tochter von Julius Schlotheuber, Lieselotte ("Lilo") Schlotheuber, die Apotheke.
Frau Wolff, Frieda Seeser, Lieselotte Schlotheuber (von links nach rechts), um 1950 | Lieselotte Schlotheuber, um 1950 |
Lieselotte wurde in Münster als
Apothekerin ausgebildet; sie heiratete 1954 Otto Wilkens und zog
nach Stelle (Landkreis Harburg), wo sie die "Rosen-Apotheke"
eröffnete.
Die Tochter Gisela Schlotheuber (geb.: 31.03.1919)
war als Gymnastik- und Englischlehrerin an der Deutschen
Heimschule Schloss Iburg sowie anschließend an der
Niedersächsischen Heimschule tätig; sie wohnte im "Haus
Eckstein". Gisela war bis zur Pensionierung im Schuldienst
tätig, zuletzt in Diepholz; sie verstarb am 14.01.2001.
Der Sohn Erhard Schlotheuber wurde am 5. April 1922 geboren - er
verstarb als Leutnant der Reserve im August 1943 am Ladogasee (Nordwestrussland);
sein Medizinstudium konnte er nicht mehr zu Ende bringen.
Die Anschrift lautete "Schloßstraße 16".
1953 wurde abermals das Gewölbe geöffnet.
Am 1. Februar 1955 übernahm Sohn
Jürgen, zuerst als Pächter seiner Mutter Charlotte und ab 1962
als Inhaber, die Apotheke.
Jürgen legte nach dem Besuch des Osnabrücker Ratsgymnasiums,
nach Arbeitsdienstzeit, einem siebenjährigen Wehrdienst und
einem Studium in Freiburg, Marburg und Münster 1952 sein
Staatsexamen ab. Im Dezember 1953 konnte er seine Approbation als
Apotheker in Empfang nehmen.
1954 heiratete Jürgen Schlotheuber die Apothekerassistentin Renate Anna Emilie Enke (geb.: 08.06.1926) aus Freiburg im Breisgau.
Jürgen Schlotheuber |
Im Jahr 1955 wurde eine
selbständige "neuform"-Diätabteilung angeschlossen (heute:
Handelsverbund Reformhaus e.G.) - dafür erwarb Jürgen
Schlotheuber ein Fachdiplom.
Er begleitete auch intensiv und engagiert die Entwicklung Iburgs
zum Kneippkurort - Jürgen Schlotheuber war 1951
Gründungsmitglied des Kneipp-Vereins Iburg.
"Apotheke Schlotheuber" mit Sparkasse Iburg (links) und Gasthaus Ludwig Bitter (mittig links) |
Gewerbliche Anzeige, 1962 aus: Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des Vereins für Leibesübungen e.V. Iburg |
Seife als Werbeprodukt |
In den Folgejahren bekam das
Apothekerpaar vier Kinder: Hans, Charlotte, Eva und Almuth.
Charlotte Schlotheuber ist freie
Künstlerin und Diplom-Pädagogin - sie wohnt in Tübingen.
Eva Schlotheuber (geb.: 25.10.1959) lehrt nach einer Professur
für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Münster (2007
- 2010) nunmehr an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Sie wurde 2016 Vorsitzende des Verbandes der Historiker und
Historikerinnen Deutschlands.
Die jüngste Tochter Almuth ist in Flensburg als Frauenärztin
tätig.
Gartenansicht, 1965 | Exlibris "Blick vom Garten auf die Apotheke" von Julius Schlotheuber |
Später wurde die Offizin um den Eingangsflur erweitert und mit neuen Kulissenschränken und dem "System Meess", einem Kärtchen-Bestell-System, ausgerüstet. Mit geringfügiger Umrüstung konnte später die elektronische Warenbestellung eingeführt werden.
"Hirsch-Apotheke", 1971 |
1972 plante Familie Schlotheuber an der Beckerteichpforte einen Neubau mit Ladenstraße und Eigentumswohnungen.
Planungsentwurf des Neubaus, 1972 |
Baumaßnahmen an der Beckerteichpforte, 1972 |
Die "neuform"-Diätabteilung zog 1973 als Reformhaus in die Beckerteichpforte um (Beckerteichpforte 2).
Apotheker Jürgen Schlotheuber starb am 7. November 1986; seine Frau führte noch bis Dezember 1990 das angrenzende Reformhaus weiter.
Sohn Hans Schlotheuber übernahm
am 1. Januar 1986 mit seiner Ehefrau, der Apothekerin Regina
Schlotheuber, geborene Scheffler, in vierter Generation die
"Hirsch-Apotheke".
Hans Schlotheuber studierte in Berlin, approbierte dort 1983 und
war ebenfalls in Berlin in verschiedenen Apotheken als Apotheker
tätig. Das Ehepaar hat drei Kinder.
Hans Schlotheuber gehörte am 15. Mai 2008
zum Gründungsvorstand des Fördervereins der Ev.-luth.
Kirchengemeinde Bad Iburg an, ist Vorsitzender des Vereins "Christopherus-Heim
e.V.", er war 2015/2016 Präsident des Lions-Clubs
Georgsmarienhütte, stellvertretender Vorsitzender im "Verein
Iburger Schloßkonzerte", im Vorstand des Vereins "Historisches
Iburg" und bis 2018 Vorsitzender der "Teuto Tour e.V.".
Regina Schlotheuber eröffnete am 24. April 1997 die "Mühlentor-Apotheke".
Hans Schlotheuber |
Im August 2010 wurden, um die Fußböden zu erneuern, erneut die Kellergewölbe geöffnet.
Am 11. Februar 2013 verstarb
Renate Schlotheuber.
Renate Schlotheuber war von 1972 bis 1996
Ratsfrau im Bad Iburger Stadtrat - die Erforschung der
Heimatkunde und der Flora war ihr ein großes Anliegen.
Auch das Emblem der Apotheke, der Hirsch, durchlief im Laufe der Zeit vielfache Veränderungen:
Zum 01.01.2022 übernahm Verena Stolle die Apotheke als neue Inhaberin.
Für zahlreiche Hinweise und Fotografien danke ich Hans Schlotheuber (Bad Iburg) - weitere Informationen finden sich in den Heften "Iburger Apothekengeschichte" von Jürgen und Renate Schlotheuber aus dem Jahre 1971 sowie "1871 - 1996 Hirsch-Apotheke Bad Iburg" von Hans Schlotheuber!
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