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Hüls (Hilter a.T.W.) |
Hilter - Goldocker und das
Bergwerk "Hüls und Sicherheit" in Hilter a.T.W. |
von
Peter-Christian Wrede ()
Das Schild über dem "Neuen Stollen" (Foto:
Christa Reinschmidt, 2007)
Hilter-Goldocker muss ein prächtig anzuschauendes Farbpigment gewesen sein. Der Autor hat es leider nie in den Händen gehabt, und als er die spärlichen Archivunterlagen durchlas, um über das Bergwerk "Hüls und Sicherheit" zu berichten, wo der Goldocker gewonnen wurde, rieselte ihm nur grauer Aktenstaub entgegen.
Hilter Ocker war ein Produkt, das weit gehandelt wurde. Stolz zitiert man in Hilter den Spruch: "Hilter Gelb geht um die Welt". Verwendung fand der Ocker ab 1858 bis 1924 als Pigment bei Farbenfabriken. Lieferungen gingen nach Süddeutschland, Probesendungen aber auch in die Vereinigten Staaten.
Zu letzterem existiert eine Korrespondenz bei der Familie Hartman - Hilter. Der Großvater von Baltz Hartman - Hilter, Ludwig Hartmann, war 1892 einige Monate in den USA und akquirierte gelben Ocker (!) und gebrannten roten Ocker. Ein Abnehmer in Brooklyn wünschte die Anlieferung in großen Fässern. Es musste "Made in Germany" darauf stehen, verlangte die Steuerbehörde, und das musste noch vor einem amerikanischen Konsul in Deutschland beschworen werden. 75 bis 100 t, eventuell 150 t pro Jahr, würden wohl abgenommen. Nebenbei bot Ludwig Hartmann auch Flaschenbierlieferungen aus seines Vaters Brauerei an, aber da lechzte keinem die Zunge.
Was war das für ein Material, das im Hüls - Berg nordöstlich von Hilter abgebaut und in die Welt geschickt wurde?
Wem gehörte es bergrechtlich?
Wie wurde es erschlossen und wie gewonnen?
Wie wurde es verkaufsfertig gemacht?
Was ist noch darüber bekannt?
Das Quellenmaterial zu allen diesen Fragen war nicht sehr ergiebig. Akten, die vom direkten Betrieb berichten, waren in den Archiven des heute in diesem Bezirk zuständigen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie in Clausthal-Zellerfeld (des früheren Oberbergamtes) und der Außenstelle Meppen (des früheren Bergamtes) nicht vorhanden, nur einiges zum bergrechtlichen Verleihungsverfahren. Im Staatsarchiv Osnabrück fand sich einige amtliche Korrespondenz. Das Staatsarchiv Münster enthielt nichts zum Stichwort Hilter-Ocker oder Hüls-Sicherheit. Einige Fachaufsätze gab es, und es gab ein Grubenbild. Das ist eine Art Landkarte, auf der das Grubengebäude, das sind die Stollen, Schächte und im Berg aufgefahrenen Strecken zum und im Hüls-Berg, dargestellt ist. Diese "Karte" auf Papptafeln (47 x 66 cm2) gab dem Autor, als Dipl.-Bergingenieur fachkundig, durch intensives Auswerten eigentlich die meisten Auskünfte. Ein wenig konnte auch aus privaten Quellen der Familie Hartman - Hilter und anderer beigetragen werden.
Verschiedenfarbiger Ocker (Foto: Christa
Reinschmidt, 2007)
Was ist der Goldocker für ein Material? Für die Mineralogen ist es ein weit verbreitetes Verwitterungsprodukt, ein Eisenhydroxid. Kohlendioxid aus der Luft, aber auch aus dem Untergrund (Einfluss des Bramscher Massivs?), hat Eisen herausgelöst, das im Osningsandstein enthalten ist. Dieses wurde in Verbindung mit der Luft und den Niederschlägen hydratisiert. Bekannt ist die gelbbraune Farbe dieses Sandsteins, der ja als guter Werkstein an vielen Orten gebrochen wird. Seine Farbe kommt von den darin enthaltenen Eisenverbindungen.
