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Gertrudenberg (Osnabrück) |
Hüggel (Hagen a.T.W. / Hasbergen) |
Hüls (Hilter a.T.W.) |
Meteorit "Oesede" |
Künstliche Höhlensysteme im Gertrudenberg - das "Gertrudenberger Loch"
von
Horst Grebing
"Wiederholt haben sich interessierte Höhlenforscher darum bemüht, den Wahrheitsgehalt der Höhlengerüchte zu erforschen. Wiederholt wurde in die unterirdischen Gänge vorgestoßen. Dann aber gerieten die meist erfolglosen Bemühungen wieder in Vergessenheit." (Neue Osnabrücker Zeitung, 21.03.1975)
1) Allgemeines
Der Gertrudenberg, eine 97,3 m hohe Erhebung nördlich der Altstadt von Osnabrück, verbirgt in seinem Untergrund zahlreiche unterirdische Höhlengänge.
Geologische Situation (eingezeichnet in die Königl.
Preußische Landes-Aufnahme, Blatt Osnabrück, Aufnahme: 1895.
Quelle: Auszug aus den Geobasisdaten der Niedersächsischen
Vermessungs- und Katasterverwaltung,
© 2005 .)
Am "Tage nach den Aposteln Philipp und Jakob" [12. Mai] 1333 erwähnt der Vorsteher des Benediktinerinnenklosters St. Gertrud, Propst Wescelus, in einer Urkunde anlässlich eines Grundstückstauschs zwischen dem Dekan (=Dechant) der Osnabrücker Kirche und dem Gertrudenberger Kloster eine "foveae lapidum desolatae" (= verlassenen Steingrube) auf dem "Schilt" (auch: "Schild") neben dem Meierhof des Gertrudenberger Klosters. Dabei ging die verlassene Steingrube in den Besitz des Klosters über.
Im ehemaligen Gertrudenberger Klosterarchiv befand sich eine weitere Urkunde, dass 1492 auf dem Gertrudenberg eine Steingrube von dem Ziegelmeister auf dem Ziegelhofe Molting betrieben und nach ihm Moltings Steinkuhle genannt wurde.
1540 begann die Stadt Osnabrück zum Zweck ihrer Festungsbauten einen ausgedehnten Kalkofenbetrieb auf dem Gertrudenberg; für die Befeuerung der Kalköfen wurde die Piesberger Anthrazit-Steinkohle genutzt. In den Lohnabrechnungen von 1576 und 1578 wird erwähnt, dass ein "Luchtholl [= Luftloch] durch den Kalkberch" gehauen sei. 1582 wird ein "Einsturz" im Kalksteinbruch gemeldet. Von 1628 bis 1633 ist hier Kalksteinabbau im Zusammenhang mit dem Bau der einstigen Festung Petersburg im Südosten der Stadt Osnabrück erwähnt.
Weitere Einzelheiten zur "Kalkgewinnung und -verarbeitung
während des Spätmittelalters und der Neuzeit auf dem
Gertrudenberg in Osnabrück" zeigt der gleichnamige
Beitrag im Heimat-Jahrbuch "Osnabrücker Land 2017",
S. 169 ff., auf. Der Beitrag ist hier online abrufbar: http://www.geo-iburg.de/Heimatjahrbuch_HBOL_2017.pdf |
In einem Brief vom "Bürgermeister und Raht der Stadt Osnabrück an die Stiffts-Verwaltung" vom 25. April 1701 ist dazu nachzulesen: "Das Loch am Gertrauds Berge liegt außerhalb des Klosters in der Feldmark der Stadt, wo Kalksteine hergenommen wurden, von wo der dort gelegene Kalkofen, wie Mauerreste zeigen, beschickt wurde."
Der Justizkanzleidirektor und Rechtshistoriker Dr. Justus Friedrich August Lodtmann (1743 - 1808) erwähnte in der 1778 erschienenen "Acta Osnabrugensia, oder Beyträge zu den Rechten und Geschichten von Westfalen, insonderheit vom Hochstifte Osnabrück", die Höhle sei "in den Fels, aus welchem der ganze Hügel erbauet ist, mit unsäglicher Arbeit gehauen".
Der in Osnabrück lebende Jurist, Staatsmann, Literat
und Historiker Justus Möser (1720 - 1794) hatte seine
eigenen Ansichten über die Gertrudenberger Höhlen -
mehr dazu in meinem Beitrag "Justus Möser, seine
Jugendfreunde und Ansichten über die Gertrudenberger
Höhlen im 18. Jahrhundert" im Heimat-Jahrbuch
"Osnabrücker Land 2020", S. 91ff. Der Beitrag ist hier online abrufbar: http://www.geo-iburg.de./Heimatjahrbuch_HBOL_2020.pdf |
1858 berichtete der Osnabrücker Bürgermeister Johann Carl Bertram Stüve (1798 - 1872) in der Veröffentlichung "Topographische Bemerkungen über die Feldmark der Stadt Osnabrück und deren Entwicklung der Landschaftsverfassung" (Mittheilungen d. historischen Vereins zu Osnabrück, Heft 5) ebenfalls über Steinbrüche auf dem Gertrudenberg: "Jener Kamm von Muschelkalk ist vom Kloster nördlich durch offene Steinbrüche, behuf Gewinnung von Kalkstein, zerwühlt." Und weiter: "Von diesem Steinbruchsgrunde südlich gegen das Kloster hin aber erstreckt sich eine geräumige, aus vielen, theils verschütteten Gängen bestehende Höhle, deren Eingang bis 1803 sehr schön war; aber leider durch einen schlecht erwogenen Versuch der Klosterverwaltung, dort Steine zu brechen, zerstört wurde." Und Stüve fügt an: "Sie ist aber weiter nichts als die Fortsetzung des Baus auf Kalkstein, den man hier, durch die Lagerung veranlaßt, bergmännisch zu gewinnen vorzog. (...) Man hat den Kalk wohl theils auf der Ziegelei, dann aber auch am nördlichen Ende der Berges gebrannt, wo ungeheure Haufen Kalkasche lagern."
Vereinfachtes geologisches Profil durch den Gertrudenberg
(verändert nach IMEYER, Friedrich: Die geologische Geschichte
des Gertrudenberges,
Osnabrücker Zeitung v. 12.11.1925 und Osnabrücker Tageblatt v.
22.01.1926)
Nach J.C. Bertram Stüve soll die unterirdische Fortsetzung des nunmehr städtischen Steinbruchs 1540 erfolgt sein. So wurden in den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts bei Aufräumarbeiten in der Höhle auch Steinbruchwerkzeuge mit dem Osnabrücker Rad gefunden.
2) Das "Gertrudenberger Loch"
Das "Gertrudenberger Loch" (auch: "Gertrudenberger Höhle") befindet sich unter dem Bürgerpark in Osnabrück mit einer Fläche von 1.920 m2. Die maximale Längenausdehnung in Nord-Süd-Richtung beträgt ca. 135 m, die größte Breite ca. 70 m. Die Länge aller Gänge des Gertrudenberger Lochs, ohne Berücksichtigung der Treppenaufgänge und Luftschächte, beträgt rund 900 Meter. Die Höhlensohle liegt etwa zwischen 79 m und 85 m ü. NN.
Der Höhlenzugang befand sich einst in einem Eingangsgebäude
in der östlichen Steingrubenböschung auf der Höhe des heutigen
Rosengartens.
Der Gestaltungsplan für den Bürgerpark aus dem
Jahre 1876 betont deutlich den Höhleneingang und versieht ihn
mit einem gestalteten Vorplatz.
Zunächst wurde der Kalk in frei an der Oberfläche liegenden Steinbrüchen abgebaut. Später ging man dazu über, die tieferen und härteren Gesteinslagen durch unterirdischen Abbau zu erschließen.
Abgebaut wurden im sog. "Strossenbau" körnige Blaukalke der Encrinus-Schichten des "Haupt-Trochitenkalkes" (mo1 HT) des oberen Muschelkalks (Trias; Alter ca. 235 Mill. Jahre)1. Beim "Strossenbau" wird die Lagerstätte in waagerechten Blöcken (Strossen) von oben nach unten abgetragen. Gesteine dieses Abbaus befinden sich in der alten Klostermauer, an den einstigen Klostergebäuden und in der Anstaltsmauer, die die "Irrenanstalt" vom heutigen Bürgerpark trennt.
Gliederung des Oberen Muschelkalks
Die Frage "Wie sind Kalksteinhöhlen entstanden?" - auch wenn es sich bei den Gertrudenberger Höhlen um einen unterirdischen Kalksteinbruch handelt, in dem aber frühe Karsterscheinungen auftreten - beantwortet Hans Morlo hier! |
Über einen auf dem Gertrudenberg befindlichen Brunnen berichtete der Jurist und Philosoph Professor Carl Gerhard Wilhelm Lodtmann (1720 - 1755), ein Jugendfreund Justus Mösers (1720 - 1794), in der 1753 erschienen Schrift "Monumentum XIIII. Spelunca sub monte S. Gertudis": "Es befindet sich im Kloster der Heiligen Gertrud (unter dem diese Höhle ausgehoben ist) ein lebhaft fließender, sehr tiefer Brunnen, dessen Tiefe mehr als einige hundert Ruten ausmacht." Durch den Brunnenschacht und tief liegende Quergänge sollen die Gertrudenberger Klosterfrauen bei Belagerungen und feindlichen Übergriffen durch den Zwischenraum der "Hohen Brücke" (Vitischanze) in die wehrhafte Stadt Osnabrück gelangt sein. Der Brunnen, der auf dem höchsten Punkt des Gertrudenberges liegt, diente wahrscheinlich ursprünglich der Bewässerung des Klostergartens. Im Jahr 1866 wurde der Brunnen, als das Wasser von der Gertrudenberger Dampfbierbrauerei Martin Richter über der Höhle benötigt wurde, von ursprünglich 42 m auf 64 m vertieft. Das abgebaute Gestein wurde in den vier angrenzenden und nicht mehr benutzten Gängen abgelagert. Der Brunnenschacht wurde nach 1940 mit Schutt verfüllt.
Gertrudenberger Dampfbierbrauerei Martin Richter, um 1900 |
Werbung für das Bier "Bürgerbräu" des Bürgerlichen Brauhauses GmbH (1912 - 1928) |
Umgebauter Teil des Haupthauses der Bierbrauerei zum Wohnhaus (1932 - 2001), Am Gertrudenberg 1-3 (Foto: Reimund Kröger) |
Lage des ehem. Wohnhauses (umgebautes Haupthaus der
Bierbrauerei mit Sudhaus) - die Brauerei mit dem großen
Schornstein befand sich nördlich des vorgenannten Gebäudes (N 52.284971 E 8.047577) (Luftbildaufnahme der Schwabenflugbild, Dombühl) |
Nähere Informationen zur Brauerei siehe dieser Aufsatz unter "8) Weiteres Interessantes auf dem Gertrudenberg"!
