Zeitreise(n) durch Bad Iburg |
Wulffhagen - ein ehemaliger Wolfsgarten?
1. Örtlichkeit
Am südlichen Dörenberg, dicht südlich am
Koken-Sandsteinbruch, befindet sich die Kolbach-Quelle (Koordinaten
(WSG 84): 52,17295 N; 8,04525 E).
In den Klosterannalen des Abtes Maurus Rost ist unter dem Jahr
1518 zu lesen: " ... quae Wulffhagesche Welle dicebatur
..."1 (Wulffhagesche Quelle genannt).
Diese Quelle war Ausgangspunkt einer vom Prior Johann Frerking (gest.:
1549) im Jahre 1518 erbauten Wasserleitung vom Dörenberg zum
Schloss und Kloster Iburg.
Im Protokollbuch des Maurus Rost aus dem Jahr 1687 lautete die
Erklärung zur Wasserleitung:
"A. Ist der Ursprung der Wolffhagischen Wellen am Dörenberg".2
Die Kolbach-Quelle wurde somit früher als Wulffhagesche Quelle bezeichnet - sie ist auch unter den Namen "Hermanns-Quelle" und "Dörenberg-Quelle" bekannt.
Lage der Wulffhageschen Quelle Meßtischblatt 2079: Iburg, Königl. Preuss. Landes-Aufnahme 1895, herausgegeben 1897 |
2. Namensdeutung
Das niederdeutsche Wort "Wulff"
heisst übersetzt "Wolf".3
Wolf bezeichnet zum einen das Raubtier Wolf (Canis lupis) aus der
Familie der Canidae (Hunde), zum anderen wurde aber auch in der
Gegend von Iburg mundartlich das Wollgras (Eriophorum) zur
Fruchtzeit als "Wulf" und "Wülfkes"
bezeichnet4 (in Anlehnung an die langen
Blütenhüllfäden der Früchte, die wie Wattebäusche aussehen
und an das Fell des Tieres erinnern).
Wollgras (Eriophorum) besiedelt vorwiegend
Moorstandorte - in der Umgebung von Bad Iburg wurden größere
Wollgrasstandorte in einem Bachsumpf in Lienen, im Sudendorfer
Vennepohl und in den alten Torfstichen in Schwege bei Glandorf
nachgewiesen.
Aufgrund der Bodenbeschaffenheit war bzw. ist der Dörenberg kein
typischer Standort für Wollgras - zudem tauchte der Name Wulf
bzw. Wülfkes für Wollgras erst Mitte des 18. Jahrhunderts auf.5
Die natürliche Vegetation des Dörenberges bestand um das Jahr
1060 aus reinen oder fast reinen Buchenwäldern.6
Somit ist die Herkunft des Namens "Wulff"
auf den tierischen "Europäischen Grauwolf" (Canis
lupus lupus) zurückzuführen.
Das Territorium eines Wolfes beträgt durchschnittlich 200 km2,
seine Streifzüge betragen im Durchschnitt zwischen 45 km und 60
km - damit war sein Vorkommen auf einen größeren
Landschaftsraum ausgelegt und nicht nur regional auf Iburg.
Europäischer Grauwolf (Canis lupus lupus) |
Das Wort "Hagen" geht auf das
mittelniederdeutsche "Hagen" zurück und bedeutet u.a.
"die Umzäunung eines Waldes, worin Wild gehegt wird".7
Das mittelhochdeutsche Wort "hegen" bedeutet im engeren
Sinne aufmerksam schützen.
Vor diesen Hintergründen war der "Wulffhagen"
ein Wolfsgarten, in dem Wölfe gefangen genommen und ausgerottet
werden sollten. "Ihre Einrichtung war zwar verschieden, im
Allgemeinen aber waren es von starken Palisaden umschlossene
Plätze, in deren Inneres mehrere Fallthüren führten. In der
Mitte befand sich in einem in der Regel abgesonderten Behälter
der Pfosch [Futter der wilden Tiere] zur Anreizung der Wölfe,
welcher entweder aus einem Stück gefallenen Viehs oder auch wohl
aus einem lebendigen Schafe bestand."8
Im "Handbuch für praktische Forst- und Jagdkunde"
stand: "Auf eine andere Art wird ein Wolfsgarten in einem
dicken Walde angelegt, indem entweder ein Zaun, oder eine Wand
mit Brettern um einen freien rein abgeholzten Platz gemacht wird,
um welchen aber rings herum Holz steht. (...) Dieser Garten wird
viereckigt, eine jede Wand kann bis 150 Schritte [ca. 117 m] lang
werden, ...".9
12. Kapitel: Wolffs Jagt. Wie man die Wölff in
Wolffsgruben fällen und mit andern Instrumenten fangen soll aus: Jacques Du Fouilloux: New Jägerbuch, 1590. |
3. Wolfsgarten
Der Dörenberg war einst Grundbesitz des Iburger Klosters, für das nach der Säkularisation im Jahre 1802 ab 1814 das Oberforstamt Iburg zuständig war - nach der Annektion des Königreichs Hannover durch Preußen 1866 wurden die landesherrlichen Wälder von der preußischen Staatsforstverwaltung übernommen. Im Rahmen der gleichzeitigen Umorganisation wurde die Oberförsterei Iburg in Palsterkamp umbenannt (ab 2005: Niedersächsische Landesforsten, Forstamt Ankum).10
Die Einrichtung von Wolfsgärten war Bestandteil der forstlichen Obrigkeit.11
Die Wolfsgärten und -gruben entstanden oftmals zu Ende des 15. oder in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.