Lage des Hüls - Berges nordöstlich von Hilter am Teutoburger
Wald
Ein Teil des Hüls-Berges besteht auch aus diesem Osningsandstein. Wo der Sandstein massiv war, wurde er viele Jahre lang abgebaut. Nun traf man in den Brüchen auch Sandsteinpartien an, die außerordentlich zerklüftet und zerstückelt waren, als Werkstein also nicht verwendbar. Und da fand man, zwischen den Trümmern abgelagert, das gelbe Pulver, den Goldocker. Er war mit zerriebenem Sandstein und auch Ton vermischt und von Natur aus feucht-klebrig.
"Aus diesem Stoff muss sich doch etwas machen lassen," mag sich so gegen 1856 der Fabrikant Bernhard Hartmann zu Hilter im Amte Iburg gedacht haben. "Ocker ist doch ein Farbpigment, mit dem schon vor 12.000 Jahren die jungsteinzeitlichen Menschen ihre Höhlen in Lascaux oder Altamira geschmückt haben. Den Ocker könnte man im Steinbruch gesondert gewinnen."
So holte er bei dem königlich-hannoverschen Finanzministerium eine Erlaubnis zum Abbau des "von Ihnen entdeckten Ockerlagers am so genannten Hüls" ein, die ihm am 26. Februar 1857 erteilt wurde.
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Copia dem Königlichen Amte Dissen No. 335 p. 28/2 57 ad acta
Hannover, den 26. Febr[uar] 1857. An |
Wegen des Verkaufs der fertigen Ockerfarbe tat sich Bernhard Hartmann mit dem Glaser Müller aus Hilter zusammen. Dieser fing aber 1859 an, ohne Erlaubnis und Beteiligung von Hartmann Ocker auf eigene Hand abzubauen. Da Müller dazu kein Recht hatte, erwirkte Hartmann beim Amt Dissen, dass diesem bei Androhung von 5 Thalern Strafe der Ockerabbau untersagt wurde.
1858 teufte (bergmännisch für: grub) man auch einen Schacht südlich des damals der Familie Hartmann gehörenden "Hülskottens" (an der heutigen Straße "Am Hüls" gelegen) ab und trieb eine kleine Strecke vor, mehr allerdings nicht.
Nachdem das Königreich Hannover 1866 preußisch geworden war, galt auch hier das allgemeine preußische Berggesetz von 1865. Jetzt wollte sich Bernhard Hartmann, um Konkurrenten fernzuhalten, für die Ockergewinnung formgerecht vom (damals zuständigen) königlich preußischen Oberbergamt in Dortmund ein Bergwerksfeld verleihen lassen. Das konnte allerdings nur erfolgen, wenn Ocker als Eisenstein definiert wurde, was er im weitesten Sinn ja auch ist. Um eine solche Verleihung zu erhalten, musste Bernhard Hartmann also Eisenstein erschürfen (bergmännisch für: in der Erde suchen und finden) und muten (ein bergrechtlicher Fachausdruck für das Anmeldeverfahren, um die Verleihung zu erhalten). An sich gehört Ocker nämlich gem. § 1 des Berggesetzes dem jeweiligen Grundeigentümer und bedarf keiner Verleihung zu einer Gewinnung. Eine Verleihung zur Gewinnung von Eisenstein macht dagegen den Bergwerkseigentümer unabhängig von Grundeigentümeransprüchen.
Bernhard Hartmann ließ am Nordhang des Hüls, 246,5 Lachter (rund 515 m) von seinem Hülskotten aus nach Südosten gemessen, eine Strecke mit 24° Gefälle auffahren (also einen schräg abfallenden "Tunnel" gegraben). Dieser "flache" Schacht hatte 5 Fuß (rund 1,55 m) lichte Höhe und 4 Fuß (rund 1,25 m) lichte Weite zwischen dem hölzernen Ausbau. Schon nach 5 Metern, vom Mundloch aus gemessen, traf man Ocker an.