Die Gertrudenberger Höhlen waren einst auch öffentlich
zugänglich:
In der Zeitung "Osnabrückische Öffentliche Anzeigen"
vom 7. Juli 1838 war zu lesen: "Dem Wunsch Vieler kann ich
dadurch entsprechen, daß am Sonntage den 8. Juli von Nachmittags
5 Uhr an die Gertrudenberger Höhle mit Lampenlicht und Fackeln
erleuchtet sein wird.
Der Eintritt, doch unter der Bedingung, daß keine Kinder unter
10 Jahren mitgebracht, die auch nicht zugelassen werden, ist
unentgeltlich. Wagner."
Bei einem Besuch der Höhle durch den am Geologischen Institut der Universität Münster beschäftigten Geologen Dr. Julius Andree (1889 - 1942) am 22. März 1925 führte dieser in seinem Gutachten "Die Höhle im Gertrudenberg" u.a. aus: "... daß es sich um einen künstlich hergestellten Hohlraum handelt. (...) Und zwar, wie Herr Betriebsführer [Wilhelm] Pfeiffer [der Gruben am Hüggel des Werkes Georgsmarienhütte der Klöckner-Werke AG] schon betont hat, ohne Anwendung von Sprengmitteln. (...) Vorläufig muß ich also den Standpunkt vertreten, daß wir in der Gertrudenberger Höhle tatsächlich einen alten unterirdischen Steinbruch vor uns haben, dessen Alter sich noch nicht bestimmen läßt." Er fordert bezüglich der nicht mehr zugänglichen Höhlen-Abschnitte: "Es wäre daher zu empfehlen, diese jetzt nicht zugänglichen Teile der Höhle freizulegen und eine Untersuchung vorzunehmen." An der Besichtigung waren auch der an der Preußischen Geologischen Landesanstalt in Berlin tätige Geologe Wilhelm Haack (1882 - 1947) und der Osnabrücker Naturwissenschaftler und Oberstudienrat am Gymnasium für Mädchen Dr. Friedrich Imeyer (1893 - 1965) beteiligt, der von 1926 bis 1965 für die Geologische Sammlung des Museums zuständig und von 1956 bis 1965 Vorsitzender des Naturwissenschaftlichen Vereins Osnabrück war.
Im Sitzungsbericht von der Winterversammlung des Vereins für
Geschichte und Landeskunde von Osnabrück vom 16. Februar 1926
wird erwähnt, dass der damalige Vorsitzende des Vereins, Prof.
Dr. Friedrich Knoke (1844 - 1928), ebenfalls der Ansicht ist,
dass es sich bei der Höhle um einen unterirdischen Steinbruch
handelt.
Der Geheime Studienrat Knoke war Direktor des
Ratsgymnasiums Osnabrück, staatlich bestellter Pfleger für
kulturgeschichtliche Bodenaltertümer im Regierungsbezirk
Osnabrück und von 1912 bis 1927 Vorsitzender des Vereins für
Geschichte und Landeskunde von Osnabrück. Knoke war auch
eifriger Varusforscher 1900 erschien von ihm "Das
Varuslager bei Iburg" und im Jahre 1927 veröffentlichte er
die Schrift "Der römische Tumulus auf dem Schlachtfelde des
Teutoburger Waldes", worin er einen Fund im Iburger "Offenen
Holz" beschreibt, den er als römischen Tumulus (Grabhügel)
deutet.
Verbindungsgang zum "Rittersaal" 2
Am 13. Juni 1930 besichtigte Dr. Hans Gummel (1891 - 1962), 1. Museumsdirektor des Städtischen Museums Osnabrück von 1929 bis 1939, zusammen mit Dr. Friedrich Imeyer (1893 - 1965) die Gertrudenberger Höhle. Gummel schreibt: "Bei der Besichtigung ergab sich aber, dass die geologischen Verhältnisse zu der Auffassung zwingen, dass [es] sich hier um einen unterirdischen Steinbruch handelt. Herr Dr. Imeyer konnte klar zeigen, wie es offenbar darauf angekommen ist, den Trochitenkalk (...) zu gewinnen. Wäre das nicht der Fall, so wäre nicht zu verstehen, warum man bei Anlegung der Höhle gerade dieses besonders beschwerlich zu bearbeitende Gestein mit entfernt hätte." Und weiter: "Aus dem (...) Profil geht m.E. [= meines Erachtens] mit aller wünschenswerten Deutlichkeit hervor, dass gerade der Trochitenkalk den Anlass zur Anlegung der Höhle gab." Gummel führt weiter an: "... dass der Trochitenkalk wegen seines hohen Kalkgehaltes bzw. dem Fehlen von stärkeren Verunreinigungen der zum Kalkbrennen am besten geeignete Werkstoff war."
Tatsächlich wurde das Gestein nicht vorrangig für die Errichtung von Bauwerken genutzt, sondern in Kalköfen gebrannt die Kalke bildeten damit die Grundlage für die Mörtelherstellung. Brennöfen standen am Nordwestabhang des Berges, in unmittelbarer Nähe der einstigen Meesenburg oberhalb der heutigen Tennisplätze.
Tonplättchen der Ceratitenschichten (mo2U) | Trochitenkalk (mo1HT) mit den Stielgliedern der Seelilie Encrinus liliiformis (Lamarck) | Deteilaufnahme des Trochitenkalkes (mo1HT) mit den Stielgliedern der Seelilie Encrinus liliiformis (Lamarck) | Terebratelpflaster der Brachiopode Coenothyris vulgata (Schlotheim) in den "Gelben Basisschichten" (mo1GB) |
Schichtenfolge vom Hangenden zum Liegenden
In der Gertrudenberger Höhle befindet sich ein sog. "Phantomkarst",
eine Frühphase der klassischen Verkarstung (Höhlenbildung), die
im Jahre 2011 von dem Diplom-Geologen Stephan Marks entdeckt und
von dieser Fundstelle erstmalig beschrieben wurde.
Der Vorgang der Phantomkarstbildung erfolgte in prähistorischer
Zeit - vor der rezenten Nivellierung der Landschaft - und fand in
situ ("am Ort") statt.
Dabei sickerte Wasser als Lösungsmedium, beginnend in den
hangenden Gesteinen der Tonplattenfazies, entlang von Gesteins-Trennflächen
(Dehnungsklüfte, -fugen) durch den Gesteinsverband durch. Die
kalkigen Bestandteile (Karbonate, Calcium) wurden in der Lösung
abtransportiert. Unlösbare tonige Bestandteile verblieben an Ort
und Stelle (sog. "Smektite"). Anschließend wurde im
Gesteinskörper der Verband der das Gestein aufbauenden Kristalle
selektiv verändert.
Der unlösbare Teil zeichnete in Form eines Gerüstgitters den
Lösungskörper nach (sog. "Isoalterite"); die grauen
Kalkgesteinsfarben wurden zu den gelbbraunen Farben der
verwitterten umgewandelten Bereiche verändert. Das verbliebene
Wasser bildete auf Grund seiner Kapillarkräfte das Stützmedium
dieser phantomisierten Gesteinsbereiche.
Phantomkarst
(Archiv: Stephan Marks)
Infolge tektonischer Unruhen (Hebungen und Senkungen) begann
die klassische Phase der Hohlraumbildung: der stützende
Wasserdruck im Isoalterit nahm ab und verschwand schließlich
vollständig und es begann ein U- bzw. V-förmiges Zusammensacken
der phantomisierten Gesteinsbereiche. Diese Reliktsedimente
bezeichnet man als "Alloalterit".
Am Top der zusammengebrochenen Sedimentsäule bildete sich im
Kontext zum "gesunden" Kalkstein ein erster, offener
Hohlraum. Im Laufe der Zeit erfolgt eine vollständige
Ausräumung durch Wasser und mechanische Vorgänge von "oben"
nach "unten".
Dieser Phantomkarst ist der erste Nachweis dieser Karstform im
deutschsprachigen Raum!
Aber auch andere Entstehungsmöglichkeiten wurden immer wieder
diskutiert:
Professor Carl Gerhard Wilhelm Lodtmann meinte in dem "Labyrinth"
eine altgermanische Kultstätte belegen zu können, wie
er 1753 in der "Monumentum XIIII. Spelunca sub monte S.
Gertudis" ausführte; auch der Bürgervorsteher und
Ingenieur Hans Zeiske (1877 - 1963), der als Lehrer an der
technischen Privatschule an der Holtstraße lehrte, unter dessen
Leitung von den "Freunden germanischer Vorgeschichte"
im Mai/Juni 1935 Grabungen in der Höhle vorgenommen wurden,
folgte dieser Theorie. "Stadtwächter" Dr. phil.
Heinrich Schierbaum (1883 - 1934), Oberstudiendirektor und
späterer Heilpraktiker, vermutete in dem Aufsatz "Die
Geheimnisse des Gertrudenberges" (Osnabrücker Tageblatt, 28.11.1925)
eine Fluchtburg zum Schutze gegen Angreifer und
Bürgerschulrektor a.D. Gustav Friedrichs (1853 - 1936),
ehemaliger Vorsitzender der Osnabrücker Ortsgruppe der "Vereinigung
der Freunde germanischer Vorgeschichte", verfocht in
zahlreichen Veröffentlichungen der Jahre 1925 bis 1931 gar den
Gedanken einer "astronomischen Anlage der Germanen".
(s.a.: Referat "Der Osnabrücker Bodenhimmel" von Andis Kaulins vom 01. Mai 2008 anlässlich
der 42. Jahrestagung der Externstein-Vortragstagen des
Forschungskreises Externsteine e.V. in Horn/Bad Meinberg
enthält als Anlage die Veröffentlichung "Germanische
Astronomie und Astrologie während der Stein- und Bronzezeit. Die
Gertrudenberger Höhle bei Osnabrück, eine germanische
Kultstätte um 1600 v.Chr." von Gustav Friedrichs aus dem
Jahre 1929. Der Osnabrücker Astronom Dr. Andreas Hänel schrieb
in der Veröffentlichung "Steinzeit-Sternwarten in
Osnabrück?", veröffentlicht in
"Der Osnabrücker Bürger", Nr. 69, 1993: "In
Osnabrück glaubte der Rektor Gustav Friedrichs Abbildungen von
Gestirnen und Sternbildern auf den Steinen der Megalithgräber
gefunden zu haben, und Runen sollten astronomischen und
kalendarischen Inhalt haben. Doch die Zeichnungen waren wohl der
Phantasie Friedrichs' entsprungen und bereits damals heftig
umstritten.")
Im Rahmen der in Osnabrück stattgefundenen Pfingsttagung der
"Vereinigung der Freunde germanischer Vorgeschichte e.V.
Detmold" am 27. Mai 1931 besichtigten unter Führung vom
Stadtmedizinalrat Dr. Rudolf vom Bruch ("Die Rittersitze des
Fürstentums Osnabrück") über 200 Teilnehmer das "Gertrudenberger
Loch".
In einem Brief vom 16. Juni 1930 weist der Museumsdirektor
Dr. Gummel Friedrichs unwissenschaftliche, zu falschen
Ergebnissen führende Schlüsse nach und teilt mit, dass er sich
mit dessen "Phantasien" nicht weiter beschäftigen will.
