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Kalkbrennerei Sander - vormals Kocke -
Am Ostende des Langenberges errichtete 1872 ein Julius (?)
Kocke einen Kalkofen.
Bereits im "Jahresbericht der Handelskammer zu Osnabrück
für das Jahr 1872" steht, dass aus den Brüchen bei Iburg
ein besonders guter Kalkstein in sehr erheblichen Qualitäten
gewonnen wird; in diesem Jahr gewannen neben dem neuen Kalkwerk
Kocke die Iburger Kalkwerke Tepe und Vornbäumen Kalkstein.
Später wurde das Kalkwerk vom Kaufmann Franz Conrad Sander übernommen.
Franz Conrad Sander wurde am 06.03.1829
als Sohn der Eheleute Hermann Henrich Sander und seiner Ehefrau
Wilhelmina Sophia Catharina, geb. Grüning, in Glane geboren;
Taufpate war sein Urgroßvater Franz Conrad Frecker.
Franz Conrad Frecker erbaute 1780 im "Mühlenpforten-Rott
Nr. 105" (später: Große Straße Nr. 90) ein großes Wohn-
und Geschäftshaus, welches später in den Besitz von Franz Conrad
Sander überging. Conrad war mit Anna Hiltermann (geb.: 09.04.1841),
Tochter des Gastwirtes Fridericus Christianus Ferdinandus Jacobus
Hiltermann, verheiratet; die beiden hatten vier Kinder. Franz Conrad
war Kaufmann, seit 1871 Ratmann im Magistrat und Standesbeamter.
Franz Conrad Sander starb 1907 und das Haus gelangte
später über seine Ehefrau in den Besitz der Erben Aschenberg -
Dütemeyer. Zeitweilig beherbergte das Gebäude das "Kaufhaus
Arnold Jelkmann", späterer Inhaber Heinz Jelkmann (ein
weiteres Kaufhaus befand sich in der Johannisstraße 139 in
Osnabrück). Am 01. August 1962 eröffnete Mathilde Hellbernd im
Erdgeschoss die "Nikolaus-Apotheke" (heute: Große
Straße 18). Die Apotheke besteht (weiterhin) seit dem 01.06.2007
als Filialapotheke der Osnabrücker "Neumarkt Apotheke".
Kaufhaus Arnold Jelkmann, 1945 |
Nikolaus-Apotheke |
Franz Conrad Sander gehörte zum wohl bedeutungsvollsten Stammtisch im Hotel Gersemann und war seit 1898 Ehrenmitglied des Iburger Verschönerungsvereins (gegr. am 21. Mai 1887 im Gersemann'schen Hotel durch Iburger Bürger). Sander war es auch, der von der Forstverwaltung ein 95 m2 goßes Grundstück auf dem Dörenberg für den Bau eines neuen Aussichtsturmes anpachtete, da der alte Huiskingsche Aussichtsturm baufällig geworden war. Der Bau dieses neuen eisernen Aussichtsturmes konnte schließlich 1898 mit einer großzügigen Spende der Geschwister Louise und Anna Sudfeld aus Bielefeld in Angriff genommen werden. Ab 1917 war der Iburger Verschönerungsverein Pächter des Grundstücks.
Wilhelm Trenkner (geb. 08.10.1817 in St. Andreasberg, gest. 01.03.1890
in Berlin) berichtete bereits 1881 in dem Buch "Die
geognostischen Verhältnisse der Umgegend von Osnabrück":
"Nahe bei Iburg ist [der Pläner] (...) westlich vom
Schlossberge erschlossen."
Pläner bezeichnet eine Wechselfolge von
geringmächtigen Kalksteinbänkchen mit zwischengeschalteten
dünnen Mergellagen.
In dem Heft "Iburg in der Geschichte und in der Natur" von Friedrich Knickenberg aus dem Jahr 1894 ist nachzulesen: "Der Weg führt uns an Sanders Kalköfen vorbei, die hier am Langenberge angelegt sind. Der Langenberg ist ein Flötzgebirge, aus Pläner-Kalksteinen bestehend in einer Ablagerung von Norden nach Süden. Der Kalkstein ist von hellgrauer Farbe und finden sich in demselben häufig Versteinerungen vor, namentlich von Muscheln, Ammonshörnern u.s.w. Die einzelnen Flötze oder Bänke sind haufig durch eine Mergelschicht von einander getrennt."