Am 28. März 1870, nachmittags drei Uhr, legte Bernhard Hartmann beim königlichen Bergrevier zu Osnabrück Mutung ein, d.h., er teilte dem Revierbeamten persönlich mit, dass er ein Eisensteinvorkommen entdeckt habe und um Verleihung eines Bergwerksfeldes bitte. Der kgl. Revierbeamte, Bergrat Brassert, überzeugte sich am 9. Juli 1870 anlässlich eines Fundesbesichtigungstermins zusammen mit Bernhard Hartmann an Ort und Stelle, dass das Mineral wirklich an diesem Punkt erschürft sei.
Man hatte einen reichen ockrigen Gelb- und Brauneisenstein gefunden, der die unregelmäßigen Klüfte des Osningsandsteins erfüllte. Die Klüfte wechselten in ihrer Weite von wenigen Zoll bis zu 1,5 Fuß (rund 10 cm bis 45 cm). Vor dem Mundloch der einfallenden Strecke hatte man schon etwa 180 Scheffel (rund 9 m3) Ocker aufschütten können, der ockergelbe, teils auch leberbraune und mitunter ziegelrote Farbe zeigte. Ein Protokoll wurde gefertigt. Am 13. August 1870 gab es in Osnabrück eine Schlussverhandlung.
Am 9. September 1870 verlieh das königliche Oberbergamt in Dortmund dem Fabrikanten Bernhard Hartmann das Eigentum des Bergwerks "Hüls", wie er es benannt hatte, mit einem Bergwerksfeld von 500.000 Quadratlachter (220 ha) Größe zur Gewinnung der in diesem Feld vorkommenden Eisenerze. Der Wert des Eisenerzbergwerks wurde wegen der Verwaltungsgebühren mit 500 Thalern angesetzt.
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Im Namen des Königs! Auf die
Muthung vom 28/29 ten März "Hüls" bei Hankenberg, im Kirchspiele Hilter, im Amte Dortmund, d[en] 9ten September 1870. Königliches Ober-Berg-Amt (gezeichnet) P[rinz zu] Schönaich Verleihungs-Urkunde |
Da man mit dem flachen Schacht gut Ocker angetroffen hatte, ließ Bernhard Hartmann vom Tälchen am Nordhang des Hüls aus, 440 m südöstlich des Hülskottens, einen Stollen vortreiben, der später als Förderstollen (der "alte Stollen") diente. Dieser hatte rund 1,40 m lichte Höhe und rund 1,25 m lichte Breite. Nach rund 130 Metern zeigte sich auch hier Ocker in den Klüften, die den Sandstein kreuz und quer durchsetzten. Auch ihre Breite schwankte zwischen rund 10 cm und rund 45 cm. Der ockrige Eisenstein hatte teils eine ockergelbe, teils eine leberbraune Farbe und schien sehr reichhaltig zu sein.
Hartmann legte auch hierfür Mutung ein - am 28. Juni 1870 -, es gab die Befahrung zur Besichtigung des Fundes, das Schlussprotokoll und schliesslich die Verleihung des "Sicherheit" benannten Bergwerksfeldes am 9. September 1870. Der Wert betrug ebenfalls 500 Thaler.
Die Felder überdeckten den Bereich vom Evensbrink über die Flachsdehne bis zum Hohnangel-Berg und, über den Hüls-Berg hinweg, bis zur Borgloher Egge. Zu letzterem wurde der Bergmeister Bauer als Vertreter des fiskalischen Steinkohlenbergwerks Borgloh um Stellungnahme gebeten, ob die Interessen dieses Bergwerkes von der Verleihung berührt würden, was dieser jedoch verneinen konnte.
Für die Verleihungen wurde beim Amtsgericht Iburg eine Seite im Berggrundbuch angelegt. Dieses Bergwerkseigentum wurde später in die Brauerei-Aktiengesellschaft der Familie Hartmann eingebracht.