Auch er teilt die Meinung, dass die Höhle als unterirdischer
Steinbruch entstanden ist.
Wenn Friedrichs Schriften auch recht fragwürdig sind, so bleibt es gleichwohl unbestreitbar und anerkennenswert, wie er sich tatkräftig und uneigennützig für die Erforschung und Erschließung der Gertrudenberger Höhle eingesetzt hat.
Felsen-Kanzel 2 | Rutenmeister Margraf auf der Felsen-Kanzel 2 |
Emmi Flake auf der Felsen-Kanzel, 1954 (Archiv Günter Flacke) |
Felsen-Kanzel
Auch zahlreiche Sagen ranken sich um die "Gertrudenberger
Höhlen", die als Wandersagen, ortsgebundene Sagen oder
sagenhafte Berichte von der Gertrudenberger Höhle zu erzählen
wissen
(siehe auch: Sagenhafter Gertrudenberg. Die Sagen von der
Gertrudenberger Höhle und deren Deutungsversuche).
Die Höhle ist unter Nummer 3714/001 im niedersächsischen
Höhlenkataster eingetragen.
Die "Gertrudenberger Höhle" wurde erstmalig 1976 bei
der Ur- und frühgeschichtlichen Denkmalpflege als "ehemaliges
Kalksteinbergwerk" als Bodendenkmal
verzeichnet. 1984 wurde das Staatshochbauamt Osnabück (heute:
Staatliches Baumanagement Osnabrück - Emsland) aufgefordert
dafür Sorge zu tragen alle Vorkehrungen zu treffen, die
erforderlich sind, dass dieses Kulturdenkmal keinen Schaden nimmt.
1985 wurde das Höhlensystem durch das Staatshochbauamt
Osnabrück in das handschriftliche "Verzeichnis der
Baudenkmale" gem. § 4 NDSchG eingetragen; 1992 erfolgte
eine Übernahme der Ausweisung ins Verzeichnis der Baudenkmale.
Ein Jahr später erfolgte die Bestätigung der Ausweisung als
Gruppe baulicher Anlagen aus geschichtlichen und
wissenschaftlichen Gründen. 1994 schließlich wurden die
Gertrudenberger Höhlen als Kulturdenkmal gem.
§ 3 NDSchG ausgewiesen.
"Kulturdenkmale (...) sind Baudenkmale,
Bodendenkmale und bewegliche Denkmale." Und diese "...
sind zu schützen, zu pflegen und wissenschaftlich zu erforschen.
Im Rahmen des Zumutbaren sollen sie der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht werden."
Seit 2015 läuft auf Initiative des Vereins "Gertrudenberger
Höhlen Osnabrück e.V." ein öffentliches Verfahren die
Höhle als Naturdenkmal gem. § 21 NAGBNatSchG
einzutragen.
1984 fanden die bisher einzigen durchgeführten archäologischen Untersuchungen (in den Räumen B und H) statt. Bei dieser Grabung konnten Utensilien aus dem 18. und 19. Jahrhundert geborgen werden.
Das "Gertrudenberger Loch" scheint kein Lebensraum für Fledermäuse zu sein bei Begehungen durch Fledermausschützer wurden keine Fledermäuse angetroffen.
Zur besseren Belüftung des Höhlensystems wurde im Juni 2012 am mit einer Betonplombe verschlossenen Schachtes des ehemaligen Eingangs im Bürgerpark ein Bewetterungsrohr eingebaut. Zudem wurde in die Stahltür des jetzigen Stolleneingangs Lüftungsschlitze geschnitten.
Nachdem bereits 1994 (südl. Höhlenteil) und 1998 (nördl. Höhlenteil) von der "Deutschen Montan Technologie für Rohstoff, Energie, Umwelt " aus Bochum (DMT) Stellungnahmen zur Standsicherheit der untertägigen Hohlräume der Gertrudenberger Höhlen abgegeben wurden, erfolgten zwischen März und Oktober 2015 eingehende Untersuchungen für eine "Neubewertung der Standsicherheit sowie Auswahl und Kennzeichnung geeigneter Sicherungsmaßnahmen" durch die Firma "TABERG Ingenieure", Lünen.
Bohrprofile zur Neubewertung der Standsicherheit |
In der Höhle befinden sich an einigen Decken hyroglyphen-ähnliche Vermikulationen, dünne, unregelmässige, nicht zusammenhängende und unverfestigte Ablagerungen von "wurmartigem" (lat.: vermiculatus) Aussehen aus Ton und Schluff. Nach Dr. Arnfried Becker, Abteilung Geophysik der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, verdanken die Vermikulationen nach Untersuchungen in der Schrattenhöhle (Schweiz) ihre Entstehung dünnen Wasserfilmen auf Oberflächen, in denen feine "Staubpartikel" eingeweht werden, die bei der Austrocknung des Wasserfilms in kleinen "klumpenartigen Massen" ausflocken.
Vermikulationen
Bereits 1777 wird in dem deutschen Enzyklopädial-Lexikon "Reales Staats-, Zeitungs- und Conversations-Lexicon" ("Hübnersches Lexicon")3 in einer sonst sehr dürftigen Beschreibung Osnabrücks hervorgehoben, es verdiene die Höhle unter dem Berge des Klosters St. Gertrudenberg mit ihren Gängen gesehen zu werden.
Auf Anregung des Osnabrücker Ehrensenators und Tuchhändlers Gerhard Friedrich Wagner (1769 - 1846) wurde die Höhle um 1900 alljährlich am Neujahrstage mittags illuminiert und stand der Bevölkerung zur Besichtigung offen; der Ratsschulze hatte die Aufsicht.
Nach einer Besichtigung der Höhle wird in einem Zeitungsartikel vom 30. April 1891 darauf hingewiesen, dass ein Ausbau der Höhle erfreulich wäre. Und in einem Artikel vom 29. April 1901 über das Sommerfest des Bürger-Vereins vertritt der Verein die Meinung, dass die Höhle dem Publikum zugänglich gemacht werden solle. Auch in dem Artikel "Aus Osnabrücks Vergangenheit. Das Gertrudenberger Loch" (02.12.1905) wird der Wunsch nach einer Öffnung laut. Der Seminar-Oberlehrer a.D. am Evgl. Lehrerseminar und Osnabrücker Stadtchronist Dr. h.c. Ludwig Hoffmeyer (1845 - 1935) fordert in dem Artikel "Ein neuentdeckter unterirdischer Gang am Gertrudenberg" in der Osnabrücker Zeitung vom 18. Dezember 1924: "Die Untersuchung der Höhle ist unbedingt nötig!"
Am Rand der "Rundhalle" 2
Gustav Friedrichs forderte in dem Zeitungsartikel "Das Gertrudenberger Loch" (Osnabrücker Zeitung, 21.01.1925): "Die Anlage muß als Sehenswürdigkeit wiederhergestellt werden!" Und in der Ausgabe 247 der Zeitung "Im Strome der Zeit" (01.04.1925) fordert er weiter: "Die Stadtverwaltung soll die Rätsel um die Höhle lösen!" Im Osnabrücker Tageblatt vom 24. April 1925 greift Friedrichs abermals die Stadt an, die Höhle endlich zu untersuchen. Friedrich Imeyer entgegnet in dem Zeitungsartikel "Die Höhlengänge des Gertrudenberges" (Osnabrücker Zeitung, 15.07.1925), dass ein neuer Gang kaum Neues brächte, das Geld besser zur Gangbarmachung und zur Besichtigungsfreigabe dieses historischen Denkmals von seltener Größe benutzt werden solle.
Auch in den Folgejahren fordert Friedrichs immer wieder, dass die Höhle erforscht und zugänglich gemacht werden müsse.
Auf Initiative des ehemaligen Osnabrücker Kreisleiters des
Bereichs Osnabrück-Stadt der NSDAP, Wilhelm Karl Ernst
Münzer (1895 - 1969), nahm man 1939 erstmalig von der Stadt
Osnabrück finanzierte Arbeiten zur Erschließung der Höhle auf.
Die Arbeiten wurden von dem Rutenmeister und Architekten Heinrich
Margraf (1904 - 1972)4 geleitet die
Kriegswirren beendeten das Vorhaben.
Willy Münzer wurde am 12. September 1895 in
Münster geboren und starb am 11. Juni 1969 in Bad Iburg.
In der Artikelfolge "Das Geheimnis der Gertrudenberger
Höhlen" forderte der Redakteur Hellmut Thieves am 06. Juni
1953 in der "Neuen Tagespost": "Dieser prachtvolle
Höhlenbezirk muß wieder geöffnet und erforscht werden".
Und weiter: "... daß es an der Zeit sei, diesen Schatz zu
heben, die Höhlen wieder zugänglich zu machen und zu erforschen
und schließlich zu dem werden zu lassen, was ihnen ihrem Ausmaß
und ihrer Natur nach zukommt: zu einer der erstrangigsten
Sehenswürdigkeiten unserer Stadt."
Die "Neue Tagespost" berichtete dazu am 20.06.1953
weiter: "[der Leiter des Kultur- und Verkehrsamtes der Stadt
Osnabrück] Dr. [Hermann] Poppe-Marquard erklärte uns, daß die
Stadt, schon im Hinblick auf den wachsenden Fremdenverkehr, sehr
daran interessiert ist, die Höhlen wieder zugänglich zu machen."
Kuppelhalle 2
Die Gertrudenberger Höhlen waren auch immer wieder "Spielplatz"
und ein Raum für spannende Unternehmungen von zahlreichen
Jugendlichen:
so sind an einer Wand im sog. "Weißen Zimmer" die
Namen Wilfried Krüger, Gerd
Dieter Niemann, Peter
Schwarz, Klaus Dieter
Claassen, Arthur Placke,
Otto Meyer und Willi
Mannich verewigt, die am 17. März 1954 (um 16:30
Uhr) in dem Höhlensystem waren.
Inschriften aus dem Jahre 1954
Die um 14 Jahre alten Jugendlichen waren Schüler der "Ev. Bekenntnisschule am Herrenteichswall" (Erich-Maria-Remarque-Ring 9) - das Entlassungszeugnis von Willi Mannich (geb.: 18.06.1939 in Osnabrück, gest.: 26.06.2016) ist auf den 16. März 1954 datiert ... das Abenteuer außerhalb der Schule konnte beginnen.