In der Inaugural-Dissertation "Der Teutoburger Wald bei
Iburg" aus dem Jahr 1904 führt Karl Andrée (geb. 10.03.1880
in Münder am Deister, gest. 18.08.1959 in Göttingen)
ausführlicher aus: "In dem Sander'schen Steinbruche am
Langenberge, westlich von Iburg, ist der Cenoman-Pläner ziemlich
in seiner ganzen Mächtigkeit, welche etwa 100 m betragen mag,
abgesehen vielleicht von den alleruntersten Schichten, steil nach
Süden einfallend, aufgeschlossen. Hier lieferten mir die unteren
Lagen ausser den meisten oben angeführten Arten noch Turrilites
Schechzeri Bosc., Holaster subglobosus Ag. und Terebratulina
rigida Sow..
Nach oben zu wird das Gestein heller und fester und schliesslich
rein weiss, nur gelegentlich mit dunkleren, grauen bis blauen
Flammen und enthält noch häufiger Schwefelkiesknollen.
In den obersten, weissen Kalken findet sich auch eine
eigentümliche "kleinstylolithische Absonderung nach Schicht-
und Kluftflächen", wie sie bereits von Stille aus der
Gegend von Altenbeken beschrieben wurde.
Die obersten, weissen Cenoman-Pläner sind arm an Fossilien. Im
Sander'schen Steinbruche sammelte ich daraus Holaster sublobosus
Ag., Terebratula sp. und Bryozoen."
Schichtenfolge (von Nord nach Süd): grauer Wasserkalk (Cenoman-Pläner,
kro1b) weißer Fettkalk (Cenoman-Kalk, kro1g) |
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Meßtischblatt
2079: Iburg (Erstausgabe der Topographischen Karte 1 : 25 000), Aufnahme 1895, herausgegeben 1897 |
Geologische
Karte von Preußen und benachbarten deutschen Ländern,
Blatt Iburg, geologisch bearbeitet durch Wilhelm Haack (geb. 08.07.1882 in Lügumkloster, gest. 20.05.1947 in Berlin/Ost) |
Eine Analyse der Kalke um 1900 aus dem Sander'schen Steinbruch von Dr. Wilhelm Thörner (geb. 16.05.1850 in Osnabrück, gest. 09.09.1920 in Osnabrück), Inhaber eines 1880 gegründeten städtischen Untersuchungsamtes für Nahrungsmittel und eines chemisch-technischen Handelslaboratoriums in Osnabrück, ergab folgende Werte:
dunkler, unterer Cenoman-Pläner: | harte, obere Kalke: | |
---|---|---|
in Salzsäure unlöslich: | 16,2 % | 11,8 % |
Siliziumdioxid (SiO2) | 11,7 % |
8,9 % |
Aluminiumdioxid (Al2O3) | 4,5 % |
2,9 % |
in Salzsäure löslich: | 83,8 % | 88,2 % |
Aluminiumdioxid (Al2O3) u. wenig Eisen-III-Oxid (Fe2O3) | 2,0 % |
1,4 % |
Kalziumoxid (CaO) | 44,7 % |
47,5 % |
Magnesiumoxid (MgO) | 0,4 % |
0,3 % |
Kohlendioxid (CO2) u. Glühverlust | 36,7 % |
39,0 % |
Im November 1905 kostete bei Sander 1 Scheffel Kalk 45 Pfennig:
Rechnung der Kalkbrennerei C. Sander vom 13. November 1905 |
Am 01.07.1905 kam es durch einen Blitzschlag auf dem Hof Brinkmann in Ostenfelde zu einem Brand. In der Hofchronik ist zu lesen: "Während auf dem Donnerbrink geheut wird, kommen dem Bauern die eigenen Kühe entgegengelaufen." Der Hof wird vom Bauern Johann Heinrich Brinkmann (geb.: 11.04.1848, gest.: 20.09.1912) wieder aufgebaut; das Hauptgebäude wird nochmals vergrößert und bekommt seine heutige Form (Münsterstraße 50).