Nun ein zeitlicher Vorgriff: 1910 teilte das Königliche Amtsgericht zu Iburg mit, dass die bisher im Grundbuche von Hilter auf den Namen der Aktienbrauerei Hilter eingetragenen Bergwerke "Hüls und Sicherheit" ... aufgrund der Auflassung vom ... 1910 auf dem Grundbuchblatte abgeschrieben und auf das Grundbuchblatt ... von Hilter übertragen wurden. Als Eigentümer ist auf diesem Grundbuchblatte eingetragen worden die Firma Schroeder und Stadelmann GmbH, Oberlahnstein.
Diese Firma beschäftige sich damals - und heute noch - auch mit Farben. Sie war schon zu Ludwig Hartmanns Zeit Konkurrent in den USA. Zeitgeschichtlich muss man dabei bedenken, dass Anfang des 20. Jahrhunderts der Markt für Erdfarben zurückgegangen war: chemisch synthetisierte Farben, wie Anilin, kamen ab Mitte des 19. Jahrhunderts auf, 1878 konnte Indigo künstlich hergestellt werden. Also hatte Familie Hartmann rechtzeitig gehandelt.
Und nun noch ein Zeitsprung: Am 8. November 1968 beschliesst das Oberbergamt in Clausthal-Zellerfeld: "Die im Berggrundbuch des Amtsgerichts Iburg eingetragenen Eisenerzbergwerke "Hüls und Sicherheit" werden gem. § 161 ABG aufgehoben, nachdem der Eigentümer freiwillig darauf verzichtet hat." Für die Firma Schroeder und Stadelmann war die Förderung von mulmigen Eisenerz für Farbzwecke seit langem uninteressant geworden.
Doch nun wieder 100 Jahre zurück. Da dem Autor ja keine Betriebsakten vorlagen, ist das Grubenbild Grundlage für die folgende Darstellung.
Ausschnitt aus dem Grubenbild
Der Ocker wurde bergmännisch untertage im Hüls-Berg abgebaut, in Richtung Südwesten, so halbwegs zum Evensbrink-Berg hin. Richtig los ging es wohl ab 1871. Im Grubenbild sind Jahreszahlen für einzelne Strecken, wie die Bergleute sagen, und für Stollen für 1871, 1874 und 1875 eingetragen. Der 1870 angesetzte Stollen, der Grundlage für die Feldesverleihung "Sicherheit" war (s.o.), diente als Förderstollen. Das war noch die übliche bergmännische Art. Er verlief 22 m unter der Steinbruchsohle. Im Grubenbild fand sich die Angabe "Dynamitaufbewahrung". Das zeigt, dass gebohrt und gesprengt wurde, doch mit welchen Bohrwerkzeugen? Üblich waren gehärtete Bohrstangen, auf die mit dem Vorschlaghammer geschlagen wurde.
Doch dann begannen die Schwierigkeiten. Der Ocker wurde unregelmäßig in den Klüften und Spalten des Sandsteins abgelagert, mal in Nestern, mal in Schnüren, mal in einer 2 m breiten Kluft, mal war sie nur 50 cm weit, mal auch nur 20 oder 30 cm. Es gab kein weitausgedehntes Flöz, wie in der Steinkohle, keinen langaushaltenden Gang, wie im Metallerz! Was blieb einem da übrig? Wo sich eine Spur von Ocker zeigte, verfolgte man sie, bis sie sich verlor. Man kurvte und streckte sich durch den Sandstein, fand wieder ein Ockervorkommen, dann wurde man wieder enttäuscht. Man kratzte den Ocker mit Kellen oder kleinen Schaufeln aus den Klüften. Er wurde in Eimerchen gesammelt, die in kleine Loren entleert wurden.
So ab 1878 wurde, dann aber kontinuierlich, bis 1900 gearbeitet. Man versprach sich bessere Aufschlüsse und Erkenntnisse über das Ockervorkommen dadurch, dass man einen Stollen, den "Erpenbeckstollen" von Osten her herantrieb und durch den ganzen Berg auslängte. Der wurde vor 1885 begonnen und bis 1892 immer weiter getrieben, 300 m lang wurde er schliesslich. Benannt wurde er nach einer Familie aus Melle, die neben Hartmanns in Hilter Grundbesitz hatte. Die Bergleute verlegten darin ein Gleis mit 380 mm Spurweite.