Entlassungszeugnis Willi Mannich
Am 31. Oktober 1983 besichtigen u.a. Baudirektor Erwin Uhrmacher, Leiter des Staatshochbauamtes Osnabrück, Oberbürgermeister Carl Möller, Oberstadtdirektor Dirk Meyer-Pries, Stadt- und Kreisarchäologe Dr. Wolfgang Schlüter und Kaspar Müller, Vorsitzender des Heimatbundes Osnabrücker Land e.V., sowie zahlreiche weitere Personen die Gertrudenberger Höhle; die Führung übernahm Herr Uhrmacher. Im Beilagen- und Mitteilungsblatt "De Utroiper" des Heimatbundes Osnabrücker Land e.V., Ausgabe Nr. 1 vom März 1984, ist dazu zu lesen: "Sicherlich hinterließ dieser Aufenthalt unter Tage bei allen Teilnehmern einen nachhaltigen Eindruck. Als sagenumwobene Arbeitsstätte des Mittelalters handelt es sich hier schließlich um ein hochinteressantes Kulturdenkmal aus der Geschichte Osnabrücks, das in seiner Eigenart weit und breit einzigartig ist. Nach diesem Besuch drängt sich die Frage auf, ob die Höhle, oder doch zumindest ein Teil ihrer Gänge und Hallen, nicht endlich als eine Attraktion der Öffentlichkeit erschlossen und zugänglich gemacht werden könnte. Einer zusätzlichen Nutzung für die Belange des Bevölkerungsschutzes stände hierbei nichts im Wege. Mit einer tatkräftigen Hilfe des HBOL [Heimatbundes Osnabrücker Land e.V.] bei der Realisierung solcher Vorstellungen wäre sicherlich zu rechnen!"
Der Höhlenforscher Wolfgang Berk führte 1996 aus: "Nach einhelliger Meinung aller Höhlengänger ist die Höhle sicher."
Eigentumsrechte oberhalb des Höhlensystems |
Vielfältige Nutzungen fanden im "Gertrudenberger Loch" statt:
a) Bierkeller
Im nordnordwestlichen Bereich der Höhle befanden sich in mehreren Räumen die Bierkeller der Brauerei Berckemeyer & Schultze (1855 als Brauerei gegründet, später als Brauerei Gustav A. Schultze weitergeführt; Markt 26/27).
Im mittleren westlichen Teil der Höhle befanden sich die
gemeinsamen Bierkeller der Brüder Johann Gerhard
Heilmann ( geb.: 23.05.1799, gest.: 26.09.1886), der von
1837 bis 1881 in der Herrenteichsstraße 18 eine Brauerei betrieb,
sowie die Bierkeller von Johann Christian
Heilmann (geb.: 24.09.1801, gest.: 27.11.1888), der in der
Johannisstraße 112 eine Brauerei und Gastwirtschaft führte.
Bierbrauer Johann Christian Heilmann verkaufte Baierisches
Lagerbier sowie doppeltes und einfaches Braunbier (ein kräftiges
Gerstenbier).
Im mittleren östlichen und südlichen Bereich der Höhle lagen die Bierkeller der 1866 gegründeten "Gertrudenberger Dampfbierbrauerei Martin Richter" (Kampstraße 6), die später als "Gertrudenberger Bierbrauerei" und "Bürgerliches Brauhaus GmbH"5 weitergeführt wurde.
Für die Lagerung des Bieres herrschten in der Höhle ideale Temperaturen von 5° bis 8° Grad.
Historische Flaschenverschlüsse
Auch weitere Flaschen wurden in der stets kühlen Höhle gelagert - so fanden sich historische Flaschenverschlüsse aus Porzellan von dem Osnabrücker Kaufmann "Ed[uard] Lochmann, Osnabrück", der "Mineralwasser-Anstalt Ferd[inand] Meyer" aus Osnabrück und Münster sowie der "Mineralwasser-Anstalt [Richard] Heitmann & [Elimar] Krogmann", gegründet 1890, in Lohne.
b) Bunker
Während des 2. Weltkrieges dienten Teile der Gertrudenberger Höhle als Luftschutzraum für die umliegenden Einwohner des Gertrudenberges; die Bunkeranlage bot Platz für ca. 4.000 Schutzsuchende. Aus der Bunkerzeit stammen die in der Höhle noch vorhandenen weiß phosphoreszierenden Rechtecke und Pfeile sowie zahlreiche (nicht mehr funktionsfähige) elektrische Einbauten.
Noch heute unterliegt die Höhle dem "Gesetz zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den
Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden (Allgemeines
Kriegsfolgengesetz - AKG)", da es
sich um eine ehemalige öffentliche Luftschutzanlage handelte,
die auf Veranlassung und mit Mitteln des Reiches errichtet wurde.
Damit obliegt dem Bund die Sicherung dieser Anlage.
Die Höhle steht zwar im Eigentum der verschiedenen
Grundstückseigentümer (da sie nach §§ 94, 946 BGB wesentlicher
Bestandteil des Grundstücks geworden ist), doch gem. § 19 Abs.
2 Nr. 1 AKG muss der Bund Maßnahmen "zur Abwendung einer
unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit" treffen.
Unmittelbarkeit der Gefahr setzt dabei voraus, dass sie entweder
gegenwärtig ist oder nicht vorhergesehen werden kann, zu welchem
Zeitpunkt Leben oder Gesundheit von Menschen geschädigt werden
könnten. Wirkt sich ein an sich ungefährlicher Zustand nur
infolge des Zusammenwirkens mit Gefahrenquellen gefahrenerhöhend
aus, für die der Bund nicht verantwortlich ist, so liegen die
Voraussetzungen für einen gegen den Bund gerichteten
Gefahrenbeseitigungsanspruch nicht vor.
Die Entscheidung, ob der Bund zur Beseitigung einer unmittelbaren
Gefahr verpflichtet ist, obliegt der AKG-Leitstelle Erfurt in der
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Sparte Verwaltungsaufgaben.
Ziel der vom Bund veranlassten Maßnahme soll möglichst die
endgültige Beseitigung der Gefahr sein (z.B. durch Verfüllen
der unterirdischen Hohlräume, Verschließen der Eingänge, etc.),
doch kann und soll eine Inanspruchnahme des Bundes für
die Zukunft auch durch eine Übertragung der
sicherungspflichtigen Einrichtung an einen interessierten Dritten
ausgeschlossen werden. So ist die Übereignung
anzustreben, wenn dieses Objekt keiner wirtschaftlichen
Verwendung zugeführt werden kann und nicht mehr z.B. für
Zivilschutzzwecke erforderlich ist. Dabei soll grundsätzlich die
Übereignung nur an den jeweiligen Grundstückseigentümer
erfolgen. Die Übereignung setzt dabei voraus, dass diese
langfristige Gewähr für die Erfüllung der
Verkehrssicherungspflichten bietet.
Auch die Belange des Umwelt-, Natur- und Denkmalschutzes
sind zu berücksichtigen, soweit dies unter dem
Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr möglich und wirtschaftlich
vertretbar ist.
Nähere Informationen liefert die "Sammlung von
Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Allgemeinen
Kriegsfolgengesetzes (AKG) in den Geschäftsbereichen des
Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (VV-AKG)" (Stand: Februar
2007) der zuvor genannten Bundesministerien. Dort enthalten ist
auch die "Begehungs-Anweisung (BegA)" für das Begehen
nicht mehr unterhaltener Stollenanlagen - so dürfen z.B.auch
weitere Personen mit Zustimmung des verantwortlichen Leiters (in
der Regel der zuständige Sachverständige gem. VV-AKG D Anlage 5)
teilnehmen.
In der Gertrudenberger Höhle befanden sich zwei große
Toilettenanlagen im Süden und Norden.
In den Toilettenanlagen wurden Urinale der Torfit-Werke G. A.
Haseke & Co. aus Bremen-Hemelingen eingebaut. Torfit, ein
steinartiger Baustoff auf Torfbasis, wurde in Platten bzw.
Formstücken in die Urinale eingelegt. Seine Besonderheit ist,
dass durch seine chemische Zusammensetzung die bakterielle
Zersetzung und damit die Entstehung streng riechender
Ammoniakverbindungen an an ihm haftenden Urins weitestgehend
unterbleibt.
Urinal in der nördlichen Toilettenanlage | Hersteller des Urinals |
Nördliche Toilettenanlage, Einbau 1943
c) Sonstiges
Im Jahre 1701 wurde in dem Höhlensystem eine
Falschmünzerbande entdeckt.
Einst soll man dort den Leichnam einer Frau gefunden haben.
Während der napoleonischen Fremdherrschaft (1803 - 1813) war sie
Schlupfwinkel einer Räuberbande, die dort auch umfangreiches
Diebesgut lagerte.
Der nördliche Bereich wurde während des 19. Jahrhunderts für
eine Pilzzucht genutzt.
3) Die "Meesenburghöhlen"
Die "Meesenburghöhlen", genauer gesagt die "Große Meesenburghöhle" und die "Kleine Meesenburghöhle" (bisweilen auch als "Felsenkeller" bezeichnet), befinden sich am Nordwestrand des Gertrudenberges nördlich gegenüber dem Alten- und Pflegeheim "Katharina-von-Bora-Haus".
"Meesenburg" und die beiden südlich gelegenen
"Schneckengänge" um 1870
(Staatsarchiv Osnabrück: Dep. 3b IV Nr. 6028,
aus: PIESCH, 1997)
Die Höhlen wurde nach der "Meesenburg", einer auf dem Gertrudenberg, oberhalb der heutigen Tennisplätze der Tennis-Akademie Osnabrück, befindlichen Ausflugsgaststätte6, benannt; die "Meesenburg" erhielt ihren Namen von dem Gastwirt Louis Emil Meese aus Ibbenbüren.
Die Anhöhe, auf der die Meesenburg stand, entstand
wahrscheinlich als Aschenhügel eines Kalkbrennofens, der den in
der Gertrudenberger Höhle gewonnenen Kalkstein verarbeitete. In
älteren Karten wird dieser Hügel auch als "Kalckgaschenhügel"
bezeichnet.
Evtl. könnte es sich aber auch um einen beim Gesteinsabbau
stehengebliebenen Gesteinshorst handeln.
Das Alter der beiden Meesenburghöhlen ist noch unklar: vermutlich haben die Pächter der dortigen Ausflugsgaststätte die Höhlen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Bierlager geschaffen oder vorhandene Hohlräume ausgebaut und genutzt.
Die Richtung Südnordwest verlaufenden "Meesenburghöhlen" sind etwa dreißig Meter lang, fünf bis zehn Meter breit und zwei bis drei Meter hoch. Die "Große Meesenburghöhle" befand sich im Nordteil des Meesenburghügels, die "Kleine Meesenburghöhle" lag an der Südwestecke der Schankstube der "Meesenburg" unter dem Westteil der Hügelkuppe.
Die "Kleine Meesenburghöhle" diente den Pächtern
der Gaststätte als Bierlager.
1858 wurde die "Große Meesenburghöhle" an den
Bierbrauer Carl Kunsemüller (Große Hamkenstraße 6) und 1859 an
den Bierbrauer Rudolf Hölscher (Neuer Graben 9) verpachtet. Ab
01. Oktober 1891 wurde die Höhle vom Kaufmann Hermann August
Sundermann zur Lagerung von Kartoffeln genutzt. 1899 richtete der
Schriftsetzer Friedrich Brinker in der Höhle eine
Champignonzucht ein, die er hier bis zum 31. Dezember 1912
betrieb.
Am 17.08.1960 führte der Architekt und Bauingenieur Heinrich
Margraf (1904 - 1972), in seiner Eigenschaft als Leiter des
"Erdstrahlen-Forschungsrings", eine Exkursion über die
Wünschelrutentechnik Mitglieder des Verkehrsvereins Stadt und
Land Osnabrück und Pressevertreter u.a. in das Innere der
Meesenburghöhle. Gleichzeitig regte er an, "im Interesse
der Allgemeinheit und zur enormen Förderung des Fremdenverkehrs"
die Höhlen auf dem Gertrudenberg der Öffentlichkeit zugänglich
zu machen.