4. Wölfe und deren Jagd
Wölfe waren bis ins Mittelalter (6. bis 15. Jahrhundert) im waldreichen Osnabrücker Land verhältnismäßig häufig.12
Eine erste nachweisliche Wolfsjagd im Lienener Berg fand am 22. Juni 1472 statt.13
Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges (1648) zeigten sich große Wolfsrudel - Zucht und Ordnung hatten während des Dreißigjährigen Krieges stark gelitten und die Beamten hatten andere Sorgen als sich um die Bekämpfung von Wölfen zu kümmern: daher wurden nach den Kriegswirren umfangreiche Wolfsjagden im Fürstentum Osnabrück angeordnet - an ihnen mussten auch die pflichtigen Bewohner des Amtes Iburg (Borgloh, Dissen, Glandorf, Glane, Hagen, Hilter, Iburg, Laer und Oesede) teilnehmen.14
Im Jahre 1662 gab es um Osnabrück eine
regelrechte Wolfsplage.15
"Insonderheit machte die Menge der Wölfe in älteren Zeiten
die Anlegung von Wolfsgärten und Gruben und Anstellung
besonderer Wolfsjagden, zu denen in der Regel jeder Unterthan
sich einfinden mußte, und vorzügliche Belohnung für Erlegung
eines Wolfes nothwendig."16
Die Wolfsjagden führten regelmäßig zu Beschwerden der
Unterthanen: wer unentschuldigt bei einer Wolfsjagd ausblieb
wurde mit harten Strafen belegt.
Um 1665 betrug die Belohnung für einen gefangenen und abgelieferten jungen Wolf einen Thaler, während der Preis für alte Wölfe mit vier Thalern festgelegt war.12
Vor dem Huntebruch, zwischen Hunteburg und
Damme, wurde am 23. April 1781 während einer großen Wolfsjagd
der letzte nachgewiesene Wolf im Fürstentum Osnabrück erlegt -
Wolfssichtungen gab es jedoch noch 1786 und 1799.12
1795 wurde der letzte Wolf in
Ostfriesland erlegt, 1798 der letzte Wolf im Brockengebiet und
1835 der letzte Wolf im Münsterland bei Herborn. Der auf dem
Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland letzte Wolf,
genannt "Tiger von Sabrodt", des vergangenen
Jahrhunderts wurde am 27. Februar 1904 in der Lausitz (Sachsen)
erlegt.17
Ende des 17. Jahrhunderts war in Iburg der um
1635 geborene Gabriel Kock (gest.: 18.08.1715) Klosterjäger (und
Organist) - er war mit Anna Margaretha Gerkinck verheiratet und
hatte sieben Kinder. Ein weiterer Jäger des Klosters war um 1792
der 1770 geborene Anselmus Piepmeyer (gest.: 24.08.1796),
verheiratet mit Maria Anna Middendorf; das Ehepaar hatte drei
Kinder, sowie Friderich Römer, geboren um 1757 und am 21.
Februar 1797 verstorben.
Henricus Coesfeld, geboren um 1745 und verstorben im Juni 1785,
war ebenfalls Klosterjäger ("Venator Abbatiae") in
Iburg - er war mit Clara Maria Nülle verheiratet und hatte vier
Kinder. Ebenfalls war Joannes Bernardus Heiden, geboren im Juli
1712 und verstorben im März 1785, Klosterjäger ("Venator
Monasterii") - er war mit Anna Christina Maria Schwenger
verheiratet und hatte ebenfalls vier Kinder.18
Der am 30. März 1755 in Glane geborene Jurist,
Sprach- und Heimatforscher Johann Aegidius Rosemann genannt
Klöntrup (gest.: 25.04.1830 in Lechterke, heute: Ortsteil von
Badbergen) vermerkte in seinem Buch "Alphabetisches Handbuch
der besonderen Rechte und Gewohnheiten des Hochstifts Osnabrück
mit Rücksicht auf die benachbarten westfälischen Provinzen"
aus dem Jahre 1800 unter dem Begriff "Wolfsjagd"
folgenden Eintrag:
"Da sich in unsern Gegenden nur sehr selten Wölfe sehen
lassen, haben die Wolfsjagden aufgehört eine Beschwerde der
gemeinen Unterthanen zu seyn."19
Unmittelbar hinter der heutigen
niedersächsischen Grenze auf dem Langenberg in Lienen lautete
ein Flurname "Wolfslieth" (Lieth ist ein waldiger
Bergabhang).1
In Hagen a.T.W. lautet eine alte
Flurbezeichnung "Wolfshagen" (Ortsmitte) und "Unter
den Wolfsbäumen".20
Die in den fürstbischöflichen und klösterlichen Grenzsteinen eingemeißelten Wolfsangel-Symbole waren ein Waldhoheitszeichen, mit denen die Besitzer ihre Forst- und Jagdgrenzen markierten (siehe auch: Joachim Vogelpohl: Grenzsteine erzählen Iburger Geschichte(n), 2014).