Nachfolgende Postkarten zeigen, über den damaligen Mühlenteich der Schlossmühle (dem am 18.06.1933 eingeweihten Charlottensee) blickend, die Ostseite des Langenberges mit dem (ehemaligen) Kalkwerk Sander:
Postkarte aus dem Verlag Mathias
Gellenbeck, 1906 (Weltpostverein Nr. 15936) |
Colorierte Postkarte aus dem Verlag
Gerhard Heinrich Joseph Gersemann, 1906 (Weltpostverein Nr. 10156) |
Selbige Ansicht (14.07.2016) |
Die Aufnahme auf der nachfolgenden Postkarte des Verlages Anton Hankers aus etwa 1906 gewährt einen Blick in den Steinbruch: hier waren Gleise für den Transport der Kalke verlegt, inmitten des Geländes ein sog. "Kummerhaufen", der Gesteinsabfall aus dem Steinbruch.
Postkarte vom Langenberg Richtung Schloss
und Kloster Iburg, Mühlenteich sowie der alten
Sägemühle (heute: Café u. Restaurant "Schloßmühle").
Links im Hintergrund die Häuser Kassen und Dütemeyer,
rechts im Hintergrund das Haus Lamby. Die Postkarte wurde am 05. September 1907 nach Hengelo (Niederlande) verschickt. |
Aus der Bildmaterialien-Sammlung vom Kaufmann Franz-Josef Schräder aus Iburg stammt der folgende Schnitt des Schachtofens:
Schnitt durch den
Kalkofen |
Ein historisches Modell zeigt noch einmal die Gesamtsituation:
Modell der Kalkbrennerei Sander |
Franz Conrad Sander am Steinbruch |
Franz Conrad Sander |
Der Betrieb soll nicht wirtschaftlich verlaufen sein, da angeblich die Arbeiter des Werkes, bevor der Besitzer eintraf, mehr Kalk verkauft haben als der Besitzer den ganzen Tag. Mit dem erwirtschafteten Geld, das von den Arbeitern widerrechtlich einbehalten wurde, soll angeblich deren Schnapskonsum finanziert worden sein.
Das Kalkwerk bestand bis 1905.
Bergassessor Christian Dütting (geb. 20.12.1862 in Osnabrück, gest. 21.07.1921 in Iburg), späterer Generaldirektor und Leiter der Bergwerksabteilung der "Phoenix", Aktiengesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb, kaufte im Jahre 1905 das umgebende Gelände und erbaute auf dem Kalkfelsen 1906 ein Landhaus als Erholungs- und Feriendomizil.
Passbild von Christian Dütting, ca. 1911 |
"Später kamen noch Waldgrundstücke, der Obstgarten beim Pumpenhäuschen und das Land an der Rennbahn hinzu.", so die Tochter Hanna Fritz (1906 - 2000) in ihren Erinnerungen 1978.
Ansicht über das Sägewerk
Schwartengräber hinweg - das Schild am Giebel des
Sägewerkes wirbt für SALEM Zigaretten. Postkarte aus dem Verlag Eduard Rennert (Schloßstr. 19), gelaufen 1936 |
Und weiter: "Vater (...) ging draußen viel umher (...) mit seinem kleinen Geologenhammer, - denn im Steinbruch wurden viele Versteinerungen gefunden -, um am Gestein zu klopfen (Schere und Hammer waren bis zuletzt in Iburg vorhanden. Ein großes Ammonshorn, das auf unserem Grundstück gefunden worden war, lag auf der Terrasse, und ein ganzer Koffer aus Eichenholz mit eisernen Beschlägen voll von Versteinerungen, die Vater im Steinbruch gesammelt hatte, stand unter dem Blockhäuschen; leider warf später die Einquartierung, die wir dort hatten - Lüchtefelds - die Versteinerungen fort, (...). Irgendein Professor sagte später zu Hans, - entweder beim Studium oder im Examen -, Vater sei ein tüchtiger Geologe gewesen, ebenso sein Patenonkel Christian Mosler."