1961/1962 richtete Margraf schließlich in der Meesenburghöhle
ein "Höhlenmuseum" ein und veranstaltete durch diese
Höhle Führungen, um sie und das benachbarte Gertrudenberger
Loch dauernd der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. 1962
fanden diese Führungen jeden Samstag um 14.00 Uhr und jeden
Sonntag von 10.00 Uhr bis 12.30 Uhr und ab 14.00 Uhr statt.
Unterstützt wurde Heinrich Margraf u.a. von seinem begabtesten
Rutenschüler, dem Rutengänger Rolf Steinhauer.
Heinrich Margraf (Privatarchiv Horst Grebing) |
Rolf Steinhauer (Privatarchiv Horst Grebing) |
Auszug aus der Mitgliedskarte von Rolf Steinhauer, 1961/1962 |
Während des 2. Weltkrieges diente die Höhle als Bunker.
Auch diese Höhle unterliegt damit dem "Gesetz zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den
Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden (Allgemeines
Kriegsfolgengesetz - AKG)", da es
sich um eine ehemalige öffentliche Luftschutzanlage handelte,
die auf Veranlassung und mit Mitteln des Reiches errichtet wurde;
dem Bund obliegt die Sicherung dieser Anlage.
Und wie schrieb PIESCH 1997: "So wirft die Meesenburghöhle noch viele Rätsel auf, die zu erforschen unstreitig eine lohnende Aufgabe bildet."
Gerätekammer in der Meesenburghöhle (rechts: Heinrich Margraf) |
Weiterführende Literatur siehe PIESCH 1997 und PIESCH 1998!
4) Weitere Höhlen
1922 entdeckte man beim Gleisbau für eine Werksbahn auf dem Gelände des damaligen Osnabrücker Kupfer- und Drahtwerkes (heute: KM Europa Metal AG) etwa 200 m südlich der Westseite der ehemaligen Hebammenlehranstalt (Knollstraße 16) eine Höhle, die zwölf Meter lang, fünf Meter breit und fünf Meter hoch war.
Der Osnabrücker Rektor Gustav Friedrichs erwähnte in dem Artikel "Das Geheimnis des Gertrudenberges" (Osnabrücker Tageblatt, 20.06.1926) eine weitere Höhle unter der Veilchenstraße. Der Zugang befand sich von einem Garten aus, der seinerzeit vom Osnabrücker Magistrat zugemauert wurde.
Zwei weitere Höhlen wurden 1968 bei Baggerarbeiten zum Bau des Alten- und Pflegeheims "Katharina-von-Bora-Haus" gefunden diese könnten mit den zwei sog. Schneckengängen im Zusammenhang gestanden haben, die beim Bau des Altersheims 1968 bis 1970 gleichfalls zerstört wurden.
Baggerarbeiten 1968
(Foto: Hartwig Fender)
Bei den Schneckengängen handelte es sich um ca. zehn Meter tiefe trichterartige Vertiefungen mit einem Durchmesser von annähernd 18 Metern Durchmesser; in jeden Trichter führte spiralig ein schmaler Fußweg hinab. Die beiden Trichter waren durch einen Geländeeinschnitt verbunden, über dem sich in etwa sechs Meter Höhe ein Holzbrücke spannte. Nach Auffassung des Historikers Dr. Gerd-Ulrich Piesch könnten diese beiden Schneckengänge auf eingestürzte Höhlen zurückgehen.
Ein neuer, bisher unbekannter unterirdischer Höhlengang wurde im Juli 2000 südöstlich vom Altenheim beim Bau eines Heimes für Seniorengerechtes Wohnen (Veilchenstraße 24) am Ostrand der Baugrube angeschnitten. Auch weitere Hohlräume wurden bei den Ausschachtungsarbeiten freigelegt. Hierbei könnte es sich um einen mehrfach vermuteten Verbindungsgang zwischen der Gertrudenberger Höhle und den Meesenburghöhlen handeln.
Alle letztgenannten Höhlen könnten miteinander verbunden gewesen sein sicher verbunden waren die beiden Höhlen unter dem Altersheim und das Gertrudenberger Loch: als 1968 zur Fundamentsicherung Sandzementschlämme in die Altersheimhöhlen eingspritzt wurde, sickerte dieser Baustoff bis in den nördlichen Teil der Gertrudenberger Höhle.
Stollengang vom Klosterhauptgebäude zum Gertrudenberger Loch
(untersucht von Wolfgang Berk, Edgar Bachmann u. Hubert
Keitemeier (Deutscher Alpenverein, Sektion Osnabrück)
bei Abbrucharbeiten eines alten Klosterflügels 1978, im Bild:
Wolfgang Berk.
Foto: Edgar Bachmann, "Osnabrücker Nachrichten" (ON),
13.09.2006)
Dr. Piesch schreibt in seiner Veröffentlichung "Eine neuentdeckte Höhle am Gertrudenberg" abschliessend: "Denn der Gertrudenberg und seine Höhlen enthalten zweifellos noch vielerlei Geheimnisse, die darauf warten, enträtselt zu werden."
5) Auszüge aus dem Findbuch des Staatsarchivs Osnabrück
Lagerungsbestand
/ Signatur: |
Laufzeit: | Titel: |
Dep 3 b IV Nr. 6025 | 1832 - 1912 | Die Verhandlungen wegen Verpachtung
eines Teiles der Gertrudenberghöhle an den Bierbrauer Heilmann und den Fabrikanten Justus Eggemann zur Einrichtung eines Bierkellers |
Dep 3 b IV Nr. 6028 | 1852 - 1878 | Verpachtung des in den Vergnügungsanlagen am Gertrudenberge angelegten Wirtschaftslokals an den Bierbrauer M. Richter zur Einrichtung eines Bierkellers in einem Teile der Gertrudenberghöhle |
Dep 3 b IV Nr. 6032 | 1924 - 1932 | Das Gertrudenbergerloch mit Zeitungsartikeln (Handakten) |
Dep 3 b V Nr. 1163 | 1844 - 1852 | Fahrweg nach Heilmanns Felsenkeller am Gertrudenberge |
Dep 6 b Nr. 1100 B XII e | Stadt Osnabrück Gertrudenberg; Gertrudenberger Loch |
|
Erw A 26 Nr. 24 | 1931 - 1953 | Gertrudenberger Höhlen zu Osnabrück. Untersuchungen, Aufsätze, Korrespondenz, Bilder |
Erw A 100 Nr. 201 | 1903 - 1965 | Ansichtskartensammlung (1903 - ca. 1965) Enthält u.a.: Gertrudenberger Höhlen |
Rep 556 Nr. 95 | 1853 - 1854 | Erlaubnis zum Brechen von Steinen in der
Steingrube am Gänsebrink beim Kloster Gertrudenberg für den Gastwirt Humann und den Bierbrauer Richter |
6) Auszüge aus dem Online-Katalog der Bibliothek / des Archivs des Geozentrums Hannover
Signatur: | Erscheinungsdatum: | Titel: |
0069464 | 1975 | Ingenieurgeologisches Gutachten zur
Erweiterung des Niedersächsischen Landeskrankenhauses
Osnabrück, 1975, Dr. Eberhard Dahms (Nieders. Landesamt f. Bodenforschung) Auftraggeber: Staatshochbauamt Osnabrück |
0107357 | 1990 | Standsicherheit der Gertrudenberghöhlen
in Osnabrück, 20.07.1990, Dr. Karl-Heinz Büchner (Nieders. Landesamt f. Bodenforschung), Auftraggeber: Staatshochbauamt Osnabrück |
0116191 | 1994 | Stellungnahme zur Standsicherheit der
untertägigen Hohlräume der Gertrudenbergerhöhle in
Osnabrück, 28.11.1994, Baugrundinstitut Essen der DMT GmbH & Co. KG, Auftraggeber: Landschaftsverband Osnabrück |
7) Verein "Gertrudenberger Höhlen Osnabrück"
Durch die Gründungsversammlung7 am 15. Februar 2011 und die Eintragung in das Vereinsregister beim Amtsgericht Osnabrück (Registerblatt VR 200780) am 24. März 2011 wurde der gemeinnützige Verein "Gertrudenberger Höhlen Osnabrück e.V." gegründet.
Der Verein hat sich zur Aufgabe gemacht
- über den Gertrudenberg und das Kulturdenkmal Gertrudenberger
Höhlen zu informieren,
- den Gertrudenberg und das Kulturdenkmal Gertrudenberger Höhlen
zu schützen, zu pflegen, wissenschaftlich zu erforschen und zu
dokumentieren.
- die Gertrudenberger Höhlen für die Allgemeinheit zu öffnen.
Horst Grebing, Gründungsversammlung, 15.02.2011 |
Gründungsprotokoll, 15.02.2011 |
Vereinsregisteranmeldung, 10.03.2011 |
In den vergangenen Jahren hat der Verein seine Satzungszwecke
auf vielfältigste Art und Weise verfolgt:
die historische Erforschung und Dokumentation des Höhlensystems
schritten voran, Veröffentlichungen und Vorträge wurden
getätigt, zahlreiche Gespräche mit Grundstückseigentümern und
Beteiligten wurden geführt sowie der Bekanntheitsgrad der
künstlichen Höhle durch zahlreiche Aktionen vergrößert.
Mit Ablauf des 31.12.2020 habe ich auf eigenen Wunsch aufgrund von Meinungsverschiedenheiten meine Mitgliedschaft im Verein "Gertrudenberger Höhlen Osnabrück e.V." beendet.
Mit Schreiben vom 11. November 2022 wurde dem Verein seitens der Eigentümer untersagt die Gertrudenberger Höhlen zu betreten.
8) Verein "Interessengemeinschaft Gertrudenberger Loch e.V."
Durch die Gründungsversammlung am 01. August 2023 und die Eintragung in das Vereinsregister beim Amtsgericht Osnabrück (Registerblatt VR 202385) wurde der gemeinnützige Verein "Interessengemeinschaft Gertrudenberger Loch e.V." gegründet.
Der Zweck des Vereins ist die Förderung von Wissenschaft und
Forschung sowie die Förderung von Kunst und Kultur. Damit sollen
Aktivitäten entfaltet werden, die den Einheimischen und
Auswärtigen den Zugang zur Geschichte des Gertrudenberger Loches
ermöglichen.
Dieser Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch:
- Schutz und Pflege des Gertrudenberger Loches.
- Realisierung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben bzw.
Projekte.
- Suche nach weiteren unterirdischen Gängen und Räumen.
- Herrichtung des Gertrudenberger Loches für eine zukünftige
Öffnung.
- Information und Aufklärung der Bevölkerung über das
Gertrudenberger Loch durch Veranstaltungen und die Herausgabe von
Publikationen.
- Aufbau eines Museums zur Geschichte des Gertrudenberger Loches.