Ein "Augusta-Stollen" wurde direkt im Sandstein
angesetzt, benannt nach der Kaiserin Augusta, der Gemahlin Kaiser
Wilhelms des I., die 1890 verstarb. Dieser Stollen ging 1896
außer Betrieb.
Im Westen begann man 1889 einen "Hüls-Stollen" kurz
südlich eines Hofes Simon in der Flur "Im Winkel",
verließ ihn aber bald schon wieder.
Ausgehend von einer Tongrube zwischen Evensbrink und Hüls-Berg
fuhr man 1892 nach Ost und West einige Meter weit den "Tonstollen"
auf, gab die Arbeit dort aber noch im gleichen Jahr auf.
Von den anderen Stollen aus fuhr man dem Ocker nach, wie schon gesagt. Zwischen den Stollen, die unterschiedliches Niveau hatten, legte man in 4 bis 8 m Abständen Sohlen an (bergmännisch für: Etagen), von denen aus der Ocker gesucht und gewonnen wurde. Die Stollen und Strecken waren eng, soweit aus dem Grubenbild ersichtlich, rund 1,25 m breit und höchstens 1,80 m hoch.
Das alles geschah in den Jahren bis 1900. Der Markscheider, also der Bergwerks-Vermesser, Herr L. Plock, mag wohl an der zeichnerischen Darstellung dieses Irrgartens in dem Grubenbild verzweifelt sein. Seine letzte Nachtragung datiert von 1895. (Scherzhaft ausgedrückt, kann man das Gewirr von Strecken und Stollen mit einem Haufen Spaghetti auf einem Teller vergleichen.) Die ganze Tätigkeit spielte sich unter einer Fläche von nur 135 x 135 m2 ab, das sind 1,8 ha oder 4 Fußballfelder!
Was hat es nun mit dem heute noch sichtbaren, allen bekannten "Neuen Stollen" auf sich, der in der Flachsdehne beginnt. Er ist heute im Interesse der Fledermausschützer sorgfältig gesichert.
Das Mundloch des "Neuen Stollens" (Fotos: Peter-Christian Wrede, 2006 / Horst Grebing, 2007)
Anfangs förderte man ja durch den im Norden angesetzten Förderstollen. Der Weg von dort nach Hilter war weit. Näher lag die Flachsdehne. So setzte man hier von 1878 den "Neuen Stollen" an. Bergmännisch korrekt wurde er 42 bis 60 m tiefer als die vorhandenen Grubenbaue begonnen. So konnte er alles anfallende Wasser aufnehmen und die oberen Baue dränieren. Auch konnten von ihm aus die dazwischen liegenden Vorräte, so man welche fand, erschlossen werden.
Der neue Stollen verlief durch hellgrauen Kalkstein. Man hoffte, nach 270 m den Ockersandstein zu erreichen. Welche Enttäuschung, als man den Sandstein erst nach 460 m antraf! Der Stollen wurde 5 Meter weiter in Richtung auf den 41 Meter darüber liegenden Förderstollen getrieben. Das anfallende Material wurde vor dem Mundloch aufgehaldet. (In späterer Zeit stand eine Jagdhütte auf der Halde.)
Vom Förderstollen aus fuhr man (bergmännisch für: grub man) dem Neuen Stollen entgegen, doch sammelte sich in der abwärts gehauenen Strecke das Wasser. Man musste im März 1878 deswegen erst einmal innehalten. Nun versuchte man es von unten her. Nach den fünf Metern im Sandstein (nicht, wie DÜTTING 1889 schreibt, nach 50 m) fuhr man ab August 1878 ein schräg ansteigendes, an einer Zwischensohle abgesetztes Überhauen (bergmännisch für: einen von unten nach oben gehauenen Schacht) auf und erreichte so das Niveau des Förderstollens. Der Erfolg: die Grube hatte durchgehenden Wetterzug, also Belüftung.