Das Gelände des ehemaligen Steinbruchs wurde liebevoll in einen Gartenpark umgewandelt:
Blick auf den Steinbruch mit Blockhütte, die sich ein Stück unterhalb des Hauses Dütting befand | Im Gartenpark | |
Im Gartenpark mit Blick auf den Steinbruch (1929) | Steinbruch und Pergola an der Hausterrasse |
Der alte Kalkofen wurde von Christian Dütting umgebaut und erhielt das Aussehen eines romanischen Wehrturmes:
Landhaus Dütting auf einer Postkarte, gelaufen 27.07.1908 |
Weitere Ansichten zeigen, dass der umgebaute Kalkofen in den letzten Jahren stark mit Efeu berankt war:
Bllick über den Charlottensee |
Einfahrt zum Besitztum Dütting an der noch unbefestigten Rennbahn (heute: Charlottenburger Ring) |
"Wehrturm" |
Weiterführende Informationen zu
"Christian Dütting (1862 - 1921)" finden Sie
auf dieser Homepage unter: |
Der umgebaute Kalkofen wurde 1958 im Auftrag der Familie Dütting durch die Iburger Firma Hubert Reiferth wegen Baufälligkeit abgebrochen und die Reste in eine Senke in unmittelbarer Nähe hineingeworfen.
In dem "Landhaus Dütting" hielt sich
Christian Dütting bis zu seinem Tod am 21. Juli 1921 außerhalb
des Urlaubs in der Regel nur am Wochenende auf - seine Ehefrau
Johanna, geb. Offenberg (geb.: 06.08.1878, gest.: 07.05.1965),
und die zwischen 1901 und 1914 geborenen neun Kinder verbrachten
den kompletten Sommer dort. Im Falle eines Sommeraufenthaltes in
Iburg wurden die Kinder auch dort in die Volksschule zu Lehrer
Hegger und Frl. Biedendick geschickt. Christian Dütting verblieb
in der großen Direktorenvilla in Gelsenkirchen-Ückendorf (Ückendorfer
Straße). Enge Freundschaften bestanden (auch in Iburg) u.a. zu
dem Kunsthistoriker Hermann Karl Adolf Ehrenberg (besaß ein
Sommerhaus auf dem Urberg), den Malern Arthur Ludwig Ratzka und
Carl Schmitz-Pleis, dem Pastor Professor Karge, Familie
Schnöckelborg, Wilhelm Vornbäumen und dem Landwirt Huneke (Holperdorper
Straße).
Im Frühjahr 1919 erfolgte der Umzug nach Essen (Bismarckstraße
66); im Frühjahr 1925 verzog die Familie nach Essen-Bredeney (Zum
Ruhrstein 17).
Ab 1940 lebten Dr. phil. Rolf Fritz (geb.: 15.04.1904, gest.:
1992) mit seiner Ehefrau Dr. phil. Hanna Fritz, geb. Dütting (geb.:
18.09.1906, gest.: 2000) und ihren Kindern Johann Michael (geb.:
30.01.1936) und Andrea Gabriele (geb.: 20.07.1945) in dem
"Dütting'schen Haus"; gegen Ende des 2. Weltkrieges
hielten sich auch Johana Dütting und andere Verwandte aus den
Städten des Ruhrgebietes im Iburger Haus auf. Dr. phil. Rolf
Fritz war von 1936 bis 1966 Direktor des Museums für Kunst und
Kulturgeschichte der Stadt Dortmund. Die Museumsbestände wurden
1940 von Dortmund aus an etwa 30 verschiedene Orte ausgelagert
und gelangten schließlich mit Hilfe englischer
Kunstschutzoffiziere im November 1946 auf Schloß Cappenberg (am
nördlichen Stadtrand von Lünen). Da führte dazu, dass die
Familie Fritz am 06. Februar 1947 von Iburg auf Schloß
Cappenberg verzog; das "Landhaus Dütting" diente nur
noch als Urlaubsdomizil.
Weiterführende Hinweis zu Christian Dütting finden Sie hier!
1964 wurde das Gelände von Bernhard Hellmann, dem Inhaber des "Waldhotels Felsenkeller", gekauft.
Im August 1981 suchte ich nach Mineralien und Fossilien im ehemaligen Sander'schen Kalksteinbruch - in den breiten Klüften fanden sich zahlreiche wunderschöne Calcite (Kalkspat, CaCO3).
Horst Grebing im ehem. Sander'schen Steinbruch |
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