Einen Überblick zum Verein "Interessengemeinschaft Gertrudenberger Loch" sowie dessen Aktivitäten finden Sie auf der vereinseigenen Homepage.
9) Weiteres Interessantes auf dem Gertrudenberg
a) Bürgerpark
Der Bürgerpark ist der älteste Osnabrücker Park mit einer Fläche von 9,3 ha. Er vereint alten Baumbestand, große Rasenflächen und vielfältige Landschaftspark-Elemente.
Anfang des 19. Jahrhunderts hatte der Osnabrücker Tuchhändler und Vorsteher der Herrenteichslaischaft Gerhard Friedrich Wagner (1769 - 1846) eine Vision: er wollte auf dem Gertrudenberg eine öffentliche Parkanlage schaffen. Mit finanziellen Eigenmitteln kaufte er ein Streifen Land und legte hier den ersten Lustgarten an.
1835 gründete Wagner den "Verein zur Erhaltung und
Förderung der Schönheiten der vaterländischen Fluren"
Der Verein erweiterte, finanzierte und pflegte die
Gartenanlage. Unter anderem ließ der Verein auch das "Gertrudenberger
Loch" öffnen, um mit den Eintrittsgeldern die Gartenpflege
zu ermöglichen.
Aus dem "Verein zur Erhaltung und Förderung
der Schönheiten der vaterländischen Fluren" ging später
der heute noch existierende "Verschönerungs- und
Wanderverein von 1835 e.V., Osnabrück" hervor.
Nach Wagners Tod kamen die Vereinstätigkeiten zum Erliegen und der Verein wurde praktisch aufgelöst; der Garten verwilderte.
1875 schließlich verwirklicht die Stadt Osnabrück die Visionen Wagners und eröffnet zu Ostern 1876 den "neuen" Bürgerpark. Kurze Zeit später findet sich auch der Verschönerungsverein als "Verschönerungs- und Wanderverein e.V." wieder zusammen.
Auf den Wiesen fand nun auch jahrzehntelang am 02. September der Sedantag zur Erinnerung an die Schlacht von Sedan am 01. September 1870 im Deutsch-Französischen Krieg statt.
Partie im Bürgerpark (Postkarte, ca. 1913)
Am westlichen Rand des Parks befindet sich ein ehemaliger
Eiskeller: in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde hier
der Felsen abgegraben und ein Kellerbau errichtet. In ihn brachte
man im Winter Eis, das sich hier bis in den folgenden Sommer
hielt.
Heute ist der Eiskeller Rückzugsraum für Fledermäuse.
Heutige Ansicht des Eiskellers | Ursprünglich oberirdisch mit einem
Wohnhaus bebauter Eiskeller (Am Gertrudenberg 2) (Archiv Sigurd Möllmann) |
Kaffeehaus "Friedenshöhe" um 1910 -
betrieben um die Jahrhundertwende von dem Gastwirt W. Wittling, um 1910 durch die Witwe Dingerdissen (Archiv: Helmut Riecken) |
Das Kaffeehaus "Friedenshöhe" befand sich dort, wo
heute das Alten- und Pflegeheim "Katharina-von-Bora-Haus"
(Veilchenstraße 22) steht.
Das benachbarte klassizistische Gartenhaus aus den Anfängen des
19. Jahrhunderts, welches zeitweilig von dem in der Nachbarschaft
betriebenen Kaffeehaus "Friedenshöhe" mitgenutzt wurde,
wird heute als Studentenwohnung genutzt (Veilchenstraße 22 b).
b) Ehemaliges Kloster
Bereits der Osnabrücker Bischof Benno II. (1068 - 1088), der
das Benediktinerkloster in Iburg gegründet hatte, wollte
"... damit sie [die Stiftsdamen] enthaltsamer leben und um
ihnen weniger Gelegenheiten zu Fehltritten zu geben ...",
wie der Iburger Abt Norbert (1085 - 1117) in der "Vita
Bennonis II. Episcopi Osnabrugensis" berichtete, auf dem
Gertrudenberg ein Benediktinerinnenkloster errichten doch
die angesprochenen Stiftsdamen aus Herzebrock weigerten sich,
nach Osnabrück umzuziehen und es blieb bei einer der Hl. Gertrud
geweihten Kirche. Das Kloster wurde schließlich um 1140 unter
dem Osnabrücker Bischof Udo von Steinfurt (1137 - 1141)
gegründet. Erst sein Nachfolger Bischof Philipp von
Katzenelnbogen (1141 - 1173) konnte 1142 den Klosterbetrieb
endgültig aufnehmen. Eingeführt wurden die Regeln des Hl.
Benedikts von Nursia (480 - 547), dem Begründer des christlichen
Mönchtums im Westen.
Einige der vermauerten Quader der Gebäude
sind aus Iburger Sandstein gefertigt.
Zahlreiche Schenkungen und wirtschaftliche Unternehmungen der Ordensfrauen machten das Kloster wohlhabend.
Aber es kam auch immer wieder zu Streitigkeiten: 1281 plünderten Osnabrücker Bürger das Kloster und steckten dieses in Brand sie befürchteten bei Belagerungen um ihre Sicherheit. Der Papst belegte die Osnabrücker mit Strafgeldern, die schließlich zum Wiederaufbau des Klosters verwendet wurden. Um 1300 war der Klosterbetrieb wieder in vollem Gange, aber dennoch kamen Brandschatzungen und Plünderungen immer wieder vor.
1634, während des Dreißigjährigen Krieges, flüchteten die
Nonnen in die von den Schweden besetzte Stadt, wo ihnen vom
Kapitel die Pauluskapelle neben dem Dom mit dem danebenliegenden
Pfarrhaus als Aufenthaltsort zugewiesen wurde.
1636 brannte das Kloster ab; erst 1645, während der
Verhandlungen zum westfälischen Frieden, bekam die Äbtissin
Barbara von Hövel (1584 - 1677) auf Betreiben der französischen
Gesandten vom schwedischen Landesherrn Gustav Gustavson Graf von
Wasaburg (1634 - 1648) die Erlaubnis, das Kloster wieder
aufzubauen. Der Wiederaufbau wurde 1658 abgeschlossen.
Kloster Gertrudenberg (Auszug aus dem "Plan der Stadt
Osnabrück" von Magister Christian Ludolph Reinhold, 1767)
1803 wurde das Kloster aufgehoben, nachdem die hiesigen
Klöster entsprechend dem Gesetz "Der Reichsdeputations-Hauptschluß",
verabschiedet am 25. Februar 1803 auf der letzten Sitzung des
Immerwährenden Reichstags in Regensburg, säkularisiert wurden:
"§ 36. Die namentlich und förmlich zur Entschädigung
angewiesenen (...) Klöster, so wie die der Disposition der
Landesherren überlassenen, gehen überhaupt an ihre neuen
Besitzer mit allen Gütern, Rechten, Kapitalien und Einkünften,
wo sie auch immer gelegen sind, über, ...".
Aus der Klosterzeit sind das 1767 erbaute Äbtissinnenhaus und der 1765 umgebaute Westflügel erhalten. Ältestes Klosterbauwerk ist der Kreuzgang aus dem 12. Jahrhundert; aus dem Jahr 1709 stammt das Pforthaus. Die aus unverputztem Bruchstein erhaltene Klosterkirche mit dem barockem Hochaltar wurde zwischen 1230 und 1235 fertiggestellt. Die Klosterkirche wird als Simultankirche genutzt.
Nach der Aufhebung des Klosters wurden die Gebäude bis 1849 als Zeughaus und anschließend als Militärkrankenhaus genutzt.
c) "Irrenanstalt"
Am 01. April 1868 nahm auf dem Gertrudenberg die "Hannoversche Provinzialständige Irrenanstalt" ihren Betrieb auf. Erbaut wurde diese in den Jahren 1862 bis 1868 an der Stelle des früheren Klosters. Die Einrichtung wurde 1900 in "Provinzial Heil- und Pflegeanstalt zu Osnabrück" umbenannt; Träger war die preußische Provinz Hannover.
"Irrenanstalt" (Auszug aus dem "Plan der Stadt
Osnabrück" von H. Merkel, 1868)
1952 wurde die Einrichtung in "Niedersächsisches Landeskrankenhaus Osnabrück" umbenannt; Träger war das Land Niedersachsen.
Seit dem 28. November 2007 ist dieses regionale Zentrum für psychische Gesundheit in Trägerschaft des AMEOS Klinikums Osnabrück. Das Klinikum steht Menschen mit seelischen Krankheiten, Störungen und Behinderungen offen.
d) Reste des ehem. Kaiser-Wilhelm-Denkmals
Zwischen Veilchenstraße und südwestlich des "Gartenhauses Am Bürgerpark" befinden sich im Hang Reste des ehem. Osnabrücker Kaiser-Wilhelm-Denkmals.
Das Reiterdenkmal Kaiser Wilhelm I. wurde von dem Karlsruher
Bildhauer Adolf Heer als Nachguss des Karlsruher Reiterstandbilds
geschaffen. Das Denkmal wurde am 16. Juli 1899 in Anwesenheit des
Prinzen Friedrich von Preußen auf dem Goetheplatz, dem heutigen
Stresemannplatz, enthüllt. Die Bronzeskulptur fiel 1942 der
Metallsammlung zum Opfer - der Sockel wurde nach Ende des Zweiten
Weltkriegs gesprengt, beseitigt und am Gertrudenberg abgelegt.
Auf dem zu findenden großen Steinblock sind noch einige
Buchstaben des Schriftzuges "Das dankbare Osnabrück"
erkennbar.
Reste des ehem. Kaiser-Wilhelm-Denkmals am Gertrudenberg | Kaiser-Wilhelm-Denkmal, Osnabrück |
Kaiser-Wilhelm-Denkmal
e) Ehem. Dampfbierbrauerei
1866 verlegte der Bierbrauer Martin Richter seine bisher im Hause "Kamp 6" ("Hopfenmarkt") befindliche Brauerei auf den Gertrudenberg - mehrere Brauereigebäude wurden errichtet und die unterirdischen Hohlräume zum Zwecke der Bierlagerung vergrößert. Fortan firmierte die Brauerei unter der Bezeichnung "Gertrudenberger Dampfbierbrauerei Martin Richter" (Am Gertrudenberg 1). Im selben Jahr verstarb Martin Richter und die Brauerei geriet in Konkurs.
Die "Gertrudenberger Bierbrauerei" übernahm den Betrieb; den Vorstand der Aktiengesellschaft bildeten der Kaufmann Hermann Bullerdieck und Jakob Irrgang aus Osnabrück, in den ersten Aufsichtsrat wurden Rechtsanwalt Bernhard Dyckhoff, Ökonom Wilhelm Diekriede und Kaufmann Emil Berckemeyer gewählt. Emil Berckemeyer besaß eine Kolonialwarengroßhandlung und eine Kaffeegroßrösterei.