Außerdem teufte man daneben eine senkrechte "Sturzrolle" mit dem Querschnitt von ca. 2,5 m2 mal 1,5 m2 ab, also einen Schacht im Berg selbst. Er war mittig unterteilt, d.h. er diente einerseits dazu, das gewonnene Ocker-Rohmaterial von den oberen Sohlen bis auf die neue Hauptfördersohle zu stürzen (bergmännisch für: hinabzukippen). Zum anderen war das andere Abteil mit Fahrten (bergmännisch für: Leitern) versehen, um Zwischensohlen und auch die Förderstollensohle erreichen zu können.
Auch im übrigen Grubengebäude gelangte aller gewonnener Ocker, von höher liegenden Strecken durch Rollöcher (bergmännisch für: Schächte geringen Durchmessers zum Abkippen des Erzes) bis auf die tieferen Sohlen gestürzt, schliesslich über dem neuen Stollen zum Ausfördern mit einer Lorenbahn zutage. Über dem Stollenmundloch (bergmännisch für: Stolleneingang) wurde ein hölzernes Schild mit dem Namen der Grube angebracht, das der Holzschnitzer Steller aus Hilter angefertigt hatte.
Wie wurde der Ocker in Hilter verkaufsfertig behandelt? Der Ocker war ja völlig mit Sand und Ton vermischt. Diese Fremdbestandteile wurden herausgeschlämmt. Nicht mehr als 1,5 % Sandanteil durfte verbleiben. Wenn man das Farbpulver auf eine Glasplatte legte und mit dem Messer darüberstrich, durfte es nicht knirschen: das war die Schnellanalyse. Dann musste alles feinst gemahlen werden. War die Körnung zu grob, dann brauchte man zu viel Öl zum Anrühren der Farbe, und das honorierten die Kunden nicht. Immer wieder wurde Ludwig Hartmann darauf hingewiesen: Feinste Mahlung und ja nicht zuviel Sand, sonst haben wir kein Interesse. Der Ockerfarbton war ja ein helleres und dunkleres Gelb; bei mehr als 400°C gebrannt, konnte ein roter Farbton erreicht werden, und das Rot verkaufte sich noch besser.
Also gab es in Hilter die Schlämmerei, Trocknung auf freistehenden Gerüsten, die Farbmühle und den Brennofen. Wo aber standen sie? Auf dem Betriebsgelände hinter dem heutigen Rathaus. Zum Betrieb wurden die 70-PS-Dampfmaschinen mitbenutzt, die bis ca. 1894 zum Betrieb der Kornmühlen der Familie Hartmann dienten. (Versuchsweise nutzte man für kurze Zeit danach noch die Farbmühle zum Vermahlen von Holzkohle als "Schwarzmühle".)
Situationsplan (Juni 1873) des Etablissements des Herrn Bernhardt
Hartmann im Dorfe Hilter mit Brauerei, Mehl- und Säge-Mühle und
Ockerei
Um 1900 wurde es still um den Bergbaubetrieb der Hartmanns. Der Übergang 1910 auf die Firma Schroeder und Stadelmann GmbH wurde schon genannt. Nun aber kam neues Leben in den Hüls-Berg. Dieser Betrieb ist eng verbunden mit dem Namen Gustav Lupp, Obersteiger, geboren 1881 in Großseifen im Westerwald, bei den Farben-Fabriken in Diensten seit dem 01.01.1909.
Das Ehepaar Lupp
Im Auftrag der Firma öffnete er 1912 die Grube wieder. Vom kgl. Bergrevierbeamten des Bergamtes Hamm wurde der als Betriebsführer dafür angenommene Lupp am 21.12.1912 "als allbefähigt zur Übernahme der ihm in dieser Stellung obliegenden Geschäfte" anerkannt. Mit der Leitung und Aufsicht betraute er Wilhelm Rodefeld aus Hilter. Das Mundloch des Stollens in der Flachsdehne ließ er völlig neu wieder herrichten. 1914 wurden noch 300 Centner (= 15 t) Ocker gefördert, dann aber schloss Lupp die Grube wegen des Kriegsausbruches.