Leider gibt es - soweit mir bekannt - keine archivalischen Nachrichten über den beschriebenen Wolfsgarten - eventuell kann dieses jagdhistorische Denkmal später durch das Digitale Geländemodell (DGM) dieser Gegend nachgewiesen werden.
Übrigens: Die Namensgebung "Fuchsbreite" und "Voßegge" (Voß ist der niederdeutsche Name für Fuchs) in Iburg beruhten auf das Vorkommen von Füchsen.
1 Maurus Rost: Die Iburger
Klosterannalen. In: Historischer Verein zu Osnabrück (Hrsg.):
Osnabrücker Geschichtsquellen. Band III. Osnabrück 1895.
2 Wilhelm Jänecke: Die Baugeschichte des Schlosses
Iburg, 1909.
3 Dr. Christof Spannhoff: Das Geheimnis des Wullbrinks
in Lienen. In: Regionalgeschichte des Tecklenburger Landes, Blog
unter https://christofspannhoff.wordpress.com/ (abgerufen am 26.05.2021).
4 Joseph Tiesmeyer: Die Pflanzen im Volksmunde des
Osnabrücker Landes. In: Westfälischer Provinzialverein für
Wissenschaft und Kunst (Hrsg.): Jahresbericht des Westfälischen
Provinzialvereins für Wissenschaft und Kunst, 1916/1917.
5 Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa,
1967.
6 Andreas Mölder: Eine hochmittelalterliche
Bischofsvita als wertvolle Quelle zur Wald- und
Vegetationsgeschichte - Die "Vita Bennonis" des Norbert
von Iburg. In: Forstarchiv 80, 2009.
7 Jacob & Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch,
1868.
8 Georg Landau: Beiträge zur Geschichte der Jagd und
der Falknerei in Deutschland, 1849.
9 Gesellschaft Forstmänner und Jäger (Hrsg.):
Handbuch für praktische Forst- und Jagdkunde, in alphabetischer
Ordnung, 1797.
10 Andreas Mölder, Uwe Aegerter u. Rainer Städing:
250 Jahre Forstverwaltung im Osnabrücker Land. In: Heimat-Jahrbuch
"Osnabrücker Land 2016", 2015.
11 Christian Ludwig Stieglitz: Geschichtliche
Darstellung der Eigenthumsverhältnisse an Wald und Jagd in
Deutschland von den ältesten Zeiten bis zur Ausbildung der
Landeshoheit, 1832.
12 Karl-Heinz Kloester: Die letzten Wölfe im
Fürstentum Osnabrück.
13 Christof Spannhoff: Der Graf verzichtet auf
Ansprüche. In: Westfälische Nachrichten, 10.06.2020.
14 Heinrich Westerfeld: Beiträge zur Geschichte und
Volkskunde des Osnabrücker Landes, 1934.
15 Allgemeiner Harz-Berg-Kalender, 1991 - 1996.
16 W. G. Von der Heyde: Repertorium der Polizeigesetze
und Verordnungen in den Königlich Preußischen Staaten, 3. Theil,
1820.
17 Ernst-Otto Pieper: Historisches vom Wolf in
Norddeutschland, https://www.wildhueter-st-hubertus.de/historisches-vom-wolf-in-norddeutschland
(abgerufen am 26.05.2021).
18 Arbeitskreis Familienforschung Osnabrück e.V. (Hrsg.):
Ortsfamilienbuch Iburg 1650 - 1875, 2012.
19 Johann Aegidius Klöntrup: Alphabetisches Handbuch
der besonderen Rechte und Gewohnheiten des Hochstifts Osnabrück
mit Rücksicht auf die benachbarten westfälischen Provinzen,
1800.
20 Rottmann, Rainer: Aufruf zur Wolfsjagd in Hagen. In:
Heimat-Jahrbuch "Osnabrücker Land 2006", 2005.
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