Aktie vom 1. Dezember 1887 der "Gertrudenberger
Bierbrauerei", ausgestellt auf den Kornbrenner Gerhard Heinrich Tebbenhoff aus Settrup (heute: Fürstenau) |
Am 10. März 1899 kaufte August Schneider sen.
für 35.000 Mark die Brauerei mit Grundstück, Maschinen und
Gebäuden, eröffnete 1906 wieder eine Brauerei, die ab 1912
unter dem Namen "Bürgerliches Brauhaus GmbH" bis 1928
fortgeführt wurde; das Bier wurde im Volksmund "Herz-Jesu-Bier"
genannt. Im Haupthaus befanden sich im vorderen Teil Büro und
Labor, dahinter befand sich der Wohnteil. Zu der Immobilie
gehörten zudem das Sudhaus mit den Kupferkesseln, ein Hopfen-
und Getreidelager, das Maschinen- und Kesselhaus, das Faßlager
und die Pferdeställe.
Der erste Braumeister hieß Josef Eußner; die Brauerei war unter
der Telefonnummer 417 erreichbar.
August Schneider führte zuvor in Osnabrück eine Mineralwasseranstalt.
Im Kesselhaus, direkt neben dem Sudhaus, befand
sich eine 35-PS-Dampfmaschine, die u.a. für die Erzeugung der
Wärme für die Braupfanne diente; die Braupfanne (Sudpfanne)
fasste 58,2 Hektoliter - der Maischebottich fasste 52,49
Hektoliter.
In der Gertrudenberger Höhle befanden sich Lagerfässer und -tanks
von 3,7 bis 160 Hektoliter; von den kleinsten Lagerfässern
existierten 15, von den größten Lagertanks gab es drei. Nach
einer alten Inventarliste wurden 2.300 Transportfässer in
unterschiedlichen Größen bereitgehalten.
Die Bierkutscher erreichten anfänglich die Brauerei über die Wittkoppstraße. 1903 ließ der Brauereibesitzer August Schneider sen. für rund 2.000 Mark die Straße "Am Gertrudenberg" bauen, da der Transport über die "Wittkopstraße" zu steil war.
1927 übernahm Augsut Schneider jun. die Brauerei von seinem Vater. Er war 1918 in die väterliche Firma eingestiegen und erhielt am 11.11.1919 Prokura; 1927 wurden 1.069 Hektoliter Bier gebraut.
In den letzten Betriebsjahren standen auch drei Lastwagen und ein Adler-Personenwagen auf der Inventarliste.
Lageplan des "Bürgerlichen Brauhauses" (rechts) |
Luftbild des "Bürgerlichen Brauhauses" (obere Gebäude) |
Bier-Lieferwagen des "Bürgerlichen Brauhauses" |
Aufnahmen zum "Bürgerlichen Brauhaus" (ON-Fotos)
Am 31. Dezember 1928 wurde die Bierherstellung eingestellt - im letzten Jahr des Bestehens wurden 69 Sude mit 2.603,4 Hektoliter Vollbier und 17 Sude mit 680 Hektoliter Malzbier gebraut.
Die letzte Gesellschafterversammlung - viele Wirte in Stadt und Landkreis Osnabrück hielten Anteile - fand in der benachbarten Gaststätte "Friedenshöhe" statt.
1932 verstarb August Schneider sen. - noch bis
1933 wohnte die Familie Schneider im Hauptgebäude der Brauerei,
bevor diese in die Stadt umzogen.
Ebenfalls 1932 kaufte der Ingenieur Willy-Ernst Muß das gesamte
Anwesen - er ließ die Maschinen herausbauen und das
Hauptgebäude zum Wohnhaus umbauen. Die weiteren Betriebsgebäude
wurden abgerissen, der 32 m hohe Schornstein der Brauerei wurde
am 24. Oktober 1932 gesprengt. Die Vorarbeiten hatten zehn
Soldaten des "Pionier-Bataillons 6" aus Minden
durchgeführt: in sieben Bohrlöchern wurde eine Munitionsmenge
von 1,4 Kilogramm eingebracht und mittels Knallzündschnur zur
Entzündung gebracht. Anwesend war auch die Lehrkompanie des
Osnabrücker Ausbildungsbataillons. Die "Osnabrücker
Zeitung" schrieb dazu in ihrer Ausgabe vom 25. Oktober 1932:
"Das Wahrzeichen des Gertrudenberges ist nicht mehr. Der
"lange Finger" ragt nicht mehr zum Himmel."
Der im Keller des Hauses befindliche Brunnen ließ Muß wegen
Unfallgefahr verfüllen.
Im Jahre 2001 wurde das Haupthaus als letzter Zeuge der Brauerei abgerissen. Es stand über viele Jahrzehnte in Besitz des Landeskrankenhauses zur Unterbringung von Mitarbeiten zur Verfügung, doch zu Letzt war eine Sanierung wirtschaftlich nicht mehr tragbar.
Heute befindet sich das Gründstück in Privatbesitz und wurde mit einem Wohnhaus neu bebaut.
1 Bei HAACK 1930 ist zum Oberen
Muschelkalk zu lesen:
"Der Obere Muschelkalk zeigt bei Osnabrück verschiedene
Besonderheiten. Zwar kann man auch hier deutlich den tieferen 'Trochitenkalk'
von den hangenden 'Ceratitenschichten' unterscheiden, doch
schalten sich in letztere in einem Teil des Blattes dem
Trochitenkalk sehr ähnliche Bänke ein, die leicht zu
Verwechslungen Anlaß geben.
Der Trochitenkalk (mo1) beginnt mit
dickbankigen festen ebenschichtigen gelben und grauen, dichten,
wohl etwas dolomitischen Kalken, die den Übergang zum Mittleren
Muschelkalk vermitteln. Ganz vereinzelt enthalten sie jedoch
schon die 'Trochiten' genannten Stielglieder von Encrinus
liliiformis LAM. Ihre Mächtigkeit beträgt bis 5 m.
Darüber folgt der eigentliche Trochitenkalk, frisch blaugrauer
körniger oder oolithischer dickbankiger Kalk von etwa 7 - 9,5 m
Mächtigkeit, der in gewissen Lagen massenhafte Anhäufungen
jener Trochiten erkennen läßt, die in anderen fehlen. Wulstig-flasrige
Mergel und Mergelkalke trennen oft die Bänke, die selten auf
mehr als 2 m frei von ihnen sind.
Ebenfalls lagenweise sowohl im Kalk wie im Mergel und oft
Breccien bildend, tritt Terebratula vulgaris SCHLOTH. auf, und
zwar ohne sich an ein bestimmtes Niveau zu halten. (...)
Die Ceratitenschichten (mo2), das
Hauptgestein der Hochstufe des Oberen Muschelkalkes bestehen wie
sonst in Mittel- und Norddeutschland aus den 'Tonplatten', einer
Wechsellagerung dünner Kalkplatten mit grauem bis gelblichem
Schieferton oder Mergel. (...) Die tieferen Schichten sind
gewöhnlich in größeren Trochitenkalk-Steinbrüchen mit
aufgeschlossen, wo sie als 'Kummer' abgeräumt werden."
Und weiter bei den Lehrausflügen: "... zum Gertrudenberg.
Im Bürgerpark Trochitenkalk kantenbildend, Höhle des
Gertrudenberger Loches (mittelalterlicher unterirdischer
Kalksteinbruch)."
2 Bildausschnitte von Postkarten über
die Gertrudenberg-Höhlen von Heinrich Margraf, ca. 1960
(Bezeichnungen nach MARGRAF aus SCHREIBER, 1972).
Die "Felsen-Kanzel" befand sich im Bereich des sog.
"Kuppelsaales" und ist heute vermauert. Der "Kuppelsaal"
ist ein größerer Raum an der Westseite des Höhlensystems.
3 Das allgemeine Nachschlagewerk
"Reales Staats- und Zeitungs-Lexikon" erschien seit
1704 bei dem Verleger Johann Friedrich Gleditsch in Leipzig. Das
Werk erhielt ab 1708 mit der dritten Auflage den Titel "Reales
Staats-, Zeitungs- und Conversations-Lexicon". Das Werk wird
des öfteren irrtümlich dem Autor der Vorreden, Johann Hübner (1668
- 1731), zugeschrieben. Ursprünglicher Bearbeiter war jedoch
Philipp Balthasar Sinold genannt von Schütz (1657 - 1742) seine Urheberschaft wurde jedoch erst
mit der Auflage von 1777 bekannt.
1777 erschien die 23. Auflage ("Neue verbesserte und
vermehrte Auflage").
4 Der Architekt und Rutenmeister
Heinrich Margraf (geb.: 09.10.1904, gest. 25.12.1972) hatte seit
1928 in Osnabrück an der Schillerstraße 24a ein Bau- und
Siedlungsbüro in Verbindung mit einem "Erdstrahlen-Forschungsring
Schule der Radiästhesie"
betrieben. Bereits 1938/1939 zählte er zu den führenden
Erforschern der Gertrudenberger Höhle. Nach dem 2. Weltkrieg
siedelte er nach Berlin über. Dort war "Heinz Margraf"
von 1950 bis 1959 laut "Amtlichen Fernsprechbuch für Berlin"
in der Bismarckstraße 13 in Berlin-Wannsee als Architekt und
Rutenmeister gemeldet. Im Juli 1960 eröffnete Margraf an der
Voxtruper Straße 78 wieder ein Architekturbüro, welches er Ende
der sechziger Jahre an der Belmer Straße 9 weiterführte.
Zahlreiche Forschungen in den Meesenburghöhlen erfolgten in den
Jahren 1961/62. In einer ersten Zusammenkunft am 02. Februar 1969
wurde Margraf Leiter der Bezirksgruppe Osnabrück (für
Osnabrück Stadt und Land mit Umgebung) des "Verbandes für
Ruten- und Pendelkunde (Radiästhesie) e.V.".
Als begeisteter Anhänger der Wünschelruten-Theorie war er des
öfteren heftigen Angriffen ausgesetzt. Margraf wurde 1918 als
besonders veranlagter Strahlenfühler entdeckt. Bereits mit 14
Jahren wurde er Mitglied des "Verbandes deutscher
Rutengänger" und 1928 wurde er Mitglied der Fachschaft im
damaligen "Reichsverband für das Wünschelrutenwesen".
Heinrich Margrafs Verdienst war es, die Höhlen einer breiten
Öffentlichkeit bekannt gemacht zu haben.
5 August Schneider kaufte am 10. März
1899 für 35.000 Mark den an der späteren Anschrift "Am
Gertrudenberg 1" befindlichen Gewerbebetrieb mit Grundstück,
Maschinen und Gebäuden. Im Keller des Hauptgebäudes befand sich
der alte Tiefbrunnen des Gertrudenberger Klosters. Zum Betrieb
gehörte auch ein in der Gertrudenberger Höhle hineingebauter
Eiskeller. Dort wurden im Winter Eisblöcke eingelagert, die per
Eisenbahn aus Norwegen kamen. Die Eisblöcke und Bierfässer
wurden anfangs mit Pferdefuhrwerken über die Wittkopstraße
transportiert. Weil aber die Anfahrt über die Wittkopstraße zu
steil war, ließ der Brauereibesitzer Schneider 1903 für rd. 2.000
Mark die Straße "Am Gertrudenberg" bauen. 1927
übernahm sein gleichnamiger Sohn den Betrieb; am 31. Dezember
1928 wurde der Brauereibetrieb eingestellt.