1923/24 ging er wieder an die Arbeit. Er ließ einen Schacht
teufen, 12 m tief, zur besseren Belüftung, dann einen schrägen
Schacht und den "Middendorfstollen" auffahren. Dieser
ist nach einem hiesigen Grundeigentümer benannt. Aus dem
erwähnten Grubenbild kann man ablesen, dass Lupp die schon
vorhandenen Grubenbaue verlängern ließ, immer auf der Suche
nach dem sich rar machenden Ocker. Auch legte er einen
Dynamitraum in einer etwas abgelegenen Strecke an. Übertage
errichtete er zwei "Kauen", also Baracken im Bereich
des Mundloches des schrägen Schachtes im Norden der Grubenbaue,
die wohl als Werkstätten und Magazin gedient haben. Im Juni 1924
vermaß der Markscheider Müller die Grubenbaue zum letzten Mal.
Da stand das Wasser schon bis 9 m unter der obersten Sohle.
Seitdem ist wohl endgültig Betriebsruhe.
Abgesehen vom Mundloch des "Neuen Stollens" zeigen sich
heute nur dem Kundigen die Hinterlassenschaften des
Bergbaubetriebes im Hüls-Berg in Form von Halden und "Pingen",
das sind bombentrichterähnliche Vertiefungen im Boden als Reste
verfallener Schächte.
Im März 1925 trat Lupp aus seinem Arbeitsvertrag aus und erhielt zum Zeugnis, dass er ein treuer und gewissenhafter Beamter (so wurden damals die leitenden Angestellten eines Bergwerks bezeichnet) war, mit dessen bergmännischen Leistungen man immer zufrieden war.
Mit seiner Tatkraft aber gab er noch keine Ruhe. Obersteiger Gustav Lupp war 1912 im Haus der Familie Beinker an der Bielefelder Straße in Hilter eingezogen. Mit Frau und drei Töchtern wohnte er lange Jahre dort, er verzog schliesslich nach Osnabrück. Lupp war eine stattliche Person mit starkem Bart. Er wird als Choleriker beschrieben. Neben seinem Bergmannsberuf hatte er die Fähigkeit, als Naturheilkundiger zu wirken, auch konnte er ausgesprochen überzeugend mit Pendel und Wünschelrute umgehen. Seine Heilkunst lockte viele Kranke an, die oft das Treppenhaus der Familie Beinker als Wartezimmer füllten.
Doch hauptsächlich hatte er sich dem Goldocker verschworen und vermutete und wusste noch grosse Vorräte im Hüls-Berg. 1960 kam er zum Bergamt Meppen und schaute sich das Grubenbild an. Er traute sich zu, als 80-jähriger "Berggeist", wie er von seinen Freunden genannt wurde, dem Betrieb wieder aufzunehmen. Doch es blieb bei diesem Anlauf. Gustav Lupp verstarb in oder nach 1969.
Was war das Ergebnis aller dieser Bemühungen, also die Ausbeute? Nur wenige Zahlen waren in den Akten zu finden:
1885 verkaufte die Fa. Hartmann 300 t an süddeutsche Fabriken,
1897 wurden 68 t von 8 Bergleuten gefördert,
1898 wurden 79 t von 6 Bergleuten gefördert und
1899 wurden 23 t von 1 Bermann gefördert. Für
1900 gibt es schon keine Angaben mehr ...
Aus dem Grubenbild war noch zu ersehen, dass in der Nähe dort, wo der Weg aus der Flachsdehne herauskommt, auf der anderen Seite der Straße nach Osnabrück "Bergmannshäuser" stehen; den Häusern dort sieht man in ihrer heutigen Gestalt die Tradition nicht mehr an. Ob sie eventuell jedoch zum Steinbruchbetrieb auf der gleichen Straßenseite gehörten? Gegenüber davon, bei der "Villa Carlshorst", befand sich ein Bierkeller: Ja die Bergleute und der Schluck! Ob das der Lagerkeller der Hartmannschen Brauerei war?