Nach dem Tod von August Schneider sen. 1932 wurde das Anwesen an
den Ingenieur Willy-Ernst Muß verkauft, der das Hauptgebäude
zum Wohnhaus umbaute. Im Rahmen des Umbaus wurde auch der 32
Meter hohe Kesselschornstein der Brauerei gesprengt.
Wegen Baufälligkeit wurde das alte Brauereigebäude 2001
abgerissen, inzwischen im Eigentum des Niedersächsischen
Landeskrankenhauses und von diesem vor allem an Mitarbeiter des
Landeskrankenhauses vermietet.
6 Die Ausflugsgaststätte (Veilchenstraße 22a) wurde 1849 von der Stadt Osnabrück errichtet und an Louis Meese verpachtet, der die Gaststätte bis 1859 betrieb. Es folgten zahlreiche weitere Pächter. Als sich die Osnabrücker Polizeidirektion am 11. Juni 1920 beim Magistrat der Stadt Osnabrück über das anzügliche Verhalten der Liebespaare auf der Meesenburg beschwerte und vorschlug, den Pachtvertrag (mit dem Pächter Friedrich Vennemann) aufzuheben und das Gaststättengebäude als Wohnung für zwei Polizeibeamte zu nutzen, die während ihrer Dienststunden Streifengänge im Bürgerpark durchführen und auch in ihrer Freizeit diese Grünanlage überwachen, wurde der Pachtvertrag zum 01. Oktober 1920 gekündigt. Die Polizeibeamten und später ihre Angehörigen nutzten das Gebäude bis es im März/April 1972 abgerissen wurde.
7 Gründungsmitglieder waren (in
alphabetischer Reihenfolge):
Emmi Flake, Günter Flake, Detlef Götting, Horst Grebing, Heinz-Albert
Kappelmann, Wilfried Kley, Sigurd Möllmann, Hans Morlo, Lutz
Schubert und Helmut Stockreiter.
- Verein "Interessengemeinschaft
Gertrudenberger Loch e.V."
- Gertrudenberger Loch (Wikipedia)
- Regionalnachrichten
des Regionalstudios Osnabrück von Radio ffn vom 14.07.2009, 16.30
Uhr und 17.30 Uhr
[MP3, 1,55 MB: Bitte Start drücken!]
- OS1.TV:
Sendung "Osnabrücker Land und Leute" vom 02.07.2013
mit dem Titel "Kulturerbe oder Todesfalle? - Die
Gertrudenberger Höhlen" [350 MB]
Nächste größere Besucher-Kalkbergwerke:
- Altes
Kalkbergwerk Miltitz, Triebischtal (Bundesrepublik Deutschland,
Sachsen) [Entfernung Luftlinie von Osnabrück: 395 km]
- Kalkbergwerk
am Königsberg, Wolfstein (Bundesrepublik Deutschland, Rheinland-Pfalz)
[Entfernung Luftlinie von Osnabrück: 300 km]
- Monsted
Kalkbergwerk, Stoholm (Königreich Dänemark, Mitteljütland)
[Entfernung Luftlinie von Osnabrück 470 km]
Hier die pdf-Version des einst von mir gehaltenen Vortrages "Die Gertrudenberger Höhle in Osnabrück - historischer unterirdischer Kalksteinbruch aus dem 14. Jahrhundert": (57,75 MB)
Literatur:
BECKER, Arnfried: Untersuchungen an Vermikulationen aus der
Schrattenhöhle, Melchsee-Frutt AGS-Info, 2/06.
BERK, Wolfgang: Die Höhle im Gertrudenberg. In: Heimat-Jahrbuch
für das Osnabrücker Land 1996.
Bundesministerium der Finanzen, Bundesministerium für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.): Sammlung von
Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Allgemeinen
Kriegsfolgengesetzes (AKG) in den Geschäftsbereichen des
Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung VV-AKG-.
FLAKE, Axel: OB Carl Möller im Gertrudenberger Loch. In:
Heimatbund Osnabrücker Land e.V. (Hrsg.): De Utroiper, Nr. 1,
März 1984.
FLAKE, Günter: Das Gertrudenberger Loch. Eine Chronik der
Gertrudenberger Höhle. In: Heimat-Jahrbuch 1974 für Osnabrück
- Stadt und -Land, Osnabrück 1974.
GREBING, Horst: Kalkgewinnung und -verarbeitung während des
Spätmittelalters und der Neuzeit auf dem Gertrudenberg in
Osnabrück. In: Heimat-Jahrbuch "Osnabrücker Land 2017"
[pdf].
GREBING, Horst: Justus Möser, seine Jugendfreunde und Ansichten
über die Gertrudenberger Höhlen im 18. Jahrhundert. In: Heimat-Jahrbuch
"Osnabrücker Land 2020". [pdf]
GREBING, Horst: Gertrudenberger Loch. In: Aktuell, Beilage der
Zeitschrift "der Aufschluss", Ausgabe 5, Heidelberg
2021. [pdf]
HAACK, Wilhelm: Erläuterungen zur Geologischen Karte von
Preußen und benachbarten deutschen Ländern, Lieferung 286,
Blatt Osnabrück Nr. 2011, Berlin 1930.
LAHMANN-LAMMERT, Rainer: Hat die Konkurrenz das Bier vom
Gertrudenberg mit Seife verdorben? Neue Osnabrücker Zeitung, 10.02.2001.
MORLO, Hans: Das Gertrudenberger Loch, München 1992.
Neue Osnabrücker Zeitung: Gelingt es jetzt, die Geheimnisse der
"Osnabrücker Unterwelt" zu erforschen?, 21.03.1975.
PIESCH, Gerd-Ulrich: Die Meesenburghöhle eine vergessene
Sehenswürdigkeit am Nordrand des Gertrudenberges. In: Heimat-Jahrbuch
für das Osnabrücker Land 1997.
PIESCH, Gerd-Ulrich: Die öffentlichen Führungen in der
Meesenburghöhle am Gertrudenberg in den Jahren 1961 und 1962. In:
Heimat-Jahrbuch Osnabrücker Land 1998, Ankum 1997.
PIESCH, Gerd-Ulrich: Eine neuentdeckte Höhle am Gertrudenberg.
In: Heimat-Jahrbuch Osnabrücker Land 2006, Osnabrück 2005.
POPPE-MARQUARD, Hermann: Klosterkirche auf dem Gertrudenberg. In:
Heimat-Jahrbuch 1990 für Osnabrück - Stadt und -Land,
Osnabrück 1990.
SCHREIBER, Peter: Das unterirdische Osnabrück. Verkehrsverein
Stadt und Land Osnabrück e.V., Heft 18, Juli 1972.
Privatarchive: Daniela Althaus, Hans Morlo, Horst Grebing
Internet: http://www.osnabrueck-stadtfuehrungen.de (Führung
des Monats Mai Der Gertrudenberg)
In der "ON am Sonntag" erschien 2011 nach
entsprechender Vorankündigung auf der einstigen Internet-Plattform
"OS-Nachbarn" eine vierzehntägige Artikelserie zu den
Gertrudenberger Höhlen:
Thema: | OS-Nachbarn: | ON am Sonntag: |
Einführung (Folge 1) |
Osnabrücks schlummernde Unterwelt 08.06.2011 |
Schlummernde Unterwelt 19.06.2011 |
Steinbruch (Folge 2) |
Der unterirdische Steinbruch 25.06.2011 |
Steinbruch oder Kulthöhle? 03.07.2011 |
Brunnen (Folge 3) |
Der Klosterbrunnen 10.07.2011 |
Der Brunnen der Nonnen schreibt Geschichte 17.07.2011 |
Brauereien (Folge 4) |
Bierkeller im Gertrudenberg 23.07.2011 |
Brauereien kühlten ihre Fässer im Gertrudenberg 31.07.2011 |
Luftschutz (Folge 5) |
Luftschutzstollen "Gertrudenberger Höhle" 05.08.2011 |
Schutz vor Bombenhagel 14.08.2011 |
Geologie (Folge 6) |
Ein Blick ins Erdinnere - die Geologie 19.08.2011 |
Höhlenwinde sorgten für seltene Wandmalereien aus
Staub 28.08.2011 |
Kulthöhle (Folge 7) |
Das Gertrudenberger Loch - eine Kulthöhle? 01.09.2011 |
Germanisches Heiligtum in OS-Höhlen 11.09.2011 |
Heinrich Margraf (Folge 8) |
Heinrich Margraf - mit der Wünschelrute
unterirdischen Geheimnissen auf der Spur 17.09.2011 |
Die geheimen Gänge bis unter die Altstadt 25.09.2011 |
Sagen (Folge 9) |
Die Sagenwelt des Gertrudenberges 29.09.2011 |
Erzählen die Sagen vielleicht wahre Geschichten? 09.10.2011 |
Ziele (Folge 10) |
Es gibt viel zu tun 13.10.2011 |
Ziel: Brunnen ausräumen und Schächte freilegen 23.10.2011 |
Weitere Hohlräume (Folge 11) |
Geheimnisse Untertage 30.10.2011 |
Weitere Hohlräume unter dem Bürgerpark 06.11.2011 |
Weitere Gänge (Folge 12) |
Spekulationen, Vermutungen, Wahrheit oder blanker
Irrsinn? 11.11.2011 |
Endeten einige Gänge in Hauskellern? 20.11.2011 |
Erwartungen (Folge 13) |
Erfüllte Erwartungen?! 26.11.2011 |
Die Höhle ist einmalig in Norddeutschland 04.12.2011 |
Die Texte für die "OS-Nachbarn" schrieb Horst Grebing, die Texte für die "ON am Sonntag" stammten von Hans Morlo.
Impressionen:
Herzlich willkommen! | Kleine Stalaktiten im ehemaligen Bierkeller von Richter | Gebogene Mauer in Nähe des unterirdischen Brunnens | Deckenkolk nähe nördlicher Toilettenanlage | Schräge Säule am nördlichen Höhlenende |
Für zahlreiche Informationen und Hinweise danke ich Herrn Hans Morlo, Münster, recht herzlich!
Empfehlenswerte Literatur:
MORLO, Hans: Das Gertrudenberger Loch. Eine künstliche Höhle in Osnabrück. Abhandlungen zur Karst- und Höhlenkunde, Heft 26, 138 S., 71 Abb., München 1992. Hrsg.: Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V., München ISBN: 3-927441-08-2 |
Verein Gertrudenberger Höhlen Osnabrück
e.V. (Hrsg.): Höhlen im Gertrudenberg und Gänge unter Osnabrück. 203 S., zahlr. Abb., Osnabrück 2013. ISBN: 978-3-9814997-3-5 |
GREBING,Horst: Das Gertrudenberger Loch. Steinbruch, Bierkeller, Luftschutz, Denkmal. 96 S., zahlr. Abb. u. Tab., Osnabrück 2024. ISBN: 978-3-89946-335-4 |
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