Das waren rund 150 Jahre Auf und Ab beim Bergbau auf den Hilter Goldocker im Hüls-Berg. Viele Daten konnte der Autor zusammentragen, aber gewiss ist hier und da noch mehr bekannt. Auch könnte man doch noch einmal unter anderen Stichworten in den Staatsarchiven forschen. Möge ein Heimatforscher den Glanz des Hilter Goldockers noch mehr zur Freude der Gemeinde Hilter polieren!
Quellenverzeichnis
Oberbergamt Clausthal-Zellerfeld: Grubenbild und
Berechtsamsakten "Hüls und Sicherheit".
Bergamt Meppen: Akte A III 4 und Berechtsamsakten "Hüls"
und "Sicherheit".
Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im
Preussischen Staate, Jahrgänge 1880 - 1900.
Erläuterungen zur geologischen Karte von Preußen, Blatt
Borgholzhausen, Berlin 1930.
Staatsarchiv Osnabrück, "Amt Iburg", Rep. 350 Ibg., -
Amt Iburg, Fach 113, Akte 38, Archivfach 59.
Dütting, Christian: Geologische Aufschlüsse an der
Eisenbahnlinie Osnabrück - Brackwede, in: Jahrbuch der
königlich preussischen geologischen Landesanstalt zu Berlin für
das Jahr 1888.
Röhrs, Hans: Erz und Kohle, Bergbau und Eisenhütten zwischen
Ems und Weser, Ibbenbürener Vereinsdruckerei GmbH, Ibbenbüren
1992.
Interview Frau Viehmeister, geb. Beinker, Hilter, 2001.
Briefe der Familie Hartman - Hilter.
Private Unterlagen diverser Einwohner in Hilter.
Der Autor:
Peter-Christian Wrede,
geboren am 21.12.1935 in Berlin. 1955 Abitur am Ratsgymnasium in
Bielefeld. Studium des Bergfachs an der Bergakademie Clausthal-Zellerfeld
und der Technischen Universität Berlin - Charlottenburg.
Abschluss 1961 als Diplom-Bergingenieur. 10 Jahre Tätigkeit als
wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin,
Verkaufsingenieur bei der Fa. Ruhrkohle, Essen und als Planungs-,
Betriebs- und Sicherheitsingenieur bei der Fa. Preussag, Sparte
Kohle (Ibbenbüren) und Sparte Metall (Goslar und Bad Grund).
1972 zunächst als technischer Angestellter beim Oberbergamt in
Clausthal-Zellerfeld mit sofortiger Versetzung zum Bergamt Meppen,
1975 verbeamtet. Als Bergoberrat beim Bergamt Meppen Eintritt in
den Ruhestand zum 31.12.2000.
1992 Aufbau der Ausstellung "50 Jahre Erdöl im Emsland und
in der Grafschaft Bentheim" für den Heimatverein Meppen.
Auf dieser Grundlage ab 1993 Planung, Sammlung, Aufbau und
Leitung des Erdöl-Erdgas-Museums Twist.
Peter-Christian Wrede verstarb am 23.10.2012 in seinem Heimatort
Meppen.
Besondere Interessen: Sprachen, Heimatgeschichte.
Stand: 25.01.2007
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Die Arbeit "Hilter-Goldocker und das
Bergwerk "Hüls und Sicherheit" in Hilter a.T.W."
erschien auch in gedruckter Form im Heimat-Jahrbuch "Osnabrücker Land 2008", S. 162 - 175.
Herausgeber: Heimatbund Osnabrücker Land e.V., Keisheimatbund Bersenbrück e.V.
ISSN 1618-5757
Ein weiterer Artikel aus meiner Feder befasst sich mit dem ""Neuen Stollen" - ein Grubengebäude im Bergwerk "Hüls & Sicherheit""